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Tausende Satelliten im All – Ist dort bald kein Platz mehr?

Nach SpaceX baut auch China im All ein Netzwerk aus Tausenden Satelliten, um Internetzugänge zu schaffen. Das Risiko für Zusammenstöße wächst. Und auch Astronomen sind nicht erfreut.

Eine Trägerrakete vom Typ Langer Marsch 6 hebt mit einer neuen Satellitengruppe ab. (Archivbild)
Foto: Zheng Bin/Xinhua/AP/dpa

«Tausend Segel» («Qianfan») heißt ein neues Weltraum-Projekt Chinas: Es soll künftig ein Netz aus Tausenden Satelliten umfassen, das regional Internetzugänge bietet. Anfang August schoss die Volksrepublik die ersten 18 Satelliten ins All, noch in diesem Jahr sollen weitere 108 folgen. Dort, in einer relativ niedrigen Höhe, tummeln sich schon die 6.000 Starlink-Satelliten, mit dem SpaceX-Chef Elon Musk weltweit Zugänge zum Internet schaffen will. Insgesamt sollen es davon mal mehr als 34.000 werden.

Auch China will sein Netz etappenweise vergrößern – bis 2030 sieht der Plan vor, ungefähr 15.000 Satelliten um die Erde kreisen zu lassen. «Qianfan» ist allerdings nicht Chinas einziges Satelliten-Projekt im All. Die Konstellation «GW» ist mit etwa 13.000 Satelliten geplant. Ein weiteres Projekt, Honghu-3, soll ungefähr 10.000 Satelliten umfassen. Auch in anderen Ländern stehen große Internet-Projekte mit Tausenden Satelliten kurz vor dem Start, etwa Kuiper von Amazon.

Reicht der Platz im Orbit?

Natürlich sind die Dimensionen im Weltall enorm. Doch angesichts der vielen Pläne für Satelliten-Netzwerke ist die Frage: Wie viel Platz ist im niederen Orbit – also in einer Höhe von etwa 200 bis 2.000 Kilometern – überhaupt und kommen sich die Satelliten da nicht in die Quere? Musk rechnete Ende 2021 im Interview der «Financial Times» vor, dass «Milliarden von Satelliten» Platz hätten. Jede Schicht, also Höhe, habe eine größere Fläche als die Erde selbst. «Ein paar Tausend Satelliten sind nichts», meinte er. 

Die europäische Raumfahrtagentur Esa betrachtet die Frage nun kritischer. Laut ihr befinden sich etwa 13.230 Satelliten im Erdorbit, von denen rund 10.200 noch aktiv sind. Aufgrund der zunehmenden Anzahl von Satelliten-Konstellationen im Weltraum steigt das Risiko von Zusammenstößen, die potenziell zu massiven Schäden führen könnten, sagt Esa-Chef Josef Aschbacher. Er befürwortet die Einführung eines globalen Weltraum-Verkehrsgesetzes, um eindeutig festzulegen, wer in gefährlichen Situationen ausweichen muss.

Europäer wollen Satelliten wieder runterholen

Die Esa plant, das Entstehen von Weltraummüll bis 2030 drastisch zu begrenzen, indem jeder Satellit, der ins All geschickt wird, am Ende seiner Laufzeit aus dem Orbit entfernt wird. Im September wurde ein Esa-Satellit gezielt in der Atmosphäre verglüht, wie Aschbacher berichtet.

Wie katastrophal Trümmerteile wirken können, wurde deutlich, als China im Jahr 2007 einen ausgedienten Wettersatelliten abschoss. Es wird geschätzt, dass dabei mehr als 40.000 Trümmerteile mit einem Durchmesser von mehr als einem Zentimeter entstanden sind – seitdem geht jede zweite Kollisionsvermeidungsmanöver der Esa-Satelliten auf solche Stücke zurück.

Die US-Raumfahrtbehörde Nasa, die selbst knapp 2.000 Satelliten im All hat, ist ebenfalls besorgt über die wachsende Anzahl von Satelliten und Trümmern im All und arbeitet eigenen Angaben zufolge an «Säuberungsplänen».

UN-Büro für Weltraumfragen

Lambert Liu, ein Experte der Branche und Raumfahrtexperte aus China, betrachtet das Risiko eines Satellitenzusammenstoßes als gering. Der Chinese verweist auf das UN-Büro für Weltraumfragen. Jedes Land muss dort Daten zu Satellitenstarts melden, um Zusammenstößen vorzubeugen.

«Niemand will, dass so etwas passiert, deshalb prüfen wir im System der Vereinten Nationen, welche Satelliten sich vor dem Start am Himmel befinden», sagt er. Außerdem stünden die Flugkörper im Kontakt mit dem Boden. Sollte ein Satellit zu hoch oder niedrig fliegen, müsse man zur Vermeidung eines Crashs nachjustieren.

Forderung nach mehr Regulierung

Einige Experten sehen die Platzfrage kritischer. In der niedrigen Erdumlaufbahn sei nicht genug Platz, um so viele Satelliten dort sicher zu platzieren – sollten dafür nicht genaue Regelungen vereinbart werden, argumentierten Miles Lifson und Richard Linares bereits 2022 in einem Meinungsbeitrag auf dem Onlineportal «Spacenews».

Feste Routen, auf denen Satelliten fliegen müssen, gibt es bislang nicht. Für China hat der Wettlauf im All auch deshalb Priorität. Im aktuellen Fünfjahresplan des von der Kommunistischen Partei regierten Landes ist die Entwicklung von verschiedenen Satelliten als Ziel veranschlagt. Dahinter stehe auch «die Knappheit von Satellitenfrequenzen und orbitalen Ressourcen», die nach offiziellen Angaben, «durch das Prinzip “Wer zuerst kommt, mahlt zuerst”» vergeben werden.

Warum das Internet per Satellit aufgebaut wird

Liu nennt Chinas nationale Sicherheit als Grund für den Aufwand, einen Zugang zum Internet im All zu schaffen. Dies würde verhindern, dass der Internetzugang von politischen Entscheidungen in anderen Ländern wie den rivalisierenden USA abhängig ist. Warum aber überhaupt der Aufwand, wenn ein Zugang zum Internet auch auf der Erde erfolgen kann?

Des Weiteren haben etwa 40 Prozent der Weltbevölkerung immer noch keinen Zugang zum Internet, daher sei es jetzt ein guter Zeitpunkt, eine entsprechende technische Infrastruktur aufzubauen, so Liu. Allerdings gibt es Bedenken, dass China bald in anderen Teilen der Welt wie in Afrika Internet über seine Satelliten anbieten könnte. Immerhin blockiert die Volksrepublik kritische Websites von ausländischen Medien oder Organisationen für ihre rund 1,4 Milliarden Einwohner.

Auch Astronomen sind besorgt über die Satelliten

Eine weitere Gruppe, die alle Satelliten kritisch betrachtet, sind die Astronomen. Wenn die Satelliten von der Sonne beleuchtet werden, erscheinen sie auf astronomischen Aufnahmen als Störstreifen. Die Internationale Astronomische Union (IAU) betreibt seit zwei Jahren eine eigene Satellitenüberwachung, die es den Astronomen ermöglicht, ihre Beobachtungen mit den Teleskopen zu planen.

Die IAU hat kürzlich festgestellt, dass eine verbesserte Version der Starlink-Satelliten bis zu fünfmal heller am Himmel erscheinen könnte als die bisherigen Satelliten. Allerdings gibt es Möglichkeiten, die Helligkeit zu reduzieren, z.B. durch weniger reflektierende Außenanstriche oder spezielle Flugmanöver.

Jeder Himmelsbeobachter kann abends Satelliten sehen

In der Langen Nacht der Astronomie haben auch Laien am Samstag die Möglichkeit, in vielen astronomischen Einrichtungen in ganz Deutschland etwas über das Weltall zu erfahren und in den Himmel zu schauen – und dabei wahrscheinlich auch zahlreiche Satelliten zu beobachten. Einige von ihnen können so hell leuchten wie die hellsten Sterne.

Manche Astronominnen und Astronomen hoffen nun auf die Unterstützung durch Künstliche Intelligenz. Wie das Magazin «Science» gerade berichtete, ist KI in der Lage, die langen Störstreifen in den Fotos mit hoher Sicherheit zu erkennen und herauszurechnen. Aber Satellitenstarts und -entwicklungen schritten mit «halsbrecherischer Geschwindigkeit» voran, erklärte Siegfried Eggl, ein Astrophysiker an der University of Illinois Urbana-Champaign dem Magazin. Die Forschenden täten «ihr Bestes, um aufzuholen».

dpa