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Meeresschildkröten legen Eier auffällig früh ab

So früh wie nie finden Umweltschützer in Teilen Griechenlands Nester von Meeresschildkröten. Wissenschaftler machen den Klimawandel dafür verantwortlich.

«Die Tatsache, dass die Brutzeit früher beginnt, deutet darauf hin, dass die Schildkröten sich anpassen, um die sehr hohen Temperaturen im Sommer zu vermeiden.»
Foto: Stefan Sauer/dpa

An der Westküste Griechenlands kann man jedes Jahr beobachten, wie die Unechte Karettschildkröte ihre Eier ablegt. Nun sind Umweltschützer besorgt: Am 11. Mai hat die griechische Organisation Archelon, die sich auf Meeresschildkröten spezialisiert hat, auf der Insel Zakynthos ein Nest der gefährdeten Art entdeckt. Dies geschah gut eine Woche früher als in den Vorjahren und ist somit ein deutliches Zeichen für veränderte Umweltbedingungen, warnen sie.

Die Weibchen der Unechten Karettschildkröte (Caretta caretta) kommen nachts an Land, um ihre Eier abzulegen, an dem Ort, an dem sie vor über drei Jahrzehnten geschlüpft sind. Nach Angaben der Deutschen Stiftung Meeresschutz erreichen die Tiere erst im Alter von 35 bis 39 Jahren die Geschlechtsreife. Ihre Panzer sind mittlerweile möglicherweise über 100 Zentimeter lang und sie wiegen insgesamt bis zu 110 Kilogramm, manche sogar noch mehr. Die Schildkröten tragen ihr Gewicht mühsam Dutzende Meter über den Strand, graben ein Loch, legen etwa 100 Eier ab und bedecken das Nest dann mit Sand, bevor sie wieder ins Meer zurückkehren. In diesem Jahr ist das Schauspiel in Griechenland besonders früh zu beobachten – Tierschützer sind darüber jedoch nicht glücklich.

«Die Überprüfung von Zeitreihendaten aus früheren Jahren bestätigte, dass zum ersten Mal so früh im Mai in der Laganas-Bucht auf Zakynthos ein Nest gefunden wurde», sagt Aliki Panagopoulou, Forschungskoordinatorin bei Archelon. Nur wenige Tage später registrierten Mitarbeiter der Organisation die ersten Nester an der Westküste der Halbinsel Peloponnes und im Norden Kretas – ebenfalls früher als je zuvor, seit sie Daten aufzeichnen. 

«Vor allem Temperaturen spielen eine große Rolle»

«Wissenschaftler haben bereits 2016 prognostiziert, dass sich die Brutzeit wegen des Klimawandels verschieben würde», sagt Panagopoulou. Meeresschildkröten seien sehr empfindlich, was veränderte Bedingungen angehe. «Vor allem Temperaturen spielen eine große Rolle: Die Tatsache, dass die Brutzeit früher beginnt, deutet darauf hin, dass die Schildkröten sich anpassen, um die sehr hohen Temperaturen im Sommer zu vermeiden.» Laut dem Europäischen Klimabericht 2023 war die durchschnittliche Oberflächentemperatur der Meere im vergangenen Jahr so hoch wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen – mancherorts lagen sie bis zu 5,5 Grad über den Durchschnittswerten.

Dass die Schildkröten früher Eier ablegen, sei an sich nicht so schlimm, sagt Panagopoulou. Viel schlimmer seien die Auswirkungen von Wärme auf die Brut: «Höhere Temperaturen im Nest wirken sich auf das Geschlecht des Nachwuchses aus: Es schlüpfen mehr Weibchen, was die Ratio zwischen Männchen und Weibchen verändert und dazu führen kann, dass die gesamte Population in Zukunft noch stärker schrumpft, weil die Weibchen schließlich kaum mehr Männchen zur Fortpflanzung finden.»

Nur eine Handvoll erreichen ein fortpflanzungsfähiges Alter

Die kleinen Schildkröten haben es ohnehin schwer: Wenn sie schlüpfen, müssen sie die weite Strecke über den Strand ins Meer zurücklegen. Fressfeinde wie Möwen in der Luft und Raubfische im Wasser lauern. Von 1000 geschlüpften Schildkröten erreicht nur eine Handvoll ein fortpflanzungsfähiges Alter, berichtet Archelon.

Immer wieder müssen Umweltschützer Touristen davon abhalten, Schaden anzurichten. Schon das kleinste Geräusch von Schaulustigen kann dazu führen, dass Muttertiere den Nestbau und die Eiablage abbrechen und ins Meer flüchten. Die Nester müssen geschützt werden, um nicht zertrampelt oder die Eier von Hunden ausgegraben zu werden. Selbst Tierfreunde, die frisch geschlüpften Schildkröten helfen und ins Meer tragen wollen, verursachen Schaden: Der anstrengende Weg über den Sand ist wichtig, damit die Jungtiere Kraft entwickeln. Weitere kritische Faktoren sind Umweltverschmutzung, Schifffahrt, Wassersport und Fischerei – beispielsweise wenn sich die Tiere in Netzen verheddern.

Die Organisation Archelon, die es seit über 40 Jahren gibt, kann dennoch Erfolge vorweisen, etwa indem sie Brutstellen identifiziert und schützt. «Fast alle Populationen in Griechenland sind mittlerweile stabil oder konnten, etwa auf Kreta, sogar zulegen», sagt Panagopoulou. 

dpa