Der Erreger wurde in insgesamt sieben Städten gefunden. Es handelt sich um Viren aus der Schluckimpfung gegen Polio.
Polioviren auch in weiteren deutschen Städten nachgewiesen
Nachdem Polioviren in München, Bonn, Köln und Hamburg entdeckt wurden, wurden die Erreger auch in Proben aus anderen deutschen Städten nachgewiesen. Das Robert Koch-Institut (RKI) teilte mit, dass positive Tests aus Klärwerken in Dresden, Düsseldorf und Mainz vorlagen. Somit wurde der Erreger in allen insgesamt sieben regelmäßig untersuchten Städten nachgewiesen. Die Testungen werden seit 2021 durchgeführt.
Ausgeschiedene Viren nach Schluckimpfung
Die Erreger, die Mitte bis Ende November entdeckt wurden, sind nicht der Wildtyp des Poliovirus, sondern stammen von der Schluckimpfung gegen Kinderlähmung mit abgeschwächten, aber lebenden Polio-Erregern. Die abgeschwächten Impfviren können von Geimpften bis zu sechs Wochen lang ausgeschieden und verbreitet werden.
Wenn jemand die Schluckimpfung erhält, können sowohl die geimpfte Person als auch Kontaktpersonen – in sehr seltenen Fällen – an sogenannter Impf-Polio erkranken. Die Schluckimpfung ist vor allem in Asien und Afrika weit verbreitet. In Deutschland wird die Schluckimpfung nicht mehr durchgeführt. Hier wird ausschließlich ein inaktivierter Polioimpfstoff (IPV) verabreicht, der in den Muskel gespritzt wird.
Erkrankung bei einzelnen Ungeimpften «denkbar»
Mithilfe der Nachweise könne nicht sicher gesagt werden, ob Polioviren innerhalb von Deutschland zirkulieren oder ob sie ausschließlich von Menschen ausgeschieden wurden, die sich außerhalb von Deutschland infiziert haben, erklärte das RKI. «Es ist jedoch denkbar, dass Menschen hierzulande die Viren weitergeben und – sofern ungeimpft – einzelne von ihnen auch an einer Poliomyelitis erkranken», hieß es.
Eine potenzielle lokale Zirkulation muss daher unverzüglich gestoppt werden. Das RKI hat angegeben, dass die Landesbehörden aller Bundesländer über die weiteren Nachweise informiert wurden.
Letzte Erkrankung 1990
Die letzte in Deutschland erworbene Erkrankung an Poliomyelitis durch Wildviren wurde laut Angaben im Jahr 1990 erfasst. Die letzten beiden importierten Fälle wurden ebenfalls im Jahr 1992 registriert.
Das RKI empfiehlt, bestehende Impflücken zu schließen, um das Risiko von dauerhaften Lähmungen durch Poliomyelitis bei nicht ausreichend immunisierten Personen zu verringern. Medizinisches Personal und Mitarbeitende im öffentlichen Gesundheitsdienst sollten bei Poliomyelitis-typischen Symptomen besonders wachsam sein.
Bleibende Schäden fürs ganze Leben
Polio wird auch Kinderlähmung genannt, da der Erreger einst so weit verbreitet war, dass der Kontakt damit meist schon im Kindesalter erfolgte. Vor allem Kleinkinder waren von den poliotypischen Lähmungen betroffen – oft mit dauerhaften Schäden für das ganze Leben. Eine Therapie existiert bisher nicht.
Laut RKI liegt die Impfquote in Deutschland bei etwa 90 Prozent. Die Ständige Impfkommission empfiehlt eine Impfung im Alter von 2, 4 und 11 Monaten. Zwischen 9 und 16 Jahren wird eine Auffrischimpfung empfohlen. Vollständig gegen Polio geimpfte Personen sind vor der Erkrankung geschützt.
Das hochansteckende Virus wird in der Regel über kontaminierte Hände als Schmierinfektion verbreitet, in Ländern mit unzureichendem Hygienestandard auch über verunreinigtes Wasser. Dank engagierter Impfkampagnen gilt Polio seit Jahren als weltweit nahezu ausgerottet.