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Experten sehen Vogelgrippevirus H5N1 als potenziellen Pandemie-Kandidaten

Deutschland wäre wahrscheinlich besser vorbereitet als bei Corona, trotz bisheriger milden Verläufe bei infizierten Menschen in den USA.

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Im Falle eines Ausbruchs bei Menschen wäre Deutschland wahrscheinlich deutlich besser vorbereitet als bei Corona. (Symboldbild)
Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

Spätestens seit Corona ist «Pandemie» zum Reizwort geworden. Entsprechend hoch ist derzeit die Aufmerksamkeit für das gerade kursierende Vogelgrippevirus H5N1, das Virologe Christian Drosten und andere Experten als einen potenziellen Pandemie-Kandidaten sehen. Im Falle eines Ausbruchs bei Menschen wäre Deutschland aber wahrscheinlich deutlich besser vorbereitet als bei Corona. Was es zu wissen gibt: 

Wieso sprechen derzeit alle über die Vogelgrippe?

Seit Jahrzehnten befällt das Virus H5N1 verstärkt Vögel – zuerst in Asien, mittlerweile fast weltweit. Auch Säugetiere sind betroffen. In den letzten Jahren hat sich eine spezielle Gruppe von H5N1-Viren verbreitet, die sogenannte Klade 2.3.4.4b, bei der sich in den USA auch zahlreiche Rinder infiziert haben. Bisher gab es keine Fälle von Rindern mit H5N1-Infektion. Wie die Übertragung von Wildvögeln auf Rinder stattgefunden hat, ist noch unklar. Es ist jedoch sicher, dass mittlerweile auch Menschen von den Rindern infiziert wurden. Laut der US-Gesundheitsbehörde CDC wurden bis Mitte des Jahres vier Fälle im Zusammenhang mit dem Ausbruch in US-Milchviehbetrieben registriert.

Was bedeutet das für Menschen in Deutschland?

Laut dem Infektiologen Leif Erik Sander von der Berliner Charité gibt es derzeit keinen Grund zur Besorgnis für Menschen in Deutschland. Bisher wurden H5N1-infizierte Rinder nur in den USA gemeldet. In Deutschland wurde der Erreger weder bei Kühen noch in Milch nachgewiesen. Die Infektionen bei den betroffenen Menschen in den USA verliefen bisher auch recht mild. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft das Risiko für die öffentliche Gesundheit der Allgemeinbevölkerung als gering ein.

Trotzdem hält Sander den Befall von Rindern für besorgniserregend, weil sich das Virus in einer großen Population von Säugetieren vermehre, die vom Menschen genutzt würden. Eine der größten Sorgen sei, dass sich das Virus weiter anpasst. «Wenn sich das Virus stark in einer Spezies verbreitet, ist die Sorge, dass es sich an andere Säugetiere adaptieren kann oder sich mit anderen Influenzaviren vermischt. Das würde ermöglichen, dass es auch stärker Menschen befällt und es womöglich dann auch von Mensch zu Mensch übertragen werden könnte.» 

Gibt es Impfstoffe?

Laut Sander ist die Situation bei den Impfstoffen eine völlig andere als bei Corona, wo ein Prototyp erstellt werden musste. Die Entwicklung von Impfstoffen gegen neue Grippevirenstämme ist für viele Unternehmen Routine, da sie dies auch zweimal im Jahr für die saisonalen Grippeimpfstoffe tun, wie ein Sprecher des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) erklärte. Es werden jeweils ein Impfstoff für die Süd- und ein Impfstoff für die Nordhalbkugel der Erde benötigt. Das Vogelgrippe-Virus H5N1 ist ein Influenza-A-Virus wie die saisonale Grippe. Laut Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts sind in der Europäischen Union mehrere H5N1-Impfstoffe zugelassen. Diese werden entweder mithilfe von Hühnereiern oder durch Vermehrung der Viren in Zellkulturen produziert, genauso wie die saisonalen Influenza-Impfstoffe.

Die EU hat vor kurzem 665.000 Impfdosen des Herstellers CSL Seqirus zur Verhinderung der Übertragung der Vogelgrippe von Tieren auf Menschen für mehrere Mitgliedsstaaten gesichert. Deutschland ist derzeit nicht beteiligt.

Wie schnell wäre ein Impfstoff verfügbar?

Im Fall einer Vogelgrippe-Pandemie könnten Impfstoffe für Menschen in Deutschland rasch zur Verfügung stehen, glaubt Sander. «Wir haben Impfstoffe, die zugelassen sind, die in dem Moment, in dem ein Virus eine Pandemie auslöst, sehr schnell angepasst werden könnten.» Dafür müssten natürlich Produktionskapazitäten entsprechend hochgefahren werden. Es gebe präpandemische Impfstoffe oder Musterimpfstoffe, die quasi schon fertig, aber noch nicht an die neue Klade von H5N1-Viren angepasst seien. Diese Anpassung könne aber schnell erfolgen, ist der Charité-Professor überzeugt. 

Für Rinder müssten Impfstoffe komplett neu getestet werden, bislang gebe es keine. «Das sollte jetzt geschehen.» Theoretisch könne man für Kuh und Mensch denselben Impfstoff verwenden, sagt Sander. Allerdings gebe es in der Regel unterschiedliche Hersteller für human- und veterinärmedizinische Impfstoffe.

Was gibt es für neue Entwicklungen?

Laut VFA entwickeln derzeit mehrere Unternehmen neue Grippeimpfstoffe auf mRNA-Basis, darunter der US-Konzern Moderna und das Tübinger Biotech-Unternehmen Curevac in Zusammenarbeit mit GSK. Die zweite Phase der klinischen Erprobung des Vogelgrippe-Impfstoffes soll bald beginnen, so Curevac-Sprecher Patrick Perez. GSK wird die weitere Entwicklung übernehmen. In der Regel sind drei klinische Phasen für eine Zulassung erforderlich.

Es handle sich um einen präpandemischen Impfstoff, erklärte Perez. Das Prinzip beruhe darauf, vor einem möglichen Ausbruch bereits einen Impfstoff so weit zu entwickeln, dass er im tatsächlichen Fall einer Pandemie schnell zugelassen und verfügbar gemacht werden könne. «Das bietet den Vorteil, im Fall einer Pandemie sehr schnell reagieren zu können, ohne einen Impfstoff zuzulassen, vorzuproduzieren und zu lagern, wenn er vielleicht nie gebraucht wird.»

Der Moderna-Kandidat befindet sich laut Moderna ebenfalls in der klinischen Untersuchung. «Wir erwarten erste vorläufige Ergebnisse aus diesen Studien im Laufe des Jahres. Wenn diese Ergebnisse positiv sind, wird der Impfstoffkandidat in die Phase-3-Entwicklung übergehen», teilte das Unternehmen mit.

Wäre eine Impfung jetzt schon sinnvoll?

«Momentan gibt es noch keine Veranlassung, Menschen aktiv zu impfen», sagte Sander und ergänzte: «Es geht nicht darum, die Sorge zu verbreiten, dass eine Pandemie unmittelbar bevorsteht. Man sollte aber alles machen, um vorbereitet zu sein.» Für wen eine Impfung infrage kommt, hänge ganz vom Szenario ab. Wenn es in Deutschland größere Ausbrüche bei Nutztieren gebe, könnte man überlegen die Mitarbeiter der Betriebe vorsorglich zu impfen. Aus seiner Sicht wäre es vor allem interessant, Impfstoffe für Tiere zu haben.

In Finnland werden Menschen aus spezifischen Risikogruppen bereits gegen Vogelgrippe geimpft. Laut Angaben der nationalen Gesundheitsbehörde THL sollen die Impfdosen zunächst Erwachsenen mit einem erhöhten Ansteckungsrisiko angeboten werden, also unter anderem Personen, die auf Nerzfarmen oder Geflügelfarmen arbeiten, Tierärzte oder auch diejenigen, die an der Entsorgung kranker Vögel oder anderer Tiere beteiligt sind. In Finnland gab es mehrere Ausbrüche der Vogelgrippe in Nerzfarmen.

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dpa