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«Trost für Eltern» – Baby-Geschrei liegt (auch) in den Genen

Viele Eltern fragen sich, warum ausgerechnet ihr Baby so viel schreit. Schwedische Forscher bieten Trost: Es kann schlichtweg an den Genen liegen.

Schreit ein Baby oft und lange, ist das emotional oft sehr belastend. (Archivbild)
Foto: Oliver Berg/dpa

Laut einer Studie hängt die Belastung der Eltern durch das Schreien eines Babys auch mit den Genen zusammen. Die Brülldauer wird größtenteils durch das Erbgut bestimmt, wie ein Forschungsteam aus einer Untersuchung an Zwillingen schließt. Auch die Schlafqualität und die Fähigkeit zur Beruhigung werden demnach in den ersten Lebensmonaten von den genetischen Anlagen beeinflusst.

Schreit ein Baby oft und lange, ist das emotional oft sehr belastend. «Für Eltern kann es ein Trost sein zu wissen, dass das Weinen ihres Kindes größtenteils genetisch bedingt ist und dass sie selbst nur begrenzte Möglichkeiten haben, das Weinen ihres Kindes zu beeinflussen», sagte die Studienleiterin Charlotte Viktorsson von der Universität Uppsala (Schweden).

Zwillingseltern wurden befragt

Die Untersuchung ihres Teams basiert auf Fragebögen, die von den Eltern von 998 gleichgeschlechtlichen eineiigen oder zweieiigen Zwillingen ausgefüllt wurden, als diese zwei Monate und fünf Monate alt waren. Es wurde abgefragt, wie lange die Kinder weinen, wie oft sie nachts aufwachen und wie lange es dauert, bis sie sich beruhigen. Die Auswahl von Zwillingen erfolgte aufgrund gemeinsamer Faktoren wie dem häuslichen Umfeld, der Familiensituation und dem sozioökonomischen Status, die auch das Schreiverhalten beeinflussen.

Eineiige Zwillinge stammen aus einer einzelnen Eizelle und haben daher identische Erbanlagen (DNA), während zweieiige Zwillinge genetisch so unterschiedlich sind wie Geschwister, die in verschiedenen Jahren geboren wurden. Wenn eineiige Zwillinge in Bezug auf ein bestimmtes Merkmal ähnlicher sind als zweieiige Zwillinge, spielt die Genetik eine Rolle bei der Ausprägung.

Im Mittel mehr als eine Stunde Gebrüll täglich

Es wurden erhebliche individuelle Unterschiede festgestellt. Einige Kinder wachten beispielsweise bis zu zehnmal pro Nacht auf, andere fast nie. Im Durchschnitt schrien die Zwillinge im Alter von zwei Monaten etwa 72 Minuten täglich, wachten mehr als zweimal pro Nacht auf und benötigten jeweils etwa 20 Minuten zum Beruhigen. Mit fünf Monaten betrug die durchschnittliche Schreidauer insgesamt 47 Minuten, sie wachten immer noch mehr als zweimal pro Nacht auf und benötigten etwa 14 Minuten zum Beruhigen.

Es sollte jedoch beachtet werden, dass bei den Werten ein Geschwistereffekt auftreten kann: Wenn ein Zwilling anfängt zu weinen, schließt sich der andere gerne an. Wenn beide weinen, kann es länger dauern, bis sie sich beruhigen.

Dauer des Weinens weitgehend genetisch bestimmt

Die deutlichsten Hinweise auf eine großteils genetische Grundlage ergaben sich für die Dauer des Weinens. Im Alter von zwei Monaten erklärt die Genetik der Kinder demnach zu etwa 50 Prozent, wie viel sie weinen, wie es im Fachjournal «JCPP Advances» heißt. Im Alter von fünf Monaten seien es sogar 70 Prozent.

Laut der Studie spielt die Genetik bei der Anzahl nächtlicher Aufwachphasen anscheinend eine viel geringere Rolle. Es wird vermutet, dass Schlafgewohnheiten und die Schlafumgebung des Kindes entscheidende Faktoren sein könnten. Es ist jedoch nicht möglich, basierend auf der Studie Schlüsse auf besonders effektive Methoden zu ziehen.

Das Umfeld hat anscheinend nur in den ersten Lebensmonaten einen starken Einfluss darauf, wie gut das Beruhigen klappt. Laut den Daten der Befragung wurde die Beruhigungsfähigkeit im Alter von fünf Monaten hauptsächlich von der Genetik bestimmt.

Haben die Eltern richtig gezählt?

Die Forschenden weisen darauf hin, dass die Daten auf Angaben von Eltern basieren und daher möglicherweise nicht genau das Schlaf- und Verhaltensverhalten widerspiegeln. Außerdem können die Ergebnisse nicht automatisch auf Einzelkinder übertragen werden – aufgrund der Interaktion von Zwillingen und der höheren Anforderungen, die zwei Babys an Eltern stellen. Beides hat Einfluss auf die gemessenen Faktoren.

Bei einer ersten Stichprobe wurden jedoch keine signifikanten Unterschiede im Schrei- und Beruhigungsverhalten zwischen Zwillingen und Einzelkindern festgestellt, aber hinsichtlich der Anzahl der Aufwachvorgänge. Ein eher unerwarteter Unterschied war jedoch, dass die Zwillinge seltener aufwachten als Einzelkinder.

Die Forschenden gehen nicht auf potenzielle Gründe dafür ein. Möglicherweise fühlt sich ein Baby sicherer, wenn sein stets präsenter Zwilling neben ihm schläft – oder es lässt sich aufgrund der Gewohnheit seines belebten Alltags weniger leicht durch nächtliche Geräusche aufschrecken.

Wie man weinende Babys in 13 Minuten zum Schlafen bringt

Vor einiger Zeit hatte ein anderes Forschungsteam untersucht, wie man Babys am schnellsten beruhigt – und eine minutengenaue Anleitung erstellt. Eltern sollten ihr weinendes Kind etwa fünf Minuten lang eng an den eigenen Körper halten und in gleichmäßigem Tempo herumtragen, möglichst ohne abrupte Bewegungen, erklärten die Forschenden im Fachjournal «Current Biology». Sobald es eingeschlafen ist, sollten sie sich dann noch etwa acht Minuten lang mit ihm hinsetzen und es erst danach zum Schlafen hinlegen.

Das Team hatte auch eine Erklärung für den beruhigenden Effekt des Gehens parat: die sogenannte Transportreaktion. Dieser angeborene Effekt ist bei vielen jungen Säugetieren zu beobachten, die noch nicht in der Lage sind, für sich selbst zu sorgen, wie zum Beispiel Mäuse und Affen. Die Jungtiere beruhigen sich und ihre Herzfrequenz sinkt, wenn sie aufgehoben und herumgetragen werden.

dpa