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Russland fliegt bei weltgrößter Forschungsmaschine raus

Jahrzehntelang arbeiteten am europäischen Kernforschungszentrum Cern in Genf Wissenschaftler aus Russland mit. Damit ist nun bald Schluss. Was bedeutet das für die Forschung?

Zusammenarbeit mit Russland wird nach Jahrzehnten beendet. (Archivbild)
Foto: Christiane Oelrich/dpa

Beate Heinemann, Direktorin für den Bereich Teilchenphysik am Deutschen Elektronen-Synchrotron Desy in Hamburg, warnte davor, dass das Ende der jahrzehntelangen Zusammenarbeit mit Russland bei der Europäischen Organisation für Kernforschung (Cern) in Genf bevorsteht – negative Folgen für die Wissenschaft sind nicht auszuschließen.

«Russland hat starke Expertise im Ingenieurswesen», sagte Heinemann der Deutschen Presse-Agentur (dpa). «Es ist nicht so, dass bestimmte Forschung durch das Ende der Zusammenarbeit nun unmöglich wird, aber es macht die Sache schwieriger und es könnte zu Verzögerungen kommen.» 

Seit 1954 existiert das Cern, eine der weltweit führenden Forschungseinrichtungen für Teilchenphysik. Dort befindet sich unter anderem der leistungsstärkste Teilchenbeschleuniger der Welt. Zahlreiche Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern sind an Experimenten am Cern beteiligt.

Russische Wissenschaftler kooperativ

Aus Russland waren etwa 1.000 Wissenschaftler beteiligt, wie der Cern-Forschungsdirektor Joachim Mnich der dpa sagte. Sie hätten sehr dabei geholfen, ihre Expertise vor dem Ausscheiden so weit wie möglich weiterzugeben. «Eine Detektor-Komponente können wir nicht weiterbetreiben, aber das ist keine große Lücke. Wir hoffen, dass es keinen größeren Verlust in der Wissenschaftsausbeute geben wird.» 

Das Cern hatte beschlossen, die Zusammenarbeit mit Russland und Belarus zu beenden als Reaktion auf den russischen Überfall auf die Ukraine im Jahr 2023.

Zusammenarbeit seit dem Kalten Krieg

«Wir haben am Cern mit Russland auch im Kalten Krieg zusammengearbeitet, getrieben von wissenschaftlicher Neugier, in friedlichem Umfeld. Das scheint nicht mehr möglich zu sein, und das ist extrem schade», sagte Markus Klute, Leiter des Instituts für experimentelle Teilchenphysik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), der dpa. Das KIT arbeitet wie das Desy, ein Zentrum zur Erforschung von Materie, eng mit dem Cern zusammen.

Das Cern betreibt mit 24 Mitgliedsländern die größte Forschungsmaschine der Welt, den ringförmigen Teilchenbeschleuniger LHC, der sich 100 Meter unter der Erde bei Genf erstreckt. Dort werden Protonenkollisionen mit annähernd Lichtgeschwindigkeit erzeugt, um den Ursprung des Universums zu untersuchen.

Russische Institute politisch instrumentalisiert

Sowohl das Desy als auch das KIT haben die Kooperation mit russischen Instituten ebenfalls ausgesetzt. Die meisten Kollegen aus Russland seien großartig, aber problematisch sei die Führung ihrer Institute, die oft nicht in wissenschaftlichen Händen liege, sagte Klute. Man sei besorgt gewesen, dass die russischen Forschungsinstitute anders als früher politisch instrumentalisiert werden, erklärte Heinemann.

Betroffen davon waren auch Desy-Arbeiten zur technischen Verbesserung der Cern-Detektoren. Der Plan, dafür russische Ingenieure nach Hamburg zu holen, wurde gestoppt. «Wir haben andere Lösungen gefunden», sagte Heinemann. Auch Klute ist in die Bresche gesprungen und führt nun am KIT Arbeiten aus, die eigentlich von russischen Instituten geleistet werden sollten. «Wir schneiden hier zum Beispiel Metallplatten. Das sind Präzisionsgegenstände, das macht man nicht mal eben so nebenbei», sagt er. «Ich bin aber guter Hoffnung, dass wir es schaffen.»

Neue Jobs für russische Wissenschaftler in Deutschland 

Einige russische Kollegen am Cern, die nicht nach Russland zurückkehren können oder wollen, haben Lösungen gefunden, sagte Mnich. Sie fanden Unterkunft in anderen Ländern. Klute bezeichnete es als Glück, dass drei russische Doktoranden, die am Cern waren, nun am KIT promovieren. Für andere Kollegen wird weiterhin an Lösungen gearbeitet. Das Desy hat ebenfalls einen russischen Kollegen vom Cern übernommen.

Beim Cern gab es auch Probleme aufgrund von russischen Komponenten für den Beschleuniger und die Experimente. Einige Teile konnten aufgrund der europäischen Sanktionen gegen Russland nicht mehr geliefert werden. Insgesamt beläuft sich dies auf etwa 50 Millionen Euro, was etwa drei Prozent der Gesamtkosten entspricht, so Mnich. Dadurch müssen nun andere Geldgeber, darunter das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung in Berlin, mehr Geld bereitstellen.

Die Kooperation mit dem in Russland ansässigen Joint Institute for Nuclear Research wird am Cern fortgesetzt. Dabei handelt es sich um eine internationale Organisation, erklärte Mnich.

dpa