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Römisches Straßennetz war weit größer als gedacht

Das römische Reich erstreckte sich über drei Kontinente. Dabei war das Straßennetz wesentlich größer als bisher vermutet. Die Rekonstruktion gestaltete sich schwierig.

Vielbefahrene Straßen waren oft gepflastert, wie in der antiken Stadt Timgad in Algerien
Foto: -/tiner-e, Artas Media, MINERVA/dpa

Alle Wege führen nach Rom – und es waren weit mehr als bisher angenommen. Eine Studie im Fachmagazin «Scientific Data» zeigt: Das Straßennetz des Römischen Reichs war rund 100.000 Kilometer länger als bislang vermutet. Auf dem Höhepunkt seiner Macht, vor grob 2.000 Jahren, verbanden diese Straßen ein Imperium, das sich über drei Kontinente erstreckte und mehr als 55 Millionen Einwohner enthielt.

Die hochauflösende Karte sei online abrufbar und wesentlich präziser als bisherige Messungen, schreibt das Team um Studienautor Tom Brughmans von der dänischen Universität Aarhus: «Wir präsentieren den detailliertesten und größten offenen digitalen Datensatz zu Straßen im gesamten Römischen Reich.» Das internationale Team untersuchte dafür Daten aus etwa 40 Ländern. «Die daraus resultierende Karte umfasst insgesamt 299.171,31 Kilometer Straßen auf einem Gebiet von etwa 4 Millionen Quadratkilometern», heißt es.

Routen wurden an die geografische Realität angepasst

Damals waren Straßen von großer Bedeutung und bildeten das Fundament der römischen Macht: Sie verbanden Provinzen vom Atlantik bis zum Euphrat und ermöglichten schnelle Truppenbewegungen sowie den Austausch von Gütern und Ideen. Einige davon – wie die Via Appia in Rom oder die Via Egnatia durch Griechenland und den Balkan – sind noch heute sichtbar oder bilden teilweise sogar die Basis für moderne Verkehrswege.

Dennoch war das Straßennetz im Römischen Reich bisher eher lückenhaft erfasst. Die neue Karte zeigt nun das rekonstruierte Straßennetz für Italien, Nordafrika, Vorderasien oder Germanien. Die Hauptstraßen – sogenannte viae publicae – machen etwa 34 Prozent aus, also rund 100.000 Kilometer. Nebenstraßen stellen knapp zwei Drittel, etwa 195.000 Kilometer.

Dass nun deutlich mehr Kilometer gezählt wurden als in älteren Untersuchungen, begründen die Forschenden so: «Vor allem wurden die Routen an die geografische Realität angepasst.» Um beispielsweise einen Berg zu überqueren, folgen die Straßen nun eher einer kurvenreichen Passstraße als einer direkten Linie.

Schwierig, den genauen Verlauf der Straßen zu rekonstruieren

Das Team suchte zunächst in der entsprechenden Literatur nach Hinweisen, um festzustellen, wo Straßen vor etwa 2.000 Jahren verliefen. Anschließend identifizierten sie Straßen anhand historischer und archäologischer Quellen, Ortsverzeichnissen sowie anderen Landmarken wie Flüssen und Siedlungen.

Daraufhin fokussierte es sich auf moderne Luft- und Satellitenbilder, um den möglichen Verlauf der Straßen genauer zu rekonstruieren und dabei auch die jeweilige Landschaftsform zu berücksichtigen. Abschließend wurden die Daten digitalisiert.

«In vielen Regionen wie Norditalien oder Tunesien sind die römischen Landaufteilungen, zu denen auch der Bau von Straßen gehört, oft im modernen Straßennetz erhalten geblieben», schreibt die Gruppe. Vor allem kleinere Straßen sind hier wichtige Indizien für alte Römerstraßen. Moderne Autobahnen und Schnellstraßen würden dagegen eher selten mit historischen Straßen übereinstimmen. 

Es war jedoch schwierig, den exakten Verlauf der Straßen nachzuvollziehen: Für die meisten, etwa 90 Prozent der Strecken, ist der genaue Verlauf unbekannt, bei etwa 7 Prozent handelt es sich sogar nur um Vermutungen.

Aus Straßennetz lassen sich viele Informationen ableiten

Wirklich sicher sind sich die Forschenden nur bei knapp 3 Prozent. Ein wichtiger Fakt, den das Team auch in der nun veröffentlichten Karte transparent macht: «Wir wissen, dass alle in unserer Karte enthaltenen Straßen zu irgendeinem Zeitpunkt während der Römerzeit genutzt wurden, aber ihre genaue Lage ist nicht sicher», heißt es. 

«Eine große Herausforderung ist das Fehlen chronologischer Belege für die Entstehung und Veränderung von Straßen. Wir wissen, dass Verkehrsnetze organisch wachsen, neue Straßen auf alten Straßen gebaut werden, sie ihre Funktion ändern und manche auch irgendwann nicht mehr genutzt werden.» Detaillierte zeitliche Belege für Bau, Nutzung und Wandel von Straßen lagen demnach nur für wenige Fälle vor. «Eine evidenzbasierte Rekonstruktion der Veränderungen des Straßennetzes während der gesamten Römerzeit auf Reichsebene ist derzeit nicht möglich», schreibt die Gruppe.

Die Wissenschaftler erkennen hier Potenzial für zukünftige Forschung, da aus der Entwicklung der Straßennetze viele weitere Informationen abgeleitet werden können. Beispielsweise über die Verbreitung von Krankheiten entlang von Handelsrouten oder wirtschaftlichen Netzwerken. Auch die moderne Verkehrsplanung kann davon profitieren: Vergleiche zwischen antiken Passstraßen und heutigen Trassen zeigen oft erstaunliche Ähnlichkeiten bei optimalen Geländeverläufen durch Gebirge oder Flusstäler.

dpa