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25 Jahre ISS: Ein Vierteljahrhundert im All

Die Internationale Raumstation feiert ihr Jubiläum, während die Zukunft des milliardenschweren Projekts ungewiss ist.

Die Crew, die als erste die Internationale Raumstation ISS bewohnte: US-Astronaut Bill Shepherd (l-r) und die russischen Kosmonauten Juri Gidsenko und Sergej Krikaljow, heben die Daumen vor ihrer Sojus-Rakete. (Archivbild)
Foto: REUTERS POOL/epa/dpa

Schon der Start machte die ersten Unterschiede deutlich. «Sehr neblig» sei es am Freitag (31. Oktober) vor genau 25 Jahren am Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan gewesen, erinnerte sich William Shepherd später. «Es war ein Tag, an dem die Nasa nicht in den Weltraum gestartet wäre.» Die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos entschied anders – und der damalige Astronaut der US-Raumfahrtbehörde Nasa, Shepherd, sowie seine zwei russischen Kosmonauten-Kollegen Juri Gidsenko und Sergej Krikaljow machten sich an Bord einer Sojus-Kapsel auf den Weg, um die erste Besatzung in der Geschichte der Internationalen Raumstation ISS zu werden. Mehr als vier Monate blieben sie auf der ISS.

Seit ihrer sicheren Ankunft nach zwei Tagen am 2. November ist die ISS im All bis heute ein Vierteljahrhundert lang kontinuierlich besetzt – derzeit läuft seit April Expedition 73 mit einer siebenköpfigen Astronauten-Crew bestehend aus drei Russen, zwei Amerikanern und einer Amerikanerin sowie einem Japaner. Ob und wie das Jubiläum im All gefeiert wird, dazu gibt es von der Nasa keine Informationen – denn die US-Regierung steckt derzeit im Shutdown. «Die Nasa ist derzeit aufgrund eines Ablaufs der Regierungsfinanzierung geschlossen», heißt es auf alle Anfragen. Und auch von russischer Seite ist nichts bekannt zu einer möglichen Feier.

Es ist jedoch klar, dass die Russen damals erfahrene Kosmonauten einsetzten. Krikaljow, der heute 67 Jahre alt ist und über 800 Tage im All verbracht hat, hatte bereits auf der Vorgängerstation Mir gearbeitet, die von der Sowjetunion erbaut wurde. Er war nicht nur am Bau der ISS in 400 Kilometern Höhe über der Erde beteiligt. Er öffnete auch als Erster die Luke und betrat die ISS. Auch Gidsenko hatte bereits mehrere Flüge absolviert.

Am Anfang erstmal Chaos

Dass heutige Bewohner auf dem Außenposten der Menschheit relativ komfortabel leben und forschen können, dafür legten die drei erprobten Raumfahrer einst den Grundstein. «Unser hauptsächlicher Job am ersten Tag war es, ein Kabel, eine Kamera, Lichter und einige andere Teile zusammenzubauen, damit wir live zur Erde schalten konnten», erinnert sich Shepherd. Das habe mehrere Stunden und viele Nerven gekostet – «denn keines der Teile war an der Stelle, wo wir es zu finden erwartet hatten».

Heute ist die ISS über der Erde etwa so groß wie ein Fußballfeld, 450 Tonnen schwer und technisch vielfältig ausgerüstet. Damals aber, als Shepherd, Gidsenko und Krikaljow ankamen, bestand die ISS noch aus etwa drei kleinen und überhitzten Räumen. «Wir haben das Licht angemacht. Wir haben warmes Wasser organisiert. Wir haben die Toilette aktiviert», erinnert sich Gidsenko, der heute 63 ist. Sein Kollege Shepherd habe dann gesagt: «Was brauchen wir denn noch? Wir haben Wasser. Wir haben Licht. Wir haben eine Toilette. Alles, das Leben hat angefangen. Wir haben verstanden: Wir sind bei uns zu Hause angekommen.» Zuvor hatten Gidsenko und Krikaljow monatelang an ihrem Englisch und Shepherd an seinem Russisch gearbeitet, um sich auch in einem derart komplexen Umfeld verständigen zu können. 

Russisch-amerikanische Zusammenarbeit im All – bis heute

Trotzdem habe es immer wieder Herausforderungen bei der Zusammenarbeit gegeben. «Hin und wieder bekamen wir unterschiedliche Anweisungen – Dinge, die Houston gesagt hat, und die das Kontrollzentrum in Moskau später wieder geändert hat», erinnert sich Shepherd. Eines Tages habe er dann Moskau und Houston deutlich gemacht: «Schaut, wir sind die Internationale Raumstation, ihr müsst gemeinsam einen Plan erstellen und ihn uns dann geben.» 

Einige Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs galt die enge Zusammenarbeit zwischen den USA und Russland als große Errungenschaft. Heute ist die ISS eines der wenigen gemeinsamen Projekte, da der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine zu politischen Spannungen zwischen beiden Ländern geführt hat. Roskosmos kämpft vor allem mit den Sanktionen des Westens, die den technischen Fortschritt im All bremsen. Sowohl die Nasa als auch Roskosmos betonen jedoch immer wieder, dass die Zusammenarbeit im All funktioniert und – zumindest vorerst – fortgesetzt werden soll.

Ende der ISS in Sicht

Jedoch neigt sich das milliardenschwere Projekt bereits dem Ende zu, auch wenn der genaue Zeitpunkt noch nicht feststeht. Derzeit wird gegen Ende des Jahrzehnts davon gesprochen. Sowohl die USA als auch Russland planen eigene Raumstationen, während China bereits eine im All hat.

Nach Einschätzung von Europas früherem Raumfahrtchef Jan Wörner wird die ISS wohl kontrolliert zum Absturz gebracht, wie die Raumstation Mir, die 2001 teilweise verglühte, der Rest stürzte in den Pazifik. «Mein Traum wäre allerdings, wenn es Unternehmen gäbe, die Recycling im All realisieren würden», sagte Wörner der Deutschen Presse-Agentur. Einige Module seien durchaus noch nutzbar – etwa das europäische Columbus-Modul oder das japanische Kibo-Labor.

Nochmal ein Deutscher auf die ISS?

Wörner äußerte die Hoffnung, dass bis dahin noch europäische Astronauten auf der ISS zum Einsatz kommen – möglicherweise auch erneut jemand aus Deutschland. Zuletzt waren von 2021 bis 2022 der deutsche Astronaut Matthias Maurer und 2014 sowie 2018 sein Kollege Alexander Gerst an Bord der ISS. Gerst nannte die ISS einmal «die komplexeste, wertvollste und unwahrscheinlichste Maschine, die die Menschheit jemals gebaut hat».

Mit Blick auf aktuelle geopolitische Entwicklungen warnte der frühere Esa-Generaldirektor vor einer zunehmenden Militarisierung der Raumfahrt. «Das ist so», sagte Wörner auf die Frage, ob eine neue, militärisch geprägte Phase beginne. «Persönlich finde ich es schade, wenn wir über die Aufklärung hinaus im All aktiv werden», betonte Wörner. «Wir brauchen keinen Krieg, weder auf der Erde noch im Weltraum, aber die Menschheit ist offensichtlich noch nicht erwachsen geworden, um die wirkliche Herausforderung, nämlich die nachhaltige Entwicklung der Erde in Zeiten des Klimawandels, zu erkennen.» Wettrüsten möge als Drohgebärde wirksam sein, sagte Wörner. «Überzeugend ist es trotzdem nicht.»

dpa