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Munitionsberge rosten in Nord- und Ostsee – was tun?

Granaten, Torpedos, Minen: Auf dem Grund von Nord- und Ostsee rostet haufenweise Weltkriegsmunition vor sich hin – und setzt immer mehr gefährliche Stoffe wie TNT frei.

Für den Experten Jens Greinert ist eine Bergung der Munitionsaltlasten aus den küstennahen Ostseegewässern in Deutschland bis Ende der 2040er Jahre möglich. (Symbolbild)
Foto: Jana Ulrich/Forschungstauchzentrum CAU Kiel/dpa

Nach Expertenschätzungen befinden sich in der deutschen Nord- und Ostsee 1,6 Millionen Tonnen konventioneller Kriegsmunition auf dem Meeresboden. Laut dem Geologen Jens Greinert vom Kieler Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (Geomar) muss die gesamte deutsche Ostsee als munitionsbelastet betrachtet werden. Die von den Alliierten nach Kriegsende ausgewiesenen Versenkungsgebiete sind Hotspots.

Seit 80 Jahren rosten die Granaten, Torpedos, Bomben, Minen und Patronen vor sich hin und setzen Sprengstoffe wie TNT frei, das als krebserregend gilt.

Bundesregierung stellt Geld zur Verfügung

Bis einschließlich Freitag debattierten mehr als 200 Expertinnen und Experten aus 16 Ländern in Kiel auf der Tagung «Munition Clearance Week» darüber, wie man die Kampfstoffe aus dem Meer am besten beseitigt und welche Probleme dabei gelöst werden müssen. Laut Veranstalter geht es auch um den Schutz kritischer Infrastrukturen in Nord- und Ostsee. Im Rahmen einer begleitenden Technologiemesse will die Kieler Werft TKMS eine schwimmende Entsorgungsplattform für Munitionsaltlasten zeigen.

Die Bundesregierung hat 100 Millionen Euro für das Sofortprogramm zur Bergung von Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee bereitgestellt. Drei Bergungsunternehmen begannen im September im Auftrag des Bundesumweltministeriums mit der Bergung von Weltkriegsmunition aus der Lübecker Bucht. Diese Pilotbergung sollte wichtige Erkenntnisse für die systematische Bergung mit Hilfe einer Plattform liefern.

Schadstoffe im Fisch

Greinert ist Spezialist für Munitionsaltlasten im Meer. Er schätzt, dass die deutschen Ostseegewässer bis Ende 2040 munitionsfrei sein könnten, sofern genügend Geld zur Verfügung steht. Einige Munition liegt, wie im Fall der sogenannten Kolberger Heide, einem Gebiet in der Ostsee bei Kiel, nur wenige Kilometer vom Ufer entfernt.

Die Wissenschaftler haben bereits die Explosivstoffe in der Nähe bekannter Lagerstätten im Wasser und auch in Fischen nachgewiesen.

Risiko könnte steigen 

Jennifer Strehse, eine Expertin des Kieler Instituts für Toxikologie und Pharmakologie, erklärte vor der Konferenz, dass Spuren von TNT und seinen Umwandlungsprodukten nachgewiesen wurden. Die Konzentrationen waren jedoch niedrig.

Nach jetzigem Stand seien für den Menschen keine Gesundheitsgefahren durch den Verzehr eines belasteten Fisches zu befürchten, so Strehse. «Selbst wenn man jeden Tag sein Leben lang einen belasteten Fisch essen würde.» Wenn die Stoffe immer weiter ins Meer gelangten oder sich aus der Munition lösten, könne das Risiko in den kommenden Jahren jedoch steigen.

dpa