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Mikroplastik in Umwelt könnte sich bis 2060 vervielfachen

An Land, in der Luft, in den Meeren: Seit Jahrzehnten reichert sich Mikroplastik in der Umwelt an. In den kommenden Jahrzehnten dürfte die Menge noch deutlich steigen, warnen Forscher.

Plastikmüll liegt an einem Mittelmeer-Strand nahe Beirut
Foto: Marwan Naamani/dpa

Die Gesamtmenge an Mikroplastik in der Umwelt könnte sich bis zum Jahr 2060 vervielfachen. Dieses Szenario gelte sogar für den Fall einer aktiven Bekämpfung des weltweiten Missmanagements in der Abfallwirtschaft, berichten französische Forscher im Fachmagazin «Science Advances». In der Studie simulierte die Gruppe um Jeroen Sonke von der Forschungseinrichtung Géosciences Environnement in Toulouse die Entwicklung der globalen Kunststoffkreisläufe im Zeitraum 1950 bis 2100. 

Es könnte also sein, dass im Jahr 2045 der Höchststand jener Menge an Plastik erreicht wird, die jährlich ins Meer gelangt: insgesamt 23 Millionen Tonnen. Auch die Konzentrationen von Mikroplastik werden voraussichtlich deutlich steigen – vor allem, weil sich die größeren Kunststoffe im Laufe der Zeit zersetzen.

Studie unterscheidet drei Größenkategorien von Kunststoffen

Ausgangspunkt für die Berechnungen der Forscher war eine 2022 erschienene Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für Kunststoffe. Darin untersuchte das OECD-Team die Entwicklung der Kunststoffabfälle für verschiedene Szenarien – von «weiter wie bisher» bis zu «weltweiten ambitionierten Maßnahmen».

«Die politischen Instrumente aller vier Szenarien basieren auf der Besteuerung von Kunststoffprodukten, verstärktem Recycling und höherer Haltbarkeit, dem Ausbau von Deponien, einer stärkeren Herstellerverantwortung und finanzieller Unterstützung für Entwicklungsländer», schreiben Sonke und Kollegen dazu. 

Bei ihren neuen Berechnungen haben sie drei Größenkategorien von Kunststoffen unterschieden:

  • Makroplastik (größer als 5 Millimeter)
  • Großes Mikroplastik (0,3 bis 5 Millimeter) und
  • Kleines Mikroplastik (kleiner als 0,3 Millimeter).

Berechnungen beruhen auf Messungen und Schätzungen

Die Werte, die das Team um Sonke ermittelt hat, sind teilweise deutlich höher als in der OECD-Studie. Laut der OECD-Studie gelangen im Jahr 2019 etwa 1,7 Millionen Tonnen Makroplastik jährlich ins Meer. Sonke und seine Kollegen kommen sogar auf 6,1 Millionen Tonnen. Wenn man das große und kleine Mikroplastik hinzurechnet, sind es sogar 16 Millionen Tonnen Kunststoff, die derzeit jedes Jahr ins Meer gelangen.

Die Forscher erklären den Unterschied zu den OECD-Daten damit, dass sie ihre Angaben auf Messungen und Schätzungen des Kunststoffmülls im Meer basieren. Im Gegensatz dazu hat die OECD ihre Daten aus der Bevölkerungsdichte, dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und den länderspezifischen Statistiken zum kommunalen Abfallaufkommen abgeleitet.

Laut der aktuellen Studie wird die Gesamtmenge an Kunststoffen in den Meeren von 263 Millionen Tonnen im Jahr 2015 auf 1.200 Millionen Tonnen im Jahr 2060 steigen. Diese Menge gilt für das Szenario mit ambitionierten politischen Gegenmaßnahmen. In den anderen Szenarien liegen die Werte sogar noch höher.

In den Meeren vorhandener Kunststoff zersetzt sich allmählich

Die Menge an kleinem Mikroplastik in der obersten Wasserschicht der Meere – bis in 50 Meter Tiefe – wird demnach pro Liter im günstigsten Fall von 2015 bis 2060 von 6,2 Nanogramm – also Millionstel Milligramm – auf 19 Nanogramm steigen, im ungünstigsten Fall sogar auf 27 Nanogramm. In der Atmosphäre wird sich der Anteil von diesem kleinen Mikroplastik in dem Zeitraum pro Kubikmeter Luft von 23 Nanogramm auf 74 bis 100 Nanogramm erhöhen.

Die Forschungsgruppe betont, dass selbst wenn ab 2060 kein Kunststoff mehr durch Abfallmissmanagement ins Meer gelangen sollte, die Menge an Mikroplastik dennoch weiter steigen wird. Dies liegt daran, dass der in den Meeren vorhandene Kunststoff sich weiter zerkleinern wird, und zwar mit einer Rate von etwa drei Prozent pro Jahr.

Wie sich die Situation in den Ozeanen weiter entwickelt, hängt dem Team zufolge nicht zuletzt von der Lagerung der Plastikabfälle ab – insbesondere in Küstenregionen. «Schätzungen zufolge gibt es weltweit 100.000 Deponien in Küstennähe in tiefliegenden Gebieten, die häufig nicht abgedichtet sind und der Gefahr der Erosion ausgesetzt sind», schreiben die Studienautoren. Dadurch gelangten Kunststoffe in die Meeresumwelt. Die Erholung der Ökosysteme hänge auch von der Effizienz solcher Deponien ab, Kunststoff- und Mikroplastikabfälle zurückzuhalten.

dpa