Blut, Speichel oder Stuhl können viel über die Gesundheit eines Menschen verraten. Selbsttests versprechen eine bequeme Anwendung für zu Hause. Wieso das nicht immer gute Idee ist, erklären Fachleute.
Selbsttests für die Gesundheit – sinnvoll oder schädlich?
Immer müde, erschöpft und energielos? Wer online sucht, findet dafür viele Erklärungen. Ist es ein Mangel an Vitamin B12, eine gestörte Darmflora oder sogar Krebs? Medizinische Selbsttests, die man bequem zu Hause durchführen kann, sollen vermeintliche Gewissheit bringen. Im Internet, in Drogeriemärkten und Apotheken sind sie für verschiedene Anwendungsbereiche erhältlich. Doch wie verlässlich sind solche Tests?
Schwangerschaft-Schnelltests und Blutzuckertests für Menschen mit Diabetes sind schon seit langem verfügbar. Seit Herbst 2018 können sich Personen, die befürchten, sich mit HIV infiziert zu haben, mit einem Selbsttest überprüfen. Mit der Corona-Pandemie ist es für viele Menschen auch zur Routine geworden, sich selbst auf bestimmte Krankheitserreger zu testen.
Selbsttest-Boom merken Ärzte in der Sprechstunde
Es scheint also nur logisch, auch für andere Gesundheitsfragen Selbsttests zu verwenden. Immerhin sind viele Menschen bereits daran gewöhnt, ihren Gesundheitszustand mit einer Smartwatch oder einem Smartphone selbst zu überprüfen.
In ihrer Sprechstunde in Bonn spürt die Gastroenterologin Birgit Terjung deutlich, dass der Markt für Tests boomt. Sie sieht mittlerweile oft Patienten mit unklaren Bauchschmerzen, die einen Mikrobiom-Selbsttest gemacht haben – also eine Stuhlprobe an einen kommerziellen Anbieter geschickt haben, um die Zusammensetzung ihrer Darmflora auswerten zu lassen.
Kostspielige Angelegenheit
Die Expertin der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten warnt jedoch davor, dass solche Tests wenig aussagekräftig und kostspielig seien. Der Stuhltest decke nur einen Abschnitt des Darms ab, und das Ergebnis hänge zudem von der Tageszeit und der Nahrungsaufnahme ab, erklärt Terjung. Nach der Analyse erhalten die Kunden oft eine aufwendige Ernährungsempfehlung und speziell zusammengestellte Probiotika, die die Darmflora optimieren sollen.
«Diese Therapien sind sehr teuer, bis in den vierstelligen Bereich», sagt Terjung. «Und ob das hilft, ist fraglich.» Solide wissenschaftliche Beweise gebe es jedenfalls nicht, schreibt ein internationales Expertengremium im Fachjournal «The Lancet Gastroenterology & Hepatology». Die Zeit sei noch nicht reif, um aus Mikrobiom-Analysen Frühdiagnosen für Krankheiten oder Behandlungen abzuleiten. «Aber der Markt ist schneller als die Wissenschaft, wie es bereits in der Vergangenheit bei den Gentests für den Hausgebrauch der Fall war», so die Autoren.
Ovulationstest kann Sinn machen
Auch bei Hormontests ist Vorsicht geboten. Laut Herstellern kann ein Cortisolmangel die Ursache dafür sein, dass man sich gestresst fühlt. Ein Speicheltest kann Gewissheit bringen. Ähnliche Versprechen gelten auch für Sexual- oder Schilddrüsenhormone.
Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) in Altdorf rät davon ab, solche Tests in Eigenregie zu machen. Die Qualität sei nicht gesichert und die Ergebnisse könnten ungenau sein, weil der Hormonspiegel abhängig zum Beispiel von der Tageszeit sei, betont DGE-Experte Alexander Mann. «All diese Faktoren werden bei der Bewertung in einer Fachpraxis berücksichtigt.» Sinnvoll könnten dagegen Ovulationstests bei Frauen mit Kinderwunsch sein.
Ergebnisse richtig einordnen
Ungenaue Selbsttests können Patientinnen und Patienten verunsichern, zu überflüssigen Behandlungen führen – oder sogar dazu, dass notwendige verschleppt werden, sagt der Bremer Mediziner Hans-Michael Mühlenfeld. «Viele Menschen fühlen sich müde oder kraftlos und bekommen in der Werbung zu sehen, dass dies und das hilft.» Es sei aber nicht hilfreich, wahllos auf Vitamin- oder Mineralstoffmangel zu testen und Nahrungsergänzungsmittel zu schlucken.
Von Beschwerden auf eine Krankheit zu schließen, sei ein komplexer Vorgang, sagt der Experte für hausärztliche Praxis der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. «Das ist nicht damit getan, dass man irgendwelche Tests macht.» Außerdem sei es wichtig, die Ergebnisse einzuordnen. Ein Beispiel dafür sei Cholesterin. Ein hoher Wert sei nicht per se schlecht, sondern werde erst im Zusammenspiel mit anderen Merkmalen wie Übergewicht, hohem Blutdruck oder Rauchen ein Risiko.
Es gibt Menschen, die sehr um ihre Gesundheit besorgt sind. Andere dagegen zögern lange, bis sie zum Arzt gehen. Selbsttests könnten das noch befördern, meint Mühlenfeld. Müdigkeit etwa könne verschiedene, oft harmlose Ursachen haben, aber manchmal stehe eine ernsthafte Erkrankung dahinter. «Wenn man dann erst einmal mit Nahrungsergänzungsmitteln arbeitet, verzögert man natürlich unter Umständen die Diagnostik und vielleicht eben auch eine gezielte Therapie.»