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Reben in der Hitze: Neuer Weingeschmack durch Klimawandel?

Hohe Temperaturen sorgen für mehr Süße und weniger Säure im Most. Schmeckt unser Wein mit zunehmendem Klimawandel also bald anders? Mit Tricks versuchen Winzer, das zu verhindern.

Zu viel Sonne kann auch bei Reben zu Sonnenbrand führen. (Archivbild)
Foto: Andreas Arnold/dpa

Die Weinbranche steht vor einer großen Herausforderung aufgrund des Klimawandels. Die Hänge in traditionellen Anbaugebieten könnten bald ungenutzt bleiben, da es entweder zu heiß ist oder zu viel Regen fällt. Nicht nur die Kultivierung der Reben wird schwieriger, auch der Geschmack des Weins wird sich verändern.

«Weinqualität ist sehr empfindlich gegenüber der Temperatur während der Traubenreife», schreibt ein Forschungsteam der französischen Ingenieurhochschule Bordeaux Sciences Agro unter Leitung von Cornelis van Leeuwen in einer Überblicksstudie, die in der Zeitschrift «Nature Reviews Earth & Environment» erschienen ist. Grund dafür seien eine ganze Reihe von Faktoren.

Diese beschreibt auch Ramón Mira de Orduña Heidinger von der ETH Zürich in einer Überblicksstudie in der Fachzeitschrift «Food Research International». Die höheren Temperaturen führten zum Beispiel zu einem geringeren Apfelsäureanteil in den Trauben. Die Hitze drücke außerdem die Kaliumwerte und bringe so einen niedrigeren ph-Wert hervor. 

Überreife Obstnote statt Geschmack frischer Früchte

Die steigenden Temperaturen führen laut dem französischen Forschungsteam dazu, dass Wein weniger nach dem Aroma frischer Früchte riecht, sondern häufiger eine Note von gekochtem oder überreifem Obst aufweist. Der niedrigere ph-Wert verringert das Gefühl von Frische. Ein Mangel an Säure kann zu einer geringeren mikrobiologischen Stabilität und somit zu einem fehlerhaften Geschmack führen.

Der Zuckeranteil hingegen steigt bei Hitze und damit in Folge auch die Alkoholmenge. Bereits heute werden im Elsass und in Bordeaux höhere Alkoholwerte im Wein festgestellt. Der auf Önologie spezialisierte Mikrobiologe Mira de Orduña Heidinger verweist darauf, dass mittlerweile deutlich mehr Weine mit 13, 14 oder gar 15 Prozent Alkoholanteil auf dem Markt seien. Weinkritiker beklagten sich über «kopfige» und «heiße» Weine.

Auch Waldbrände können den Geschmack beeinflussen

Laut dem Weinexperten könnten hohe Temperaturen dazu führen, dass junge Rotweine blasser werden und Weißweine wie Sauvignon Blanc weniger Geruchsstoffe aufweisen. Auch Wald- und Buschbrände könnten einen Einfluss haben, der aufgrund des Klimawandels zunimmt. In Australien wurde bereits ein rauchiger Beigeschmack im Wein bemängelt, der an verbrannte und ascheerinnernde Aromen erinnert.

Die Branche hat das Problem längst erkannt. «Weinbauliche Praktiken können es ermöglichen, diese Effekte zu korrigieren, ohne die Definition des Weins infrage zu stellen, indem sie an der Auswahl passender Mikroorganismen, der Entzuckerung des Mosts, der Verringerung des Alkoholgehalts und der Säuerung der Weine arbeiten», schreibt das französische Weininstitut in einem Strategiepapier zum Klimawandel.

Konservative Konsumenten erfordern Anbautricks

Auch in Deutschland wird auf Nachbesserung gesetzt: «Die Winzer und Winzerinnen, die ich kenne, haben eigentlich alle eine Tendenz, die aktuelle Stilistik-Typizität ihrer Weine aufrechtzuerhalten, weil sie dafür einen Markt haben», erzählt der zum Weinbau forschende Klimafolgenexperte Heiko Paeth von der Universität Würzburg. «Der deutsche Konsument ist konservativ.» 

Säurearme, hochprozentige Weine schmeckten brandig, sagt Paeth. Die möge fast niemand. «Leute wollen junge, weiße, fruchtige, aber trotzdem trockene Weißweine trinken, gerade auch die jüngere Generation.»

Um den Geschmack beizubehalten, gebe es «ökologische Tricks». «Wenn ich zum Beispiel einen Wein haben will, der keinen zu hohen Zuckergehalt bekommt, um keinen zu hohen Alkoholgehalt zu haben, aber trotzdem die Säure, muss ich halt zusehen, dass ich durch Blattschnitt weniger Strahlung auf die Trauben bekomme.»

Franken möglicherweise das neue Bergerac oder Bordeaux

Natürlich sei es auch möglich, wegen des Klimawandels auf andere Rebsorten zu setzen, meint Paeth. Heute werde in Deutschland viel mehr Rotwein angebaut als noch vor Jahrzehnten, doch in Franken nähmen die Flächen bereits wieder ab. «Da haben die Winzer schnell gemerkt, dass sie die Verschiebung im Rebsortenspektrum nicht so gut auf dem Markt durchgesetzt bekommen.» Das Anpassungspotential der Rebbauern sei groß und es werde viel ausprobiert, erzählt Paeth.

Für die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau sucht Paeth nach Analog-Klimaten. Er untersucht also, wie das Klima in 50 oder 70 Jahren in den Weinbergen sein dürfte, von denen laut Anstalt heute der beste Silvaner stammt. Dann schaut er, wo Temperatur, Einstrahlung, Feuchtigkeit, Spätfröste und weitere Merkmale dem entsprechen. Das Projekt sei noch nicht abgeschlossen, doch man schaue Richtung Südwestfrankreich. «Das heißt also, die fränkischen Weinberge werden in zwei Generationen ungefähr das Bestandsklima haben wie in Bergerac oder Bordeaux.»

Sobald ein geeigneter Standort gefunden ist, plant die Landesanstalt, einen äußerst hitzebeständigen Silvaner-Klon dort anzupflanzen. Auf diese Weise soll ermittelt werden, wie dieser im wärmeren Klima angebaut werden muss – und welche Maßnahmen im Weinkeller erforderlich sind, damit der Wein den Eindruck vermittelt, als wäre er in Würzburg gewachsen.

Massenhaft Anbaufläche könnte verloren gehen

Das Forschungsteam aus Bordeaux hat entdeckt, dass bis zum Ende des Jahrhunderts 20 bis 70 Prozent der Anbaufläche in Europa in traditionellen Weinregionen verschwinden könnte – abhängig davon, wie stark sich die Erde erwärmt.

Die Rebstöcke in Mitteleuropa stünden vor allem an den Südhängen, ergänzt Paeth. Ihnen werde es allmählich zu heiß, sodass Winzer bereits vermehrt jenseits der klassischen Südlagen anpflanzten. «Das ist etwas, was träge ist, was aber meines Erachtens im Laufe der nächsten Jahrzehnte die Möglichkeit sein wird, wie wir unser Rebsortenspektrum und damit auch die Typizität unserer Weine aufrechterhalten und in den gleichen Weinbauregionen arbeiten können.»

dpa