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So flog die Skelett-Verwechslung beim Schinderhannes auf

Seit mehr als 200 Jahren denkt man in Heidelberg, die Knochen des legendären Räubers zu haben. Das stimmt auch. Allerdings ist das Skelett ein anderes als angenommen.

Dank wissenschaftlicher Analysen und eines Verwandten weiß man nun, dass dieses Skelett die sterblichen Überreste des Räubers Schinderhannes sind.
Foto: Sara Doll/Medizinische Fakultät Heidelberg/dpa

Ein heutiger Verwandter des berüchtigten deutschen Banditen Schinderhannes hat dabei geholfen, unter den Knochen verschiedener Räuber den richtigen zu identifizieren. Dies soll laut der Universität Heidelberg endlich einen historischen Fall von Verwechslung klären. Eine Replik des Skeletts des Räuberhauptmanns, der vor über 200 Jahren im Westen des Rheins aktiv war, ist in der Medizinischen Fakultät der Universität zu besichtigen.

Ein Raubmörder als Namensgeber für Restaurants

Der Schinderhannes war zu seiner Zeit einer der bekanntesten deutschen Räuber. Vor über 200 Jahren war er als Dieb, Räuber und Mörder aktiv. Trotz romantisierter Darstellungen in Literatur und Film ist er heute Namensgeber für Restaurants und einen Radweg.

Es wird angenommen, dass Johannes Bückler Ende der 1770er Jahre in der Gemeinde Miehlen in Rheinland-Pfalz geboren wurde. Die Familie zog in den Hunsrück. Bückler soll den Namen Schinderhannes durch seine Arbeit bei Abdeckern, also Tierkadaverbeseitigern, die regional als Schinder bezeichnet wurden, erklärt haben.

Mit seiner Bande überfiel der Räuberhauptmann Häuser reicher Kaufleute und erpresste mit Drohbriefen größere Geldsummen. «Insgesamt beging die Bande 211 Delikte in 6 Jahren, alle Versuche, sie dingfest zu machen, scheiterten», wie es auf der Internetseite der Stadt Simmern heißt. Bückler und viele seiner Komplizen wurden schließlich doch gefangen, 1803 zum Tod durch das Fallbeil verurteilt und geköpft.

Was passierte in den zwei Jahrhunderten danach?

Jacob Fidelis Ackermann, der erste Lehrstuhlinhaber der Anatomie an der Universität Heidelberg, brachte laut Angaben der heutigen Uniklinik zwei Skelette in sein Institut. Diese sollen vom Schinderhannes und einem Mittäter namens Schwarzer Jonas stammen.

«Offenbar kam es jedoch zu Beginn des 19. Jahrhunderts unter Ackermanns Nachfolger Friedrich Tiedemann zu einer Verwechslung der Sammlungsnummern – und damit begann die falsche Zuordnung der Skelette», erklärte die Uni kürzlich in einer Mitteilung.

Schon seit längerem gab es Skepsis um das Schinderhannes-Skelett, wie die Kuratorin der Anatomischen Sammlung, Sara Doll, der Deutschen Presse-Agentur sagte. Sie habe es dann genauer wissen wollen. «Ich habe einen Kurs für forensische Anthropologie besucht.» Mit diesem Wissen habe sie angefangen, die Schädel zu untersuchen.

Ein Nachkomme half beim Klären

Chemische Analysen der Knochen, Bildgebungsverfahren und weitere Untersuchungen deuteten auf eine mögliche Verwechslung der beiden Skelette hin. Klarheit brachte ein heute lebender Familiennachfahre in fünfter Generation über einen genetischen Vergleich. Es handle sich um einen Nachkommen von Schinderhannes‘ Schwester, sagte Doll. Weitere Details verriet sie nicht.

Nach Angaben der Medizinischen Universität Innsbruck ist mit dieser Analyse nun endgültige Sicherheit erreicht. «Für mich ist es superwichtig zu wissen, wen ich hier habe», sagte Doll. 

Erste widersprüchliche Angaben wurden nun bereits geklärt: «Die Daten deuten darauf hin, dass Schinderhannes braune Augen, dunkle Haare und einen eher blassen Hautton hatte», erklärte Walther Parson von der beteiligten Medizinischen Universität Innsbruck.

Kann ich mal selbst nachschauen?

Das originale Skelett wurde aus Gründen der Konservierung aus der Ausstellung in Heidelberg genommen. Jedoch ist in der Anatomischen Sammlung des Instituts für Anatomie und Zellbiologie eine Nachbildung zu sehen.

Das Fallbeil, das höchstwahrscheinlich 1803 den Schinderhannes köpfte, wurde Ende des vergangenen Jahres dem Hunsrück-Museum in Simmern übergeben. Ein ehemaliger Kriminaldirektor der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz fand die passende Fallbeilschneide in der Lehrmittelsammlung der Hochschule, nachdem er alte Akten und Aufzeichnungen durchsucht hatte.

Und was ist mit dem Schwarzen Jonas?

Möglicherweise wurde dieses Skelett als vermeintlich vom Schinderhannes stammend entwendet – oder ausgeliehen und nie zurückgegeben, lautet die Vermutung der Uniklinik. Jedenfalls stammt das zweite Skelett ganz sicher nicht von diesem Räuber, wie Doll sagte: „Der Mensch sei durch ein Schwert und nicht durch ein Fallbeil getötet worden. Es gebe infrage kommende Männer, bestätigt sei bisher noch nichts.“

Das Rätsel von Heidelberg dauert also an.

dpa