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Sie machen es mit links – Mythen und Fakten über Linkshänder

Wer mit der linken Hand schreibt, gilt als künstlerisch begabt und nicht als kühler Analytiker. In der Grundschule werden Linkshänder oft für ungeschickt gehalten. Was ist dran an den Vorurteilen?

Über Linkshänder gibt es viele falsche Annahmen. Ein Stereotyp ist, dass sie angeblich ungeschickter als Rechtshänder sind.
Foto: Christian Charisius/dpa

Schon im Mutterleib nuckeln einige Linkshänder am linken Daumen. Im Alter von drei Jahren ist in der Regel klar, mit welcher Hand ein Kleinkind greift, einen Ball wirft oder malt. Laut einer Studie aus dem Jahr 2020 sind etwa 10,6 Prozent der Menschen Linkshänder, wobei etwas mehr Männer als Frauen darunter sind. Es gibt zahlreiche Mythen über Linkshänder.

Manche betrachten sie als kreativer oder sogar intelligenter, während andere über ihre Ungeschicklichkeit spotten. Selbst der Mythos, dass Linkshänder eine kürzere Lebenserwartung haben, hält sich hartnäckig. Was ist dran an den Stereotypen? Ein Überblick zum heutigen Internationalen Linkshändertag:

Welche Unterschiede zwischen Links- und Rechtshändern sind wissenschaftlich belegt?

Bei Linkshändern ist bei motorischen Tätigkeiten die rechte Gehirnhälfte aktiv, bei Rechtshändern dagegen die linke. Ansonsten unterscheiden sich Links- und Rechtshänder kaum. «Vielleicht ist der größte Irrglaube, anzunehmen, dass Unterschiede in der Händigkeit überhaupt folgenreich sein müssen», sagt der Psychologe Ulrich Tran, der an der Universität Wien zu diesem Thema forscht. 

Der Biopsychologe Sebastian Ocklenburg von der MSH Medical School Hamburg ist Co-Autor der 2020 veröffentlichten Studie. «Ob jemand linkshändig wird, ist zu 25 Prozent durch genetische Faktoren bestimmt», sagt er. Zudem spielten Umweltfaktoren eine Rolle, etwa das Geburtsgewicht oder ob man gestillt worden sei.

Sind Linkshänder kreativer?

Die beiden Gehirnhälften sind auf unterschiedliche Aufgaben und Prozesse spezialisiert. Bei Linkshändern ist bei motorischen Tätigkeiten die rechte Hemisphäre aktiv, in der künstlerische Fähigkeiten verortet sind. Bei Rechtshändern die linke Gehirnhälfte, wo das analytische Denken liegt. «Aufgrund dieser Tatsache gibt es die Annahme, dass sich Links- und Rechtshänder in ihrer Kreativität unterscheiden», sagt Tran. «Das scheint aber im Wesentlichen nicht wirklich der Fall zu sein.» 

Linkshänder sind dennoch in kreativen und künstlerischen Berufen besonders häufig zu finden. Dies hängt damit zusammen, dass viele Menschen denken, Linkshänder seien kreativer, erklärt Ocklenburg. Diese weit verbreitete Annahme führt dazu, dass Linkshänder eher dazu neigen, einen kreativen Beruf zu wählen.

Haben Linkshänder einen höheren Intelligenzquotienten?

Es wird behauptet, dass sowohl Nobelpreisträger Albert Einstein als auch Dichter Johann Wolfgang von Goethe Linkshänder waren. Ebenso schreiben viele US-Präsidenten wie Bill Clinton und Barack Obama mit der linken Hand. Doch bedeutet das, dass Linkshänder besonders schlau sind und zu Großem berufen sind? Keineswegs. Eine Studie aus dem Jahr 2015 zeigt, dass Linkshänder nicht intelligenter sind als Rechtshänder.

Schadet es, wenn Linkshänder umtrainiert werden?

Noch bis in die 1990er Jahre wurden viele Linkshänder noch umgeschult und durften in der Schule nur mit der rechten Hand schreiben. «Umgeschulte Linkshänder entwickeln oft Konzentrationsstörungen oder gar psychische Probleme, weil die Umschulung einen großen Eingriff in ihr Gehirn darstellt», sagt die Psychotherapeutin Barbara Sattler. Sie arbeitete 1985 in einem Forschungsprojekt, an dessen Rande die laut Sattler erste deutsche Beratungsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder entstand.

In einigen Kindertagesstätten werde laut ihr zu wenig auf das Thema geachtet. Kinder würden sich manchmal an ihren Spielkameraden orientieren und sich dabei selbst schulen. Die Expertin schätzt, dass der Anteil der Linkshänder tatsächlich bei 20 bis 25 Prozent liegt.

Wenn Kinder auch nach dem vierten Lebensjahr noch häufig die Hand wechseln, sollten Eltern Rat beim Kinderarzt suchen und die Händigkeit möglicherweise mit einem Test überprüfen lassen. Vor dem Schulbeginn ist es wichtig, dass die Schreibhand festgelegt ist. Tipps für Eltern bietet beispielsweise das Portal Kindergesundheit-Info.de des Bundesgesundheitsministeriums.

Sind Linkshänder ungeschickter?

«Linkshänder sind nicht ungeschickter, aber ihre Umwelt ist eher auf Rechtshänder ausgerichtet», sagt Ocklenburg. Aus diesem Grund seien Linkshänder etwas häufiger in Unfälle verwickelt. «Ein Nachteil ist auch, dass es schwerer fällt, motorische Tätigkeiten von rechtshändigen Menschen zu lernen», sagt der Biopsychologe. Daher kommt es vor, dass Linkshänder als Kind Schwierigkeiten haben, Schleife binden zu lernen. Auch beim Stricken und Häkeln tun sich viele schwer. Fürs Basteln sollten Eltern in jedem Fall eine Linkshänder-Schere besorgen.

Haben es Linkshänder im Leben schwerer?

Das hängt von der Herkunft ab. Nach Sattler wird die linke Hand in einigen Regionen der Welt immer noch als unrein oder sogar des Teufels angesehen. Es gibt Berichte, dass Kindern die linke Hand auf den Rücken gebunden wird, damit sie nicht mehr benutzt wird.

Die sozialen Stigmen haben sich laut dem Psychologen Tran im Laufe der Geschichte entwickelt. Sie haben viel Leid bei den Betroffenen verursacht. Sattler bemängelt, dass Linkshänder noch weit von Chancengleichheit mit Rechtshändern entfernt sind. Apparaturen, Maschinen und Arbeitsgeräte sind auf Rechtshänder ausgerichtet. Alarmknöpfe in der Industrie sind oft auf der rechten Seite platziert.

Haben Linkshänder eine kürzere Lebenserwartung?

Dies ist laut Sattler ein Irrglaube. Hintergrund könne eine alte Studie sein, die längst widerlegt wurde. «Es werde immer noch so viele fragwürdigen Thesen über Linkshänder aufgestellt», kritisiert die Psychotherapeutin.

Sind Linkshänderinnen und Linkshänder bessere Sportler?

Linkshänder haben insbesondere im Kampfsport oder bei interaktiven Sportarten große Vorteile. Ocklenburg betont jedoch, dass sie nicht unbedingt bessere Tennisspieler sind. Trotzdem profitieren sie davon, hauptsächlich mit Rechtshändern zu trainieren, da Rechtshänder seltener auf Linkshänder treffen. Somit können Linkshänder den Überraschungseffekt nutzen.

Gibt es Beidhänder?

Menschen, die mit beiden Händen gleich gut sind, sind extrem selten – nämlich nur 0,1 bis 1 Prozent der Bevölkerung. Zu den gut 10 Prozent Linkshändern kommen noch etwa 9 Prozent Menschen mit einer unklaren Händigkeit, wie Sattler es nennt. Diese würden beispielsweise mit der linken Hand schreiben, aber mit der rechten Hand weniger anspruchsvolle Tätigkeiten ausführen.

dpa