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Alzheimer-Therapie Lecanemab startet in Deutschland

Der Antikörper Lecanemab wird ab 1. September in Deutschland verfügbar sein. Die zugelassene Therapie richtet sich gegen Amyloid-Ablagerungen im Gehirn und soll den Krankheitsverlauf verlangsamen.

Nur für wenige Alzheimer-Patienten kommt die neue Behandlung infrage.
Foto: Daniel Naupold/dpa

Am 1. September wird der zugelassene Antikörper Lecanemab in Deutschland offiziell eingeführt. Österreich und Deutschland sind die ersten EU-Länder, in denen das Mittel unter dem Namen Leqembi erhältlich sein wird, gaben die Pharmaunternehmen Biogen aus den USA und Eisai aus Japan bekannt. Die Therapie, die nach langem Zögern zugelassen wurde, kann nur einem kleinen Teil der rund eine Million Alzheimer-Patienten in Deutschland helfen. Lecanemab wird alle zwei Wochen als intravenöse Infusion verabreicht.

Zulassung mit Einschränkungen

Im April wurde von der EU-Kommission Lecanemab für die Behandlung von leichter kognitiver Beeinträchtigung (Gedächtnis- und Denkstörungen) im frühen Stadium der Alzheimer-Krankheit genehmigt. Laut Johannes Levin vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) sind die ersten drei Jahre als frühe Phase der Alzheimer-Krankheit anzusehen. Dies betrifft derzeit in Deutschland wahrscheinlich etwa 250.000 Menschen.

Es gibt jedoch eine weitere Bedingung: Nur Alzheimer-Patienten, die nur eine oder keine Kopie von ApoE4 haben, sollen das Medikament erhalten – einer Variante des Gens für das Protein Apolipoprotein E. Bei ihnen ist das Risiko für bestimmte Nebenwirkungen wie Schwellungen und Blutungen im Gehirn geringer als bei Personen mit zwei ApoE4-Kopien. Laut DZNE machen Menschen mit nur einer oder keiner ApoE4-Kopie in Deutschland etwa 80 Prozent der Alzheimer-Patienten aus.

Hohe Kosten – Verhandlungen laufen

Das Unternehmen Eisai gibt den Herstellerpreis für eine 2-Milliliter-Packung mit 310 Euro und für eine 5-Milliliter-Packung mit 615 Euro an. Laut Angaben der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) beträgt der Verkaufspreis zunächst 403,27 Euro für die kleine Packung und 788,86 Euro für die große Packung. Ein Sprecher von Eisai sagte, dass die Anzahl der Infusionen, die mit den Mengen durchgeführt werden können, vom Gewicht des jeweiligen Patienten abhängt.

Der ABDA gibt an, dass für eine Person mit einem Gewicht von 70 Kilogramm pro Infusion etwa 7 Milliliter Konzentrat benötigt werden – also eine große und eine kleine Packung. Laut dem Hersteller Eisai würde dies zu Medikamentenkosten von 24.050 Euro pro Jahr führen.

Dies entspricht der Schätzung des Generalsekretärs der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Peter Berlit, der auch mit etwa 24.000 Euro an Kosten für das Medikament pro Jahr pro Patient rechnet. Die Ausgaben für Tests, Durchführung der Therapie und Überwachung könnten sich auf etwa 10.000 Euro belaufen.

Laut der Alzheimer Forschung Initiative werden die Kosten zuerst von den Kassen übernommen. Gleichzeitig wird der Gemeinsame Bundesausschuss prüfen, welchen Nutzen das Mittel im Vergleich zu bisherigen Therapien hat. Das Ergebnis dieser Prüfung bildet die Grundlage für die Preisverhandlungen zwischen Herstellern und Krankenkassen.

Herausforderung für die Kliniken

Bevor eine Therapie beginnen kann, muss bei Patienten Alzheimer erst durch Biomarker-Tests nachgewiesen werden, gefolgt von einem genetischen Test auf ApoE4. Auch die Kosten für den Gentest seien eine Kassenleistung, da es sich dabei um eine für die Behandlung verpflichtende Untersuchung handele, so die Alzheimer Forschung Initiative.

Frank Jessen, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Uniklinik Köln und Demenzforscher, sieht die Krankenhausambulanzen «grundsätzlich gut aufgestellt, um kommende Woche mit der Therapie mit Leqembi zu beginnen». Konkret sei dies jedoch auch abhängig von den Kapazitäten der einzelnen Zentren – etwa im Blick auf Personal, MRT- und Infusionsplätze. 

Gemäß Informationen der dpa könnte sich der Beginn in einigen Kliniken aufgrund der hohen Kosten, die für die Kliniken anfallen, verzögern, da diese die Kosten tragen müssen, während die Preisverhandlungen noch im Gange sind.

Jessen erklärt, dass die Kosten für die Behandlung von Kassenpatienten im Regelfall zunächst über Ambulanzpauschalen abgerechnet werden, die verhandelt werden müssen. «Da müssen die Krankenhäuser jetzt intern eine Regelung finden.»

Keine Heilung in Sicht

Bisherige Alzheimer-Therapien konzentrieren sich lediglich auf die Symptome der Krankheit und nicht auf die zugrundeliegenden Prozesse im Gehirn. Im Gegensatz dazu zielt Lecanemab darauf ab, die Amyloid-Ablagerungen im Gehirn zu bekämpfen und dadurch den Krankheitsverlauf um einige Monate zu verlangsamen. Trotzdem wird auch bei diesem Medikament keine Heilung oder Verbesserung angestrebt, ein solches Mittel ist weiterhin nicht in Aussicht.

Bei einer ersten Prüfung der EU-Arzneimittelbehörde EMA wurde Lecanemab aufgrund von Nebenwirkungen wie Schwellungen und Mikroblutungen im Gehirn abgelehnt. Bei einer erneuten Prüfung kamen die Behörden jedoch zu dem Schluss, dass der Nutzen für die erwähnte Untergruppe von Alzheimer-Patienten die Risiken überwiegt.

Um sicherzustellen, dass nur diejenigen Patienten Zugang zum Medikament erhalten, die auch davon profitieren, wird es ein europaweites Register aller Patienten geben.

dpa