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Schweineleber in lebenden Menschen transplantiert

Die Zahl der Spender reicht bei weitem nicht, um den Bedarf an Organen zu decken. Organe von Schweinen gelten als mögliche Lösung. Für die Leber ist das noch ein weiter Weg, bestätigt ein Fallbericht.

In Deutschland warten über 8.000 Menschen auf eine Organspende, vielfach schon seit Jahren.
Foto: Jan-Peter Kasper/dpa-Zentralbild/dpa

Chinesische Ärzte haben weltweit erstmals eine Schweineleber in einen lebenden Menschen eingesetzt. Der 71-Jährige habe nach dem Eingriff noch 171 Tage gelebt, das zur Unterstützung der eigenen geschädigten Leber eingesetzte Organ sei allerdings bereits am 38. Tag aufgrund von Komplikationen wieder entfernt worden, berichtet das Ärzteteam im «Journal of Hepatology».

Experten betonen in einem unabhängigen Kommentar, dass die Operation noch nicht die Tür für eine breite klinische Nutzung von gentechnisch veränderten Schweinelebern öffnet. Der Fallbericht wirft mehr Fragen als Antworten auf, aber auch das hat einen großen Wert.

Der Versuch zeigt, dass eine genetisch veränderte Schweineleber über einen längeren Zeitraum im menschlichen Körper funktionieren kann, sagte Studienleiter Beicheng Sun von der Anhui Medical University in China. Er verdeutlicht sowohl das Potenzial als auch die noch bestehenden Hindernisse, insbesondere in Bezug auf Gerinnungsstörungen und immunologische Komplikationen.

Bedarf an Organen weit größer als das Angebot

In Deutschland warten mehr als 8.000 Menschen auf eine Organspende, oft schon seit Jahren. Laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation haben im letzten Jahr etwa 950 Menschen nach ihrem Tod ihre Organe gespendet. Die Anzahl der Spender reicht bei weitem nicht aus, um den Bedarf an Organen zu decken.

Eine vielversprechende Möglichkeit im Kampf gegen den Mangel ist die sogenannte Xenotransplantation, bei der tierische Organe, Gewebe oder Zellen transplantiert werden. Schweineherzen und -nieren wurden bereits erfolgreich in Menschen transplantiert, im August wurde sogar eine Schweinelunge einem hirntoten Patienten übertragen. Auch eine Schweineleber wurde vor Kurzem transplantiert – jedoch ebenfalls in einen hirntoten Menschen. Diese Leber funktionierte bis zum Ende des Versuchs nach zehn Tagen.

Schwieriger als bei Herz und Niere

Die Technik stellt große Herausforderungen dar: Bereits bei Transplantationen zwischen Menschen muss das Immunsystem des Empfängers unterdrückt werden, um eine Abstoßung des Organs zu verhindern. Bei tierischen Organen ist der Unterschied noch größer. Die verwendeten Schweine werden vorher genetisch modifiziert, um die Abstoßungsreaktionen zu reduzieren.

Laut Suns Team in China hatte der 71-jährige Mann an einer Zirrhose aufgrund von Hepatitis B und einem großen Leberzellkarzinom gelitten. Das Erbgut des Spenderschweins wurde an zehn Stellen modifiziert, um Abstoßungsreaktionen zu vermeiden und die Immun- und Gerinnungskompatibilität zu verbessern.

Komplikationen ab Tag 31

In den ersten Wochen gab es der Studie zufolge kaum Probleme. Das Organ habe auch Galle produziert. Ab dem 31. Tag jedoch habe es Komplikationen an Blutgefäßen gegeben, am 38. Tag sei die Leber daher wieder entfernt worden. Der Zustand des Mannes habe sich daraufhin für einige Wochen wieder verbessert. «Leider kam es am 135. Tag nach der Operation zu einer plötzlichen Blutung im oberen Magen-Darm-Trakt», hieß es von den Forschenden. Die Blutungen hätten schließlich am 171. Tag nach der Operation zum Tod geführt.

Laut Daniel Reichart von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München handelt es sich bei der Studie im Bereich der Xenotransplantation im Vergleich zu früheren Arbeiten um einen bedeutenden Fortschritt. Die Xenotransplantation einer Leber wird als besonders anspruchsvoll angesehen, da die von der Leber produzierten Proteine sehr spezifisch für Menschen sind.

Es sei zu erwarten gewesen, dass die Syntheseleistung der transplantierten Leber aufgrund artspezifischer Unterschiede eingeschränkt sein würde, sagte Reichart. «Dennoch sind die Ergebnisse ermutigend. Sie zeigen, dass mit weiterer Forschung und verbessertem Verständnis auch im Bereich der Xeno-Lebertransplantation Fortschritte möglich sind.»

Noch viel weitere Forschung notwendig

Die Studie gibt Anlass zu vorsichtigem Optimismus, erinnert jedoch auch daran, wie stark sich das Feld noch weiterentwickeln muss, heißt es in einem zur Studie veröffentlichten Kommentar einer Forschergruppe um Heiner Wedemeyer von der Medizinischen Hochschule Hannover. Die Daten zeigen, dass eine Xenoleber zumindest vorübergehend wichtige Leberfunktionen übernehmen kann.

Die Schweineleber im Patienten zeigte unter der Behandlung mit acht das Immunsystem unterdrückenden Medikamenten eine akzeptable Funktion – jedoch auch weiterhin hohe Bilirubinwerte, die auf eine gestörte Bilirubinverarbeitung in der Leber hinweisen. Bilirubin entsteht beim Abbau roter Blutkörperchen, wird in der Leber verarbeitet und über die Galle ausgeschieden.

Die Gruppe um Wedemeyer betont, dass es dringend notwendig ist, eine umfassende und offene Diskussion über ethische, kulturelle und religiöse Fragen zu führen, um eine größere Akzeptanz für die Leber-Xenotransplantation zu erreichen.

dpa