Mobiles Menü schließen
Startseite Schlagzeilen

Mykoplasmen-Infektionen – woher kommt der aktuelle Anstieg?

Überdurchschnittlich viele Menschen und vor allem Kinder und Jugendliche leiden derzeit an Lungenentzündungen. Ausgelöst durch einen besonderen Erreger: Mykoplasmen. Was steckt dahinter?

Auch bei Kindern und Jugendlichen kann das Bakterium Mycoplasma pneumoniae eine Lungenentzündung verursachen. (Symbolbild)
Foto: Annette Riedl/dpa

Spezielle Bakterien, die als Mykoplasmen bekannt sind, können schwere Lungenentzündungen verursachen. Obwohl Infektionen mit diesem Erreger jedes Jahr auftreten, ist die aktuelle Rate besonders hoch.

Was sind Mykoplasmen?

Der Erreger mit dem lateinischen Namen Mycoplasma pneumoniae ist kein Virus, sondern ein parasitär lebendes Bakterium. «Mykoplasmen sind im Wesentlichen auf den Wirt angewiesen, und das ist ausschließlich der Mensch», erklärt der Biologe Roger Dumke, der am Institut für Medizinische Mikrobiologie und Virologie am Uniklinikum Dresden das Konsiliarlabor des Robert Koch-Instituts für Mykoplasmen leitet. Die Erreger unterscheiden sich von anderen Bakterien darin, dass sie keine Zellwände haben und daher nicht mit weit verbreiteten Antibiotika wie Penicillin bekämpft werden können. Der Erreger wurde bereits 1938 beobachtet.

Wie gefährlich ist eine Infektion?

Infektionen mit Mycoplasma pneumoniae verlaufen im Allgemeinen mild, können aber manchmal auch schwerwiegend sein. Vor allem durch Husten und Niesen wird der Erreger verbreitet. Die meisten Menschen erholen sich ohne Medikamente. «Patienten mit intaktem Immunsystem können mit dem Erreger relativ gut umgehen», sagt Dumke im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Manche jedoch brauchen spezielle Medikamente, um wieder gesund zu werden. «Die entsprechenden Antibiotika wirken gut», sagt der Wissenschaftler. Resistente Erreger seien in Deutschland selten.

Wie sieht aktuell die Infektionslage aus?

«Wir haben aktuell wesentlich mehr Fälle, und damit auch einen höheren Prozentsatz an schweren Erkrankungen», erklärt Dumke. «Die Welle ist unbestritten.» Im Vergleich zu vor der Corona-Pandemie gebe es einen Anstieg der Infektionen um das 10- bis 20-fache.

In seiner Praxis in München hat der Facharzt Frank Powitz seit Sommer eine signifikante Zunahme von Lungenentzündungen festgestellt, darunter viele durch Mykoplasmen. Sein Kollege Norbert Mülleneisen aus Leverkusen kann hingegen keinen Anstieg von Mykoplasmen-Pneumonien in seiner Praxis feststellen.

In Deutschland gibt es keine flächendeckende Untersuchung auf Mykoplasmen-Infektionen. Nur Sachsen hat eine Meldepflicht, wenn der Erreger durch einen Nasen- oder Rachenabstrich oder eine Blutuntersuchung nachgewiesen wird.

Laut der Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen gab es in diesem Jahr bis Mitte September im Freistaat mehr als 12.000 Meldungen für eine Infektion. “Zum Vergleich: 2023 lag die Zahl der Mykoplasmen-Meldungen zu diesem Zeitpunkt bei rund 2.000, im Vor-Corona-Jahr 2019 bei knapp 1.200”, so der Dresdner Mikrobiologe Dumke. Auch wenn es sich dabei um verschiedene Mykoplasmen-Arten handelt, ist der Lungen-Erreger hauptsächlich für den Anstieg verantwortlich.

Warum kommt es jetzt vermehrt zu Infektionen?

Dumke erwähnt einen späten Nachholeffekt nach der Corona-Pandemie. Dies könnte einerseits mit Untertypen des Erregers in Verbindung stehen. Es gibt alle paar Jahre leichte Veränderungen, wodurch es zu Anstiegen der Infektionszahlen kommen kann. Nach dem Wegfall der Corona-Schutzmaßnahmen könnten mögliche Veränderungen in der Verteilung der Untertypen dieses Mal besonders stark sein – und so das Immunsystem von mehr Menschen umgehen.

Andererseits hatten nach Dumkes Auffassung die Menschen durch die Hygienemaßnahmen während der Pandemie wenig Kontakt mit dem Erreger. Die spezifische Immunantwort in der Bevölkerung in Deutschland auf Mycoplasma pneumoniae müsse erst wieder aufgebaut werden. «Die Welle wird sicherlich wieder abebben», sagt er. «Wann sie das tut, ist noch nicht klar.»

Was sind Symptome?

Laut der US-Gesundheitsbehörde CDC kann es zwischen ein und vier Wochen dauern, bis nach Kontakt mit den Bakterien Symptome auftreten. Am häufigsten ähneln sie einer Erkältung: Husten, Müdigkeit, Fieber oder Halsschmerzen. Bei jüngeren Personen können auch Durchfall, Erbrechen oder Keuchen auftreten. Im Falle von Komplikationen können auch Asthmaanfälle oder schwere Lungenentzündungen auftreten.

Die Krankheit fängt langsam an und wird möglicherweise nicht sofort erkannt. Dies liegt auch daran, dass sie im Gegensatz zu einer typischen Lungenentzündung – die unter anderem mit hohem Fieber, Schüttelfrost und starkem Husten einhergeht – eher leichtes Fieber, trockenen Husten und Kurzatmigkeit verursacht. Nach Angaben des Münchner Mediziners Powitz können Lungenentzündungen, die durch Mykoplasmen verursacht werden, schwerwiegender sein und länger dauern als bei anderen Erregern.

dpa