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Barbershops als Infektionsquelle: Pilz auf dem Vormarsch

Fachleute warnen vor steigenden Pilzinfektionen im Kopf- und Bartbereich bei Jugendlichen und jungen Männern aufgrund mangelnder Hygiene in Barbershops.

Forschende melden einen starken Anstieg von Pilz-Infektionen nach Besuchen in Barbershops.
Foto: Andreas Arnold/dpa

Schuppen- und teilweise eitrige Pilzinfektionen auf dem Kopf und im Bartbereich verbreiten sich besonders schnell bei männlichen Jugendlichen und jungen Männern. Experten sind der Meinung, dass sich die Betroffenen hauptsächlich in Barbershops anstecken – also in Friseursalons, die sich vor allem an diese Zielgruppe richten und mit niedrigen Preisen werben.

«Die steigende Zahl von Infektionen mit dem Pilz Trichophyton tonsurans ist ein richtiges Problem und erst in den letzten etwa drei Jahren aufgekommen», berichtet Pietro Nenoff, Laborarzt und Professor für Dermatologie an der Uni Leipzig. «Es gibt einen stetigen Anstieg.» Ursache der Infektionen sei mangelnde Hygiene und unzureichende Desinfektion etwa von Rasiergeräten.

Nachweise vervielfachen sich

Alleine in seinem Labor labopart seien im vergangenen Jahr fast 350 Nachweise des Pilzes gelungen, führt Nenoff aus. «Das ist für diesen eigentlich eher seltenen Pilz wirklich viel.» Bundesweit dürften es inzwischen tausende Infektionen sein. 

Zunächst seien Erkrankungen vornehmlich aus den alten Bundesländern gemeldet worden, «inzwischen ist ganz Deutschland betroffen». Der Dermatologe Martin Schaller von der Universität Tübingen sprach am Wochenende gegenüber dem Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» sogar von einer «europaweiten Epidemie». Der Pilz werde inzwischen drei- bis fünfmal so oft nachgewiesen wie noch vor fünf Jahren, sagen Schaller und Nenoff.

Barbershops sind häufige Infektionsquelle

Der Zusammenhang zwischen den Infektionen und Besuchen im Barbershop ist mittlerweile unbestritten, erklärt Nenoff. Vor einigen Jahren hatten Kollegen aus Duisburg dies vermutet, nachdem 17 Jugendliche und junge Männer sich infiziert hatten und alle zuvor in einem Barbershop gewesen waren. Zunächst wurde jedoch keine Quelle für den Pilz gefunden.

Die Forscher aus Kiel konnten drei Jahre später zusammen mit dem örtlichen Gesundheitsamt nachweisen, dass auch andere Betroffene mit dem Erreger in einem zuvor besuchten Barbershop infiziert waren: Der Pilz wurde in Rasiergeräten und einer Schublade zur Aufbewahrung der Geräte gefunden.

Hohe Dunkelziffer – Meldepflicht gefordert

Nenoff sagt, dass die Dunkelziffer hoch sei, da es keine Meldepflicht für diesen Pilz gebe. Trichophyton tonsurans ist äußerst ansteckend und kann auch innerhalb von Familien oder Gruppen von Kita-Kindern übertragen werden, die zuvor mit einer infizierten Person in Kontakt waren.

Gerade bei Minderjährigen sei die Behandlung aber nicht so einfach, da die Tabletten dagegen für Unter-18-Jährige nicht zugelassen seien, sagt Nenoff. «Die Krankheit sollte unbedingt meldepflichtig sein, das ist überfällig.» Man müsse die Infektionsquellen finden und dringend appellieren, dass Barbershops die gängigen Hygienestandards einhalten.

Friseurinnung fordert mehr Kontrollen

Ein möglicher Grund für die Verbreitung des Pilzes könnte sein: Mangelndes Wissen über hygienische Notwendigkeiten und unzureichende Schulung von Mitarbeitern oder die Beschäftigung von ungelernten Mitarbeitern. Oftmals fehlt es in Barbershops an einem Friseurmeister, der die Einhaltung hygienischer Standards überwachen kann, so die Obermeisterin der Friseurinnung Erlangen, Judith Warmuth. Dazu gehört die professionelle Desinfektion von Maschinen und Scheren mit speziellen Mitteln oder das Eintauchen von Friseur-Utensilien in spezielle Desinfektionslösungen. Sie zweifelt daran, dass die Mitarbeiter in Barbershops angemessen geschult werden.

«Barbershops haben alle ihre Daseinsberechtigung», sagt Warmuth. Auch verbreite sich der Pilz nicht nur dort. Es sei aber wichtig, dass Betriebe generell besser von der Handwerkskammer oder auch den Berufsgenossenschaften kontrolliert würden. «Die Genehmigungsbehörden winken einfach zu viel durch», findet sie. «Wir kämpfen darum, dass genauer hingeschaut wird.» Der Verband des Friseurhandwerks wollte sich nicht äußern und hatte auf die Erlanger Friseurinnung verwiesen.

Fadenpilz schon lange bekannt

Der Fadenpilz ist seit Jahrzehnten bekannt, viele Fachleute nennen ihn auch «Mattenpilz» oder «Ringerpilz», erläutert Nenoff. Ursprünglich gelangte der Erreger über Kampfsportler, vor allem auf Matten kämpfende Ringer, auf die Köpfe von Betroffenen. «Inzwischen aber sind solche Infektionen auch mit Barbershops in Verbindung zu bringen.»

Pilz kann sogar zu Haarausfall führen – aber Infektion gut behandelbar

Die Infektion mit dem Fadenpilz äußert sich in Form von schuppigen und geröteten Stellen. Wenn der Pilz nach dem Schnitt etwa mit einer Rasierklinge oder durch andere kleinere Verletzungen unter die Haut gerät, kann es auch zu eitrigen Pusteln, Vernarbungen und auch Haarausfall kommen. Eine Infektion sei gut behandelbar – äußerlich, aber auch von innen mit Tabletten. Die Mittel dagegen seien wirksam und es gebe keine Resistenzen. «Noch nicht», sagt Nenoff.

dpa