Elefanten vor Zügen schützen, Tiere zählen, Verhaltensmuster erkennen – weltweite KI-Projekte für den Tierschutz.
Tierschutz mit Künstlicher Intelligenz in Indien
Wenn wilde Elefanten in Indien auf der Suche nach Futter umherziehen, überqueren sie oft Bahnschienen, die ihre Lebensräume durchschneiden. Kollisionen mit Zügen sind für sie dort die zweithäufigste unnatürliche Todesursache. Offiziellen Angaben zufolge starben in den vergangenen vier Jahren mindestens 50 Tiere auf diese Art. Nun sollen Überwachungs- und Warnsysteme mit Künstlicher Intelligenz die Tiere auf dem Subkontinent besser schützen.
Die indische Bahn installiert derzeit im Nordosten Technik und Kabel entlang von Gleisen, um Vibrationen durch die Schritte von Elefanten innerhalb eines Fünf-Meter-Radius zu erkennen. Anschließend werden Meldungen an eine Mobilfunk-App und einen Kontrollraum gesendet. Herannahende Züge können so automatisch gewarnt werden, damit sie langsamer fahren oder anhalten. Im Süden des Landes wird ein anderes System getestet.
Hilfe beim Auswerten von Fotos
Künstliche Intelligenz für den Tierschutz – solche Ideen gebe es gerade nicht nur in Indien, sondern in vielen Ländern der Welt, sagt der Ökologe Arnulf Köhncke, Leiter Artenschutz bei der Umweltorganisation WWF Deutschland. Besonders häufig werde KI eingesetzt, um Bilder auszuwerten, erklärt der Fachmann anlässlich des Welttierschutztages am 4. Oktober. «Denn wir möchten wissen, wie viele Tiere einer Art irgendwo leben.» Dafür müsse man Kamerafallen aufstellen, Tiere auf den Fotos zählen und die Daten statistisch auswerten – «ohne Unterstützung dauert das total lange».
Denn die Kameras nähmen unzählige Fotos auf. «Die KI hilft dabei, zu ermitteln, was auf den Fotos ein Tier ist und was nicht.» So könnten die riesigen Datenmengen besser gehandhabt werden, sagt Köhncke. Die KI könne auch erkennen, welche Arten auf den Fotos zu sehen sein – und manchmal sogar, welche einzelnen Tiere. «Bei Katzen wie Tigern und Leoparden kann sie die Individuen anhand der Streifen und Flecken erkennen.»
Zahl der Tiere und Verhalten erkennen
Selbst bei Zebras, Giraffen, Walen und Delfinen seien Muster oder Finnen einzigartig und so entschlüsselbar. «Wenn man die Tiere einzeln erkennen kann, kann man mit statistischen Modellen errechnen, wie viele Tiere dieser Art es insgesamt in dem Gebiet gibt», erläutert der Experte.
Der WWF Deutschland startete im August zusammen mit der Firma IBM in Zentralafrika ein Projekt, bei dem Waldelefanten beobachtet und gezählt werden sollen. KI unterstützt nicht nur bei der Analyse der Datenmengen, sondern kann auch Verhaltensmuster erkennen und präzise Vorhersagen treffen.
Mikrofon- und Satelliten-Aufnahmen mit KI auswerten
Köhncke erklärt, dass andere KI-Ansätze auf Audio basieren. Besonders in großen Waldgebieten in Afrika, Asien oder Lateinamerika sei dies sinnvoll, da die Sicht dort eingeschränkt sei. Einige Programme könnten Vogelstimmen identifizieren und somit bei der Kartierung von Tierarten helfen. Selbst anhand von Kettensägengeräuschen könnten Experten Rückschlüsse ziehen, wo gerade Wald gerodet wird. Schüsse würden auf Wilderer hinweisen.
Aus dem Weltraum kann die Überwachung ebenfalls erfolgen. Köhncke erzählt, dass Satellitenfotos schnell aufzeigen könnten, wo es brenne. «Über die Satellitenauswertung ist es auch möglich, die Bewegung von Geiern zu erfassen.» So könne man erkennen, wo ein totes Tier liege – auch das könne ein Hinweis auf Wilderei sein. «Es werden immer mehr Dinge entwickelt», resümiert Köhncke.
Das Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung in Bremen hat kürzlich berichtet, dass KI eingesetzt wird, um einen Blick in die Tiefe zu werfen. Zwei Arten von Doktorfischen wurden in den Korallenriffen des Roten Meeres beobachtet. Während sie nach Nahrung suchten, wurden die Bewegungen der Fische dreidimensional erfasst. Dadurch konnten die Forscher das marine Ökosystem besser verstehen – was wichtig ist, um Schutzmaßnahmen für die Riffe zu entwickeln.
Automatische Warnungen, wenn Tiger oder Elefanten kommen
In Indien wird darüber nachgedacht, wie Begegnungen zwischen Menschen und potenziell gefährlichen Wildtieren vermieden werden können. Im Bundesstaat Uttarakhand im Norden des Landes werden jetzt Kamerafallen mit KI-Technologie eingesetzt, um diesem Problem entgegenzuwirken, sagt der Chefkonservator der Wälder, Sameer Sinha, der dpa.
Die Kameras haben Internetfähigkeit, so dass Bilder in Echtzeit an einen Computerserver übertragen werden können. Wenn solche Tiere in die Nähe von Dörfern kommen, werden automatisch Warnungen generiert. Dann informiert die Forstbehörde die Dorfbewohner und setzt Reaktionsteams ein, die eingreifen können. Das einzige bisherige Problem bei der Anwendung, sagt Sinha: Nicht immer gibt es in der Gegend gutes Internet.