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Haustiere als Kinderersatz: Warum Hunde so beliebt sind

Forschende sehen Hunde als Familienmitglieder und Kinderersatz – eine kulturell geprägte Entwicklung mit verschiedenen Rollen.

Hund statt Kind? Ganz so einfach ist es nicht.
Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Der Hund trägt einen winzigen Pullover, bekommt teures Premium-Futter im Napf und vielleicht sogar eine Hackfleisch-Torte zum Geburtstag: Oftmals werden Hunde wie Babys verwöhnt. Die Anzahl der Haushalte mit Hunden ist auch in Deutschland hoch, während die Geburtenrate wie in vielen Ländern sinkt. Forscher haben sich gefragt: Gibt es einen Zusammenhang?

Immer mehr Erwachsene hätten in ihrem Alltag kaum noch Kontakt zu kleinen Kindern, erläutern ungarische Forscherinnen im Fachjournal «European Psychologist». In westlichen und ostasiatischen Gesellschaften übernähmen Haustiere zunehmend die Rolle von Gefährten und Hunde würden weitgehend als Mitglied der Familie angesehen. «Immer mehr Besitzer betrachten ihre Hunde sogar als ihre Kinder.»

Die Forscherinnen erklären, dass der Hund je nach Lebenssituation verschiedene Rollen einnimmt. Er kann ein Mitbewohner oder bester Freund für junge Alleinstehende sein, das erste Kind für frisch Verheiratete, ein Spielkumpel in Familien mit kleinen Kindern oder ein Ersatz für ausgezogene Kinder – und schließlich ein Helfer gegen Einsamkeit bei Verwitweten.

Das Bedürfnis, sich um jemanden zu kümmern

Angenommen wird, dass Menschen ihr biologisches Bedürfnis, sich um jemanden zu kümmern, auf Tiere umgeleitet haben. Doch warum übernehmen ausgerechnet Hunde so häufig die Rolle eines geliebten, pelzigen Babys?

Die Vierbeiner erfüllten teilweise ähnliche Funktionen, erläutern Laura Gillet und Enikő Kubinyi von der Eötvös Loránd Universität Budapest nach der Auswertung verschiedener Studien zum Thema. «Hunde können eine ähnliche Bindung zu ihren Bezugspersonen aufbauen wie Kleinkinder.» Und die Rolle, sich umsorgen zu lassen, fülle ein Hund womöglich sogar besser aus als ein Mensch. Denn: Babys werden Kinder und Kinder immer eigenständiger – Hunde hingegen brauchen über ihre gesamte Lebensspanne hinweg jemanden, der sich um sie kümmert.

Zudem sprächen Hunde mit ihren teils kindlichen Merkmalen das Bedürfnis von Menschen an, sich zu kümmern. Viele Hundebesitzer betrieben großen Aufwand bei der Pflege ihres Hundes – manchmal opferten sie ihr eigenes Wohlbefinden zugunsten ihres Lieblings. «Diese offensichtlich große Hingabe an Haushunde kann mit dem Konzept der intensiven Mutterfürsorge verglichen werden.»

Laut aktuellen Daten des Zentralverbands Zoologischer Fachbetriebe lebt in etwas mehr als jedem fünften Haushalt (21 Prozent) hierzulande ein Hund, und der Anteil war in den vergangenen Jahren ziemlich stabil. Im Jahr 2024 wurden in Deutschland allein für Tiernahrung und Zubehör gut sieben Milliarden Euro ausgegeben.

Zumindest nach Umfragen nicht als gleichwertig betrachtet

Man könne nicht verallgemeinern, dass Hunde als Kindersatz gehalten werden, meinen Gillet und Kubinyi. Die Entscheidung für einen Hund anstelle eines Kindes werde vielfach sehr bewusst getroffen, mit klarem Blick darauf, dass es entscheidende Unterschiede in der Beziehung zum Hund im Vergleich zum Kind gibt. «Tatsächlich haben sich laut mehreren Studien viele Besitzer vor allemdeshalb für die Anschaffung von Hunden entschieden, weil Hunde nichtwie Kinder sind.»

Ein weiterer Beweis dafür, dass viele Hundebesitzer einen klaren Unterschied zwischen Mensch und Tier machen, ist, dass sie menschliches Leben priorisieren: Wenn sie vor die theoretische Wahl gestellt werden, sich zwischen einem Menschenleben und hundert Hundeleben entscheiden zu müssen, geben die meisten Befragten an, den Menschen retten zu wollen. Dies sei noch eindeutiger, wenn es um das Leben eines Kindes geht.

Laut der Analyse ist die Wahrscheinlichkeit, die Beziehung zum Hund zu beenden, höher als bei einem Kind. Jedes Jahr kommen in den USA etwa drei Millionen Hunde in Tierheime, was mehr als drei Prozent der insgesamt gehaltenen Hunde entspricht.

Nicht überall Kindersatz

Die Beziehung zum Hund sei auch kulturell geprägt, ergänzen Gillet und Kubiny. US-amerikanische Halterinnen und Halter sprächen vor Freunden oder der Familie von sich als «Mama» oder «Papa» ihres tierischen «Kindes». Bei Kollegen oder Fremden nutzten sie eher neutralere Begriffe. In anderen Ländern wiederum sei das Verhältnis überwiegend viel distanzierter.

dpa