Eine zentrale Studie zur Sicherheit von Glyphosat ist wegen schwerer ethischer Mängel zurückgezogen worden. Das Fachjournal wirft den Autoren Verbindungen zum Glyphosat-Hersteller Monsanto vor.
Umstrittene Glyphosat-Studie nach 25 Jahren zurückgezogen

Eine Studie aus dem Jahr 2000, die eine zentrale Rolle in der Debatte um die Sicherheit des Pestizids Glyphosat spielt, ist von der Fachzeitschrift «Regulatory Toxicology and Pharmacology» formell zurückgezogen worden. Das Papier war seither ein wichtiges Argument für Angaben des damaligen Herstellers Monsanto, das Herbizid Roundup und sein Wirkstoff Glyphosat hätten keine krebserregenden Wirkungen.
Laut dem Fachverlag Elsevier, in dem das Fachblatt erscheint, galt die Studie weithin als wegweisend in der Debatte. Es ist jedoch unklar, ob die Schlussfolgerung – dass Glyphosat und das Präparat Roundup nicht krebserregend sind – tatsächlich korrekt ist.
Es gab Bedenken bezüglich der Urheberschaft der Studie, der Gültigkeit der Ergebnisse in Bezug auf eine falsche Darstellung der Beiträge der Autoren und des Studiensponsors sowie potenzieller Interessenkonflikte der Autoren, wie der verantwortliche Chefredakteur Martin van den Berg in der Mitteilung schreibt. Es gibt mehrere Punkte, die zur Rücknahme geführt haben, darunter:
Bewertung der Karzinogenität
Die Schlussfolgerungen bezüglich der Karzinogenität von Glyphosat beruhen ausschließlich auf Studien von Monsanto, die laut van den Berg kein tumorauslösendes Potenzial zeigten. Es gab zum Zeitpunkt der Veröffentlichung andere Langzeitstudien zur chronischen Toxizität und Karzinogenität, deren Daten nicht einbezogen wurden.
Mangelnde Unabhängigkeit der Autoren
Es wurde in einem Rechtsstreit in den USA bekannt, dass die Autoren der Studie nicht allein für den Inhalt verantwortlich waren, sondern möglicherweise Mitarbeiter von Monsanto ohne ordnungsgemäße Nennung als Mitautoren beteiligt waren.
Falsche Darstellung der Beiträge
Die anscheinenden Beiträge der Mitarbeiter von Monsanto als Mitautoren wurden im Abschnitt «Danksagungen» nicht ausdrücklich als solche erwähnt. «Diese Auslassung lässt vermuten, dass die Autoren ihre jeweiligen Rollen und den kooperativen Charakter der vorgestellten Arbeit falsch dargestellt haben könnten.»
Fragen zur finanziellen Vergütung
Laut der Mitteilung gibt es Hinweise darauf, dass die drei genannten Autoren möglicherweise von Monsanto für ihre Arbeit an der Studie bezahlt wurden, was nicht offengelegt wurde.
Historischer Kontext und Einfluss
Die Studie hatte jahrzehntelang einen erheblichen Einfluss auf regulatorische Entscheidungen in Bezug auf Glyphosat und Roundup, wie es hieß. «Angesichts seines Status als Eckpfeiler für die Bewertung der Sicherheit von Glyphosat ist es unerlässlich, dass die Seriosität dieses Übersichtsartikels und seiner Schlussfolgerungen nicht beeinträchtigt wird.»
Van den Berg betont, dass aufgrund dieser Punkte kein Vertrauen mehr in die Ergebnisse und Schlussfolgerungen besteht, was die Rücknahme notwendig macht.
Warum passiert das jetzt?
Im Jahr 2017 seien in einem Gerichtsverfahren interne E-Mails des Chemiekonzerns Monsanto veröffentlicht worden, die nahelegten, dass Mitarbeiter des Unternehmens an der Erstellung der einflussreichen Studie mitgewirkt hatten, heißt es in einem Beitrag des Fachmagazins «Science» zur Rücknahme.
Erst vor wenigen Monaten hatte ein Forschungsduo im Fachjournal «Environmental Science & Policy» berichtet, wie stark die Studie dennoch weiter zitiert wird und Einfluss hat: Die Studie gehört demnach zu den 0,1 Prozent der meistzitierten Studien in der Glyphosat-bezogenen Forschung. Die Enthüllungen über Monsantos verdeckte Beteiligung hätten daran kaum etwas verändert.
Was sagt der Hersteller?
Der jetzige Monsanto-Eigner Bayer wies die Kritik zurück. Bei der zurückgezogenen Studie handele sich um einen reinen Übersichtsartikel ordnungsgemäß eingereichter Studien, erklärte Konzernsprecher Philipp Blank in einer Stellungnahme auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur. «Glyphosat ist das in den letzten 50 Jahren am umfassendsten untersuchte Herbizid.» Unter führenden Regulierungsbehörden weltweit herrsche Einigkeit, dass Glyphosat bei sachgemäßer Anwendung sicher sei.
Wie ist der Forschungsstand?
Gemäß der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend für den Menschen eingestuft. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sind der Ansicht, dass bei Einhaltung der Anwendungsregeln kein relevantes Krebsrisiko besteht.
Der scheinbare Widerspruch ist in Wirklichkeit keiner: Die IARC hat die Krebsgefahr bewertet, also die allgemeine Möglichkeit, dass Glyphosat Krebs verursacht. Das Alltagsrisiko wurde von den Behörden als Faktor in die Bewertung einbezogen. Die EFSA stuft das Krebsrisiko bei den üblicherweise über Lebensmittel aufgenommenen Mengen als vernachlässigbar ein.
Wofür wird Glyphosat genutzt?
Es handelt sich um ein sogenanntes Totalherbizid, das nahezu alle grünen Pflanzen schädigt. Glyphosat wird seit Mitte der 1970er-Jahre vor allem unter dem Handelsnamen «Roundup» genutzt und ist heute in zahlreichen Pflanzenschutzmitteln verschiedener Hersteller enthalten. Landwirte sprühen es beispielsweise vor der Aussaat auf Felder, um unerwünschte Konkurrenzpflanzen zu vernichten.
Die EU hat die Zulassung für Glyphosat kürzlich bis Ende 2033 verlängert. In einigen Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, sind Anwendungen in Haus- und Kleingärten sowie auf öffentlichen Flächen verboten oder stark eingeschränkt. In den USA wurden in den letzten Jahren mehrfach hohe Schadenersatzsummen an Krebspatienten vergeben, die Roundup verwendet hatten.








