Fast die Hälfte der weltweiten Landflächen sind Graslandschaften. Sie dienen Wildtieren als Lebensraum und Vieh als Weidegebiete. Doch ihre Bodenqualität schwindet, warnt ein UN-Bericht.
UN: Graslandschaften in Not
Die natürlichen Graslandschaften – die mehr als die Hälfte der globalen Landfläche ausmachen – befinden sich größtenteils in einem schlechten Zustand. Fachleute schreiben in einem UN-Bericht, der veröffentlicht wurde, dass bis zu 50 Prozent dieser als Rangelands bezeichneten Gebiete eine verminderte Bodenqualität aufweisen.
Es handle sich um «eine ernsthafte Bedrohung für die Nahrungsmittelversorgung der Menschheit und das Wohlergehen oder gar Überleben von Milliarden von Menschen», teilte das Sekretariat des Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Desertifikation (UNCCD) in Bonn mit.
«Wenn wir einen Wald abholzen, wenn wir einen 100 Jahre alten Baum umfallen sehen, löst das bei vielen von uns zu Recht eine emotionale Reaktion aus. Die Umwandlung uralter Weideflächen hingegen geschieht in aller Stille», sagte UNCCD-Exekutivsekretär Ibrahim Thiaw.
Ein Großteil der Erde besteht aus Rangelands
Die Bezeichnung “Rangelands” bezieht sich auf verschiedene Landschaften, die von Wildtieren und Vieh beweidet werden und hauptsächlich eine natürliche Vegetation aufweisen. Dazu zählen unter anderem Prärien, Steppen, Savannen, Buschland, Wüsten und Tundren. Wälder und stark bewirtschaftete landwirtschaftliche Flächen fallen jedoch nicht darunter.
Insgesamt machen Rangelands laut UN-Bericht rund 54 Prozent der Landfläche auf der Erde aus. «Sie stehen für ein Sechstel der weltweiten Nahrungsmittelproduktion und stellen fast ein Drittel des Kohlenstoffspeichers der Erde dar», schreibt die UNCCD. Insgesamt seien rund zwei Milliarden Menschen auf diese Gebiete angewiesen. 84 Prozent der Rangelands werden demnach für Viehzucht genutzt.
Laut dem Bericht gehören zu den Problemen unter anderem eine geringe Fruchtbarkeit der Böden, wenig Nährstoffe, Erosion, Versalzung und Verdichtung des Bodens. «Alle diese Faktoren tragen zu Trockenheit, Niederschlagsschwankungen und dem Verlust der biologischen Vielfalt über und unter der Erde bei.»
Negative Auswirkungen durch neues Ackerland
Die UNCCD nennt hauptsächlich Änderungen in der Landnutzung als Hauptgründe für die schlechte Situation. Weiden werden in Ackerland umgewandelt, angetrieben von der steigenden Nachfrage nach Nahrungsmitteln, Textilfasern und Biosprit. Es wird auch als problematisch angesehen, wenn Weiden übermäßig von Tierherden genutzt werden oder nicht mehr von Hirten gepflegt werden und verwildern. Die Klimakrise und der Verlust der biologischen Vielfalt belasten auch Weidelandschaften, so die UNCCD.
In vielen westafrikanischen Ländern sind etwa 80 Prozent der Bevölkerung in der Viehzucht tätig. In Zentralasien und der Mongolei werden 60 Prozent der Landfläche als Weideland genutzt, und fast ein Drittel der Bevölkerung lebt dort von der Viehzucht. Große Weideflächen gibt es auch in Nord- und Südamerika, in weiten Teilen Afrikas und in Australien.
In den Vereinigten Staaten wurden jedoch große Teile der Weideflächen in Ackerland umgewandelt, während einige kanadische Weideflächen durch umfangreiche Bergbau- und Infrastrukturprojekte beeinträchtigt wurden. In Europa haben viele Weideflächen Urbanisierung, Aufforstung und die Produktion erneuerbarer Energien Platz gemacht, so der Bericht.
Und in Deutschland?
Laut einer Karte im Bericht gibt es in Deutschland nach der UNCCD-Definition keine Rangelands. Anja Schmitz, Grünlandexpertin beim Bundesamt für Naturschutz (BfN), bestätigte, dass es hierzulande Grasland gibt. Dies macht etwa ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche aus. Allerdings ist das hiesige Grasland bis auf wenige Ausnahmen nicht natürlich, sondern durch landwirtschaftliche Nutzung entstanden, erklärte Schmitz. Im Gegensatz zu den Rangelands wird das Grünland in Deutschland durch Bewirtschaftung geformt, gedüngt, gepflegt und oft werden gezielt Gräser ausgesät. Wiesen werden mehrmals im Jahr gemäht und Nutztiere weiden auf eingezäunten Flächen.
“Dennoch gibt es auch in Deutschland eine naturnahe Weidewirtschaft”, sagte Schmitz. “Man denke beispielsweise an Almen in den Bergen oder wandernde Schäfer, die mit ihren Tieren zur Erhaltung bedeutender Grünlandbiotope in der Kulturlandschaft beitragen. Wo Tiere weiden, ist die Artenvielfalt in der Regel größer als auf oft gemähten Wiesen”, sagte Schmitz.
Die UNCCD-Experten empfehlen unter anderem, den sogenannten Pastoralismus besser zu schützen. Darunter versteht man eine Jahrtausende alte Art zu leben, bei der teils umherziehende Hirten unter anderem Schafe, Ziege, Rinder, Pferde, Kamele, Yaks und Lamas halten. «Obwohl ihnen weltweit schätzungsweise eine halbe Milliarde Menschen angehören, werden Naturweidewirtschaft betreibende Gemeinschaften häufig übersehen, haben kein Mitspracherecht bei sie betreffenden politischen Entscheidungen, werden an den Rand gedrängt und sogar oft als Außenseiter in ihrem eigenen Land betrachtet», sagte Thiaw.