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«Senioren im Park»: Mehr Ältere auf großen Festivals

Musikfestivals gehören zum Sommer wie Freibad und Eis – und das offenbar nicht nur für jüngere Leute, wie in Blick nach Nürnberg zeigt.

Besucher und Fans sehen sich den Auftritt der Foo Fighters beim Abschluss des Open-Air-Festivals Rock im Park 2023 an. Unter den Festivalbesuchern sind auch immer mehr Ältere.
Foto: Daniel Vogl/dpa

Musikfestivals – da denkt man vor allem an junge Leute, die über Tage vor den Bühnen feiern und danach kurze, unbequeme Nächte auf Luftmatratzen in Iglu-Zelten verbringen. Doch auf vielen größeren Open-Air-Events sieht man seit einiger Zeit zwischen dem Party-Publikum auch viele Musikfans fortgeschrittenen Alters. «Senioren im Park» werden diese manchmal scherzhaft von Jüngeren bei Rock im Park in Nürnberg genannt.

Mit Rock im Park und seinem legendären Schwesterfestival Rock am Ring in der Eifel gehen an diesem Wochenende die ersten großen Open Airs in Deutschland über die Bühne. Der Altersdurchschnitt liegt laut dem Veranstalter bei beiden Festivals bei Ende 20. «Unsere Fans werden mit uns älter, gleichzeitig kommen viele jüngere Gäste hinzu», heißt es von den Festivals.

«Ein Großteil unseres Publikums ist mit Rock am Ring und Rock im Park erwachsen geworden. Mittlerweile kommen sogar Eltern mit ihren Kindern zu den Festivals.» Mit Bands wie Die Ärzte, Green Day, Donots, H-Blockx und Guano Apes werden auf den drei Bühnen bei der diesjährigen Ausgabe vom 7. bis 9. Juni wieder viele Idole auftreten, die diese wohl noch aus ihrer Jugend kennen.

Nicht mehr das Alter für drei Nächte im Iglu-Zelt

Auch der Veranstalter FKP Scorpio, der unter anderem die Schwesterfestivals Hurricane und Southside oder das Gothic-Festival M’era Luna organisiert, bestätigt, dass das Publikum heterogener wird. Ein Grund dafür: «Auf unseren Festivals haben wir in den vergangenen Jahren Angebote gestärkt, die über das klassische Camping hinausgehen», sagt Sprecher Jonas Rohde. «Diese werden vor allem von Menschen genutzt, die unsere Festivals schon lange kennen, aber deren Rücken drei Nächte im Iglu-Zelt vielleicht nicht mehr unbeschadet übersteht.»

Laut der Bundesstiftung Livekultur gibt es in Deutschland etwa 2200 Festivals. Eine Studie zur Festivallandschaft wird derzeit erstellt und die Ergebnisse sollen im Mai 2025 veröffentlicht werden. Deutschland hat die meisten Festivals pro Einwohner in Europa, so Axel Ballreich, Vorstand des Verbands der Musikspielstätten Livekomm. Die Festivals reichen von klein bis groß und richten sich an verschiedene Zielgruppen. Es ist daher nicht möglich, eine allgemeine Aussage für alle Musikfestivals zu treffen. Allerdings steigt das Durchschnittsalter bei den großen Festivals, bestätigt Ballreich.

Neue Generation sucht neue Festival-Formen

Dafür verantwortlich sind aus Sicht des Branchenkenners Robert Stolt auch die gestiegenen Ticketpreise. Ende der 1990er, Anfang der 2000er Jahre seien viele Musikfestivals in Deutschland entstanden, sagt Stolt, der das Branchentreffen «Future of Festivals» leitet und selbst ein Festival auf der Insel Rügen veranstaltet. «Damals konnte man es sich leisten, zu zwei bis drei Festivals im Sommer zu fahren.» Bei Ticketpreisen von 200 bis 300 Euro sei das aber nicht mehr möglich – vor allem nicht für jüngere Leute. Diese gingen deshalb eher zu kleineren oder nichtkommerziellen Veranstaltungen. «Die neue Generation sucht sich neue Formen von Festivals.»

Bei den großen Festivals versammelt sich quasi eine Kleinstadt mit mehreren Zehntausend Besuchern – daher spüren sie auch die allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen. Ende 20, Anfang 30 – wenn die sogenannte Rushhour des Lebens beginnt, in der Menschen mit Karriere und Familiengründung beschäftigt sind – fehlt den Leuten oft die Zeit und das Geld für mehrtägige Festivals, erklärt der Experte Ballreich. Deshalb wird der Trend zu eintägigen Festivals und Tagestickets für mehrtägige Veranstaltungen gehen.

Cocktails, vegane Burger und «Glamping»

Mit 40, 50 Jahren seien die Kinder älter und die Leute hätten wieder Lust auszugehen, sagt Ballreich. «Das war früher noch anders.» Damals hätten sich die Menschen in dem Alter auf Kegelbahnen und Vereinsfesten getroffen, heute gingen diese weiterhin auf Konzerte und in Clubs. Für die Festivals bedeute das, dass sich diese etwas einfallen lassen müssten, sagt Ballreich. «Die Leute sind anspruchsvoller geworden. Sie wollen auch ein schönes Ambiente.» Sprich Cocktails statt nur Dosenbier, vegane Burger neben den klassischen Pommes und komfortable Übernachtungsmöglichkeiten.

«Glamping» – eine Wortschöpfung aus glamourös und Camping – heißt der Trend, der sich seit einiger Zeit auf vielen Festivals durchsetzt. Neben den klassischen Zeltplätzen gibt es Areale, wo es sauberer und ruhiger zugeht. Man kann sich dort bereits aufgebaute Zelte oder kleine Wohncontainer mieten – Ausstattung, separate Sanitäranlagen und VIP-Eingang zu den Bühnen inklusive.

Oder gleich ins Hotel

Andere wiederum gehen gleich ins Hotel. Bei Rock im Park, das mitten in Nürnberg liegt, bietet sich das besonders an. «Konnte es früher nicht nah genug an der Bühne und eng genug im Zelt sein, haben mittlerweile viele die Vorzüge eines eigenen Hotelzimmers für sich entdeckt», hat Thomas Geppert vom bayerischen Hotel- und Gaststättenverband festgestellt. Vor allem bei schlechten Wetteraussichten gingen die Reservierungen nach oben. Insgesamt halte sich die Nachfrage aber noch in Grenzen.

Im nächsten Jahr werden Rock am Ring und Rock im Park ihr 40-jähriges bzw. 30-jähriges Jubiläum feiern. Es ist möglich, dass im Publikum Personen sein werden, die bereits die erste Ausgabe erlebt haben.

dpa