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UN: Wir müssen an der Wurzel von Problemen ansetzen

Plastik, Ressourcen, Natur: Ein UN-Bericht fordert dazu auf, die Welt neu zu denken. Echter Wandel beginne an den Wurzeln. Mit neuen Werten, langfristigerem Denken und mehr Gerechtigkeit.

Angesichts von Klimawandel, Artensterben und Umweltproblemen weist ein Bericht der Vereinten Nationen auf Möglichkeiten der Veränderung sowie tiefe Ursachen von globalen Problemen hin.
Foto: Stefan Sauer/dpa-Zentralbild/dpa

Der Kampf gegen Probleme wie Klimawandel, Artensterben und Umweltverschmutzung sollte einem Bericht der Vereinten Nationen zufolge stärker an der Wurzel des Übels ansetzen. Bisher seien viele Lösungsansätze zu oberflächlich, teilte die Universität der Vereinten Nationen (UNU) in Bonn zum Report «Interconnected Disaster Risks» mit. Ohne ein Umdenken bei den Werten und Denkweisen, die dem aktuellen System zugrunde liegen, werde sich dieses nicht ändern. 

Zum Beispiel könne die Menschheit sich nicht durch Recycling allein aus der Plastikkrise befreien – ohne zu hinterfragen, ob überhaupt so viel Plastikmüll entstehen muss. «Die Gesellschaft steht an einem Scheideweg», sagte Shen Xiaomeng, Direktor des Instituts für Umwelt und Menschliche Sicherheit der UNU. «Seit Jahren warnen uns Wissenschaftler vor dem Schaden, den wir unserem Planeten zufügen, und wie wir ihn aufhalten können. Aber wir ergreifen keine sinnvollen Maßnahmen.»

Eine Ursache sehen die Experten darin, dass Probleme nicht in der nötigen Tiefe angegangen werden. «Wir beschränken uns selbst, wenn wir uns nur darauf konzentrieren, das Schlimmste zu verhindern, anstatt das Beste anzustreben», sagte Zita Sebesvari, eine der Hauptautorinnen. Echter Wandel, so betont der Bericht, beginnt an der Wurzel.

Es werden fünf zentrale Bereiche für Veränderungen benannt.

Abfall neu denken – Vom Müll zum Schatz

Laut dem UN-Bericht entstehen pro Jahr zwei Milliarden Tonnen Haushaltsabfälle, was ausreicht, um eine Reihe von Schiffscontainern zu füllen, die 25 Mal um den Äquator reichen würden. Ein Grund dafür ist, dass Rohstoffe gewonnen, zu Produkten verarbeitet, verwendet und weggeworfen werden: Endstation Müll.

Beispiel Lithium: Es wird in Batterien für wiederaufladbare Geräte wie Handys verwendet, aber selten wiederverwertet. Die Lithium-Reserven werden geschätzt bis etwa 2050 erschöpft sein. Zugleich werden über 75 Prozent des bis dahin geförderten Lithiums wohl im Müll landen. «Wir erschöpfen die Lithiumreserven und lassen gleichzeitig das bereits verwendete Lithium im Müll verschwinden.»

Die Stadt Kamikatsu in Japan wurde von der UNU als Erfolgsmodell einer Kreislaufwirtschaft bezeichnet. Durch Maßnahmen wie Kompostierung, Upcycling, Kleidertausch und Abfalltrennung liegt die Recyclingrate hier viermal höher als der Durchschnitt in Japan.

Rückbesinnung auf die Natur

Laut dem UN-Bericht betrachten sich viele Menschen nicht als Teil der Natur. Anstatt mit natürlichen Prozessen zu koexistieren, versuchen sie, sie zu kontrollieren. Die Kanalisierung von Flüssen hat die Schiffbarkeit verbessert und Landwirtschaftsflächen geschaffen, jedoch mit der Konsequenz, dass Gebiete entlang des Flusses bei Überschwemmungen verheerende Folgen erleiden können.

Ein gutes Beispiel ist der Kissimmee River im US-Bundesstaat Florida. Die Kanalisierung wird dort rückgängig gemacht. Zuvor verschwundene Natur kehrt zurück, wiederhergestellte Feuchtgebiete speichern Milliarden Liter Wasser.

Gerechtere Verteilung von Ressourcen und Chancen 

Die Verteilung von Ressourcen und Chancen ist unter den rund acht Milliarden Erdbewohnern sehr ungleich. Die reichsten Nationen und Einzelpersonen tragen übermäßig zur Treibhausgas-Emission bei, während die Ärmsten die Hauptlast klimabedingter Katastrophen tragen, wie die UN-Experten betonen.

Ein Beispiel für diese Praxis: Wohlhabendere Länder kompensieren ihren CO2-Fußabdruck durch günstige Baumpflanzungen in anderen Teilen der Welt, anstatt ehrgeizigere Klimaziele im eigenen Land zu verfolgen. Hier spricht man von Kohlenstoff-Kolonialismus.

An morgen denken

Durch die Neigung zu kurzfristigem Denken und Handeln werden Folgen und Verantwortung auf künftige Generationen geschoben. «Dabei bestimmen die heute lebenden Menschen die Lebensbedingungen für die Billionen von Menschen, die noch geboren werden», so die Autoren. 

Beispiel Atommüll: Die Kernenergie erzeugt radioaktive Abfälle, die eine Lebensdauer von über 100.000 Jahren haben. Bisher gibt es keine Lösung für die langfristige Lagerung. Dies müssen zukünftige Generationen klären.

Wohlbefinden ist wertvoll – Planetarische Gesundheit statt wirtschaftlichem Reichtum

Der Bericht zeigt, dass globaler Reichtum nicht automatisch globales Wohlbefinden bedeutet. Es gibt ein Ungleichgewicht der Werte. Wälder sind wichtig für die Vielfalt von Tieren und Pflanzen sowie für die menschliche Gesundheit und das Wohlbefinden. Oftmals wird jedoch der wirtschaftliche Wert gerodeter Flächen höher eingeschätzt als der intakter Wälder.

In Kanada, Neuseeland und Japan gibt es Natur inzwischen schon auf Rezept: Ärzte stellen «Green Prescriptions» aus und verordnen gesundheitsfördernde Zeit in der Natur. 

Der Bericht erwähnt auch andere Modelle wie den Bruttonationalglücksindex von Bhutan, der das Wohlbefinden und das ökologische Gleichgewicht über das Wirtschaftswachstum stellt.

dpa