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Unabhängigkeit und Wachstum: Esa will in Bremen Rekord-Etat

Vom Navi bis zur Wettervorhersage: Raumfahrt prägt den Alltag. Auch unsere Sicherheit hängt von Daten aus dem All ab. In Bremen wird nun über die Zukunft von Europas Raumfahrt verhandelt.

Die Esa will Europas Raumfahrt unabhängiger machen. (Archivbild)
Foto: S. Corvaja/ESA/dpa

Europas Raumfahrt muss aufholen – das ist die Ansicht des Chefs der europäischen Raumfahrtbehörde Esa, Josef Aschbacher. Die Aufholjagd soll auch durch eine deutliche Erhöhung der Finanzmittel gewonnen werden, um unabhängiger zu werden und zu verhindern, dass Teile der Weltraumbranche aus Europa abwandern.

Bei der Esa-Ministerratstagung in Bremen am 26. und 27. November treffen sich die Ministerinnen und Minister der Esa-Länder, um das Drei-Jahres-Budget für Europas Raumfahrtagentur zu beschließen.

Warum wird in Bremen verhandelt?

Deutschland hat offiziell den Esa-Ratsvorsitz von Frankreich übernommen und wird das Treffen der 23 Mitgliedsstaaten ausrichten. Bremen wurde als Veranstaltungsort gewählt, da es neben Bayern und Baden-Württemberg einer der bedeutendsten Raumfahrstandorte in Deutschland ist.

In Bremen sind etwa 140 Unternehmen in der Luft- und Raumfahrtbranche tätig, darunter Airbus, ArianeGroup und OHB. Sie erzielen jährlich einen Umsatz von vier Milliarden Euro – unter anderem mit Satelliten für das europäische Navigationssystem Galileo, der Oberstufe der Ariane 6 Rakete und dem Europäischen Servicemodul (ESM) für das Orion-Raumschiff der Nasa. Zudem ist Bremen ein bedeutender Wissenschaftsstandort mit verschiedenen Instituten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) als Standort.

Wer kommt zur Konferenz nach Bremen?

Es werden Vertreter aus allen 23 Mitgliedsländern zur Konferenz erwartet. Dies beinhaltet Ministerinnen und Minister, Ministerialbeamte, Fachabteilungen und Mitarbeiter der nationalen Raumfahrtagenturen. Die Organisatoren gehen von etwa 500 Teilnehmenden aus.

Um wie viel Geld geht es?

Der Chef der Esa, Aschbacher, hat ein Budget von 22 Milliarden Euro vorgeschlagen. Dies wäre auch inflationsbereinigt immer noch mehr als das derzeitige Drei-Jahres-Budget. Im Jahr 2022 hatten sich die Mitgliedsländer auf etwa 17 Milliarden Euro geeinigt – und das war bereits ein Rekordhoch. Traditionell fällt der Haushalt am Ende etwas geringer aus als vom Esa-Chef vorgeschlagen.

Welche Summe steuert Deutschland bei?

Der genaue Betrag wird während der Konferenz diskutiert. Im Grunde gilt: Wer viel einzahlt, erhält auch viel zurück – sei es in Form von Aufträgen für Unternehmen oder für Forschungszwecke im eigenen Land. Deutschland beteiligte sich bei der letzten Konferenz mit 3,5 Milliarden Euro, diesmal wird es voraussichtlich deutlich mehr sein. Traditionell tragen Deutschland und Frankreich den größten Anteil zum Esa-Budget bei.

Die Länder Bayern, Baden-Württemberg und Bremen fordern sechs Milliarden Euro. «Hier hören wir gute Signale von der Bundesregierung, sehen aber auch, dass zur Erreichung unserer Ziele noch ein Stück fehlt», sagte ein Sprecher des Bremer Wirtschaftsressorts.

Warum will die Esa mehr Geld?

«Wir müssen wirtschaftlich aufholen», meint Esa-Leiter Aschbacher. In Europa seien die Investitionen in die Raumfahrt viel geringer als in den USA. Und von den globalen Investitionen landeten nur 10 Prozent hier, obwohl Europas Raumfahrtwirtschaft global gesehen etwa 20 Prozent ausmache. 

«Wir sind deshalb wirklich im Rückstand. Wir müssen einen Gang zulegen und wir müssen das jetzt tun», sagt Aschbacher. Der Esa-Chef sieht die Raumfahrt nicht nur als Wachstumsbranche. Es geht ihm auch darum, Personal und Firmen in Europa zu halten.

Was hat das mit Unabhängigkeit im All zu tun?

Beim Budget geht es auch um strategische Überlegungen. «Wir haben einige Bereiche, wo wir abhängig sind von anderen Staaten und da müssen wir mehr Autonomie und Unabhängigkeit schaffen», betont Aschbacher. Dafür brauche es auch mehr Investitionen in die eigene Technologie.

Der Leiter der Esa betrachtet die geopolitische Situation als einen entscheidenden Faktor für die Budgetverhandlungen. In den letzten Jahren hat der Druck auf die Esa zugenommen, autonomer zu werden. Aufgrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine konnte Europa die russischen Sojus-Raketen nicht mehr einsetzen. Aufgrund weiterer Probleme mit Raketen mussten vorübergehend Missionen mit dem US-Unternehmen SpaceX von Elon Musk ins All geschickt werden.

Europa verlässt sich für ein Ticket zum Mond auf die USA. Einen eigenen Zugang zum All für die bemannte Raumfahrt gibt es ohnehin nicht. Die Nasa ist eigentlich ein sehr enger Partner der Esa, aber mit US-Präsident Donald Trump scheint die Verlässlichkeit getroffener Abmachungen und das Interesse an gemeinsamem Vorgehen infrage gestellt zu sein, daher ist die Dringlichkeit noch größer, eigenständiger zu werden. Autonomie in der Raumfahrt ist auch für die Sicherheit in Europa von Bedeutung.

Welche Vorhaben sollen finanziert werden und was nützt das?

Es wird diskutiert, wie die Esa ihre strategische Ausrichtung für die Zukunft gestalten möchte. Neben Wettbewerbsfähigkeit und einer stärkeren Autonomie stehen auch traditionelle Ziele wie der Schutz des Planeten und die Erforschung des Alls im Fokus.

Im Allgemeinen arbeitet die Esa an vielen Projekten im Weltraum, von Wettersatelliten über Wissenschaftsprojekte zur Erforschung der Geheimnisse des Alls bis hin zu bemannten Missionen auf der Internationalen Raumstation ISS. Auf der Erde profitieren wir von der Raumfahrt, zum Beispiel durch verbesserten Katastrophenschutz oder präzisere Navigation.

Was erhofft sich Bremen von der Konferenz?

Bremens Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt hofft, dass die Mitgliedsländer Einigkeit demonstrieren. «Ich erwarte von der Esa-Ministerratskonferenz in erster Linie kluge, strategische Entscheidungen, die den Nutzen der Raumfahrt für die Menschen weiter erhöhen», sagte die Linken-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur dpa. «Ohne Raumfahrtindustrie geht heutzutage gar nichts mehr.» 

Es wäre für Bremen als Raumfahrtstandort entscheidend, in die Zukunft der Träger wie Ariane 6, in Satelliten zur Erdbeobachtung und zum Klimaschutz sowie in das Artemis-Programm – also in die bemannte Raumfahrt zum Mond – zu investieren.

dpa