Der Fund ist rund 1600 Jahre alt. Wissenschaftler in Münster sind begeistert, viele Fragen sind noch offen. War das Schloss ein Andenken oder Geschenk?
Römisches Mini-Dosenschloss aus Gold gibt Rätsel auf
Constantin Fried vermutete zunächst den vergammelten Deckel einer Schnapsflasche. Im Jahr 2023 hatte seine Sonde in Petershagen an der Weser angeschlagen und er ein Metallteil aus der Erde gezogen. Als der heute 30-Jährige den Fund dann zwischen seinen Finger rieb und vom Dreck befreite, begann das Stück jedoch zu glänzen. Dem gelernten Veranstaltungstechniker war schnell klar, das muss Gold sein.
Fried hatte vor zwei Jahren aus Zeitvertreib und zur Entspannung an der Landesgrenze von Nordrhein-Westfalen nach archäologischen Funden gesucht. Sein Ziel war eine Erdkuppe an der Weser. An anderen Stellen hatte er bereits Scherben und römische Münzen entdeckt. Die Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) erfuhren erst später, dass er einen Sensationsfund gemacht hatte.
Heute wurde bestätigt: Das kleine Miniatur-Dosenschloss, das Fried entdeckt hatte, stammt aus dem 3. oder 4. Jahrhundert nach Christus. Nach Angaben der LWL-Experten in Münster, die Personen wie Fried Lizenzen zur ehrenamtlichen Mitarbeit an der Seite der Wissenschaft vergeben, ist der Fund in Europa einmalig und eine Sensation.
Ab in den Computertomografen
Das winzige Fundstück, das lediglich 1,2 mal 1,1 Zentimeter groß ist, wurde mithilfe eines Neutronen-Computertomografen (CT) am Paul Scherrer Institut in Villingen in der Schweiz analysiert. Dadurch erhielten die Forscher einen Einblick ins Innere.
Beim Fund in Petershagen fehlten außen Schlüssel und Kette. Doch die dreidimensionalen Bilder aus dem CT zeigten die ebenfalls aus Gold bestehenden Nieten und Kettenglieder im Inneren. Somit ist klar: Das Schloss funktionierte vor rund 1600 Jahren. Und durch den Blick ins Innere konnte der LWL das Schloss im Maßstab 4:1 nachbauen.
Da es vergleichbare, aber deutlich größere dieser Dosenschlösser in der Römerzeit im 3. oder 4. Jahrhundert nach Christus gab, vermutet der Chef-Archäologe des LWL, dass «vielleicht ein Angehöriger einer einheimischen Elite das exquisite Kleinod bei seiner Rückkehr aus dem römischen Militärdienst als Andenken oder Geschenk mit zurück in die Heimat gebracht hat», sagte Michael Rind bei der Vorstellung.
Wie konnte das extrem kleine Stück ohne Lupe hergestellt werden?
Laut LWL sind viele wissenschaftliche Fragen noch offen. Unklar ist, wie das extrem kleine Stück ohne die heute üblichen Hilfsmittel wie künstliches Licht oder Lupe überhaupt hergestellt werden konnte und wie es nach Westfalen kam. «War es eine Einzelanfertigung oder wurden ähnliche kostbare Miniaturen nur bisher nicht gefunden?», fragt sich Rind.
«Der außergewöhnliche Fund aus Petershagen zeigt die hohe Kunstfertigkeit des provinzialrömischen Kunstschmiede- und Schlosserhandwerks», sagte LWL-Kulturdezernentin Barbara Rüschoff-Parzinger bei der Vorstellung. Der Direktor des Landschaftsverbandes, Georg Lunemann, bedankte sich bei allen ehrenamtlichen Suchern und appellierte an die Szene, diese Arbeit nicht ohne Lizenz zu machen. Bei Constantin Fried ist aus dem Hobby in der Zwischenzeit ein Berufswunsch geworden. Er studiert in Göttingen Archäologie.