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Notrufe: Zahl der Lachgas-Vergiftungen deutlich gestiegen

Viele junge Menschen inhalieren Lachgas aus Ballons als Partydroge. Noch ist das legal – doch die Bundesregierung plant, den Verkauf an Minderjährige zu verbieten. Aus Expertensicht reicht das nicht.

Lachgas aus Luftballons einzuatmen, ist kein harmloser Party-Spaß. Die gesundheitlichen Folgen können gravierend sein. (Archivbild)
Foto: Annette Birschel/dpa

Vergiftungen durch das legale Rauschmittel Lachgas beschäftigen die überregionalen Giftnotrufe in Deutschland zunehmend. Die Anzahl der Anfragen aufgrund von Lachgasvergiftungen hat sich von 2023 auf 2024 fast verdoppelt, sagte David Steindl, Leiter des Giftnotrufs der Charité in Berlin, der Nachrichtenagentur dpa. In Berlin und Brandenburg stieg die Zahl von 35 auf 66 Anfragen. Die Vergiftungs-Informations-Zentrale (VIZ) für Baden-Württemberg verzeichnete 2023 sechs Anfragen zu Lachgas und 2024 bereits 17.

Das Giftinformationszentrum Nord (GIZ-Nord) verzeichnete 34 Beratungen zu diesem Thema im Vergleich zu 19 im Vorjahr. In einigen Fällen führte dies zu dauerhaften Schäden wie Lähmungen der Arm- und Beinmuskulatur, so das GIZ-Nord. Die Zuständigkeit erstreckt sich auf Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein.

Dauerhafte Schädigung des Nervensystems möglich

Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, um den Erwerb und Besitz von Lachgas für Minderjährige zu untersagen. Insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen erfreut sich Distickstoffmonoxid (N2O) als Partydroge großer Beliebtheit. Lachgas kann in Kartuschen erworben und mittels Luftballons eingeatmet werden. Es hat eine euphorisierende Wirkung, birgt jedoch hohe Risiken. Diese reichen von Schwindel und Ohnmacht bis hin zu Halluzinationen und einer dauerhaften Schädigung des Nervensystems.

Toxikologe Steindl fordert ein Bündel an Maßnahmen. «Ein reines Verbot ist aus meiner Sicht zu kurz gegriffen», sagte der Mediziner. Es müssten zudem Werbung unterbunden und Aufklärungskampagnen auf den Weg gebracht werden, die Jugendliche und junge Erwachsene über die erheblichen Folgeschäden aufklären. In Hamburg gibt es bereits eine Kampagne – diese ist aber von der Stadtreinigung initiiert und warnt, dass unsachgemäß entsorgte Gasflaschen Explosionen in Müllverbrennungsanlagen hervorrufen können.

Online-Handel soll verboten werden

Es gibt nur wenige Informationen darüber, wie weit verbreitet der Gebrauch von Lachgas ist. Die farbenfrohen Patronen werden beispielsweise in Tabakläden verkauft. Das geplante Gesetz, das noch in diesem Jahr in Kraft treten soll, beabsichtigt, den Online-Handel und den Kauf an Selbstbedienungsautomaten zu untersagen.

In Großbritannien ist es seit Ende 2023 illegal, Lachgas zu besitzen. Auch die Niederlande und Dänemark haben strenge Vorgaben. Untersuchungen zeigen, dass laut einer Studie aus den Niederlanden im Jahr 2020 mehr als jeder zehnte 18- bis 24-Jährige angab, in den letzten zwölf Monaten Lachgas konsumiert zu haben.

Tödlicher Unfall in Frankfurt unter Lachgas-Einfluss

Die European Union Drugs Agency (EUDA) warnt neben akuten Vergiftungen auch vor Unfällen. In den Niederlanden stieg die Zahl der Vorfälle mit Distickstoffmonoxid beim Autofahren zwischen 2019 und 2021 um 80 Prozent (2.652 bis 4.860 Vorfälle). Einige wurden durch das Fahren unter dem Einfluss von Lachgas verursacht, andere durch das Befüllen von Luftballons während der Fahrt. In Frankfurt ist Anfang Juli ein 23-Jähriger unter dem Einfluss von Lachgas in eine Gruppe von E-Scooter-Fahrern gerast, wobei zwei junge Männer ums Leben kamen.

Der für Bayern zuständige Giftnotruf München verzeichnete 2023 sechs und 2024 zwölf Anfragen. Seit Januar seien es fünf Anfragen. Hauptsächlich seien junge Erwachsene betroffen, sagte die Toxikologin Katrin Romanek. Bei Jugendlichen, die mit neurologischen Problemen ins Krankenhaus kommen, gibt es häufig die Vermutung, dass ein Zusammenhang mit dem Missbrauch von Lachgas bestehen könnte. «Leider ist ein Nachweis nicht möglich, dies erschwert den Beweis», sagte Romanek.

Sogar Schulkind von Vergiftung betroffen

Auch bei den Notrufen für die Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gab es einen Anstieg der Anfragen, jedoch blieb die Zahl auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Im Jahr 2023 gab es vier Fälle, im Jahr 2024 neun und seit Jahresbeginn acht Fälle. Drei Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren waren betroffen, sowie in einem Fall ein Schulkind im Alter von 6 bis 13 Jahren, berichtete Humantoxikologin Dagmar Prasa, Leiterin des Gemeinsamen Giftinformationszentrums (GIZ) mit Sitz in Erfurt.

dpa