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Deutsche Unis reagieren auf Trumps Politik in den USA

Deutsche Forschungseinrichtungen suchen verstärkt Kooperationen mit US-Forschern, um Wissenschaft zu stärken und Talente zu gewinnen.

Der DAAD rechnet damit, dass das Interesse am Forschungsstandort Deutschland steigt (Symbolbild).
Foto: Friso Gentsch/dpa

An vielen Universitäten und Forschungseinrichtungen in den Vereinigten Staaten führt die Politik von US-Präsident Donald Trump zu erheblichen Einschnitten: Es werden Stellen gestrichen, Fördergelder gekürzt und Mitarbeiter entlassen. Dies gefährdet nicht nur das stärkste und beste Wissenschaftssystem der Welt, sondern bedroht auch die Wissenschaft und das Wohlergehen weltweit, erklärte kürzlich der Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung, Robert Schlögl.

In Anbetracht des massiven Angriffs auf die Wissenschaft möchten Forschungseinrichtungen und Universitäten in Deutschland daher verstärkt mit US-Forschern kooperieren. Die meisten wollen nicht gezielt Talente nach Deutschland locken, setzen jedoch durchaus andere Mittel ein.

MPG will Optionen in Deutschland ermöglichen

Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) plant, das Transatlantik-Programm durch zusätzliche private Mittel zu unterstützen. Dies soll Wissenschaftlern, die ihre Forschung in den USA nicht fortsetzen können, Möglichkeiten in Deutschland eröffnen. Die USA sind bisher der wichtigste Motor für die Wissenschaft und das wichtigste Partnerland der MPG – jede vierte Publikation in der MPG entsteht in Zusammenarbeit mit Forschenden in den USA.

Auf die jüngste Ausschreibung für die Leitung von Forschungsgruppen hat die MPG doppelt so viele Bewerbungen aus den USA erhalten wie im Vorjahr, wie MPG-Präsident Patrick Cramer in einem «Spiegel»-Interview sagte. 

Gezielte Abwerbung würde US-Wissenschaft schwächen

Der Pressesprecher der Leibniz-Gemeinschaft, Tim Urban, teilte auf Anfrage mit: «Eine gezielte Abwerbung von amerikanischen Kolleginnen und Kollegen birgt das Risiko, die amerikanische Wissenschaft nur noch mehr zu schwächen und wird deshalb von uns nicht betrieben.» Wichtig sei jetzt, Kooperationen zu verstärken und dadurch die amerikanischen Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen. 

Es ist auch möglich, kurzfristig zu handeln. Abhängig von der Entwicklung der Situation könnten kurzfristige Finanzierungen, beispielsweise für begrenzte Forschungsaufenthalte in Deutschland, nützlich sein. Dies betrifft insbesondere Forscher aus den Bereichen Klima, Ungleichheit und den Lebenswissenschaften, die in den USA keine akzeptablen Arbeitsbedingungen mehr vorfinden.

Größere Abwanderung von Wissenschaftlern gab es immer wieder 

Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) vermutet, dass die Situation in den USA zukünftig zu einer globalen Verschiebung führen könnte. «Top-Talente aus Ländern wie Indien, China oder Brasilien, die früher vor allem in die USA gegangen wären, überlegen nun, ob andere Länder, beispielsweise in Europa, eine bessere Option sein könnten», sagte DAAD-Sprecherin Cordula Luckassen.

Einen sogenannten «Brain Drain», also die Abwanderung von hochqualifizierten Wissenschaftlern, hat es in der Geschichte immer wieder gegeben. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 zum Beispiel emigrierten zahlreiche jüdische und regimekritische Wissenschaftler aus Deutschland. Zuletzt führte auch der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine dazu, dass hunderte russische Wissenschaftler ihr Land verließen. 

Interesse an Deutschland wächst

Luckassen berichtet, dass in den DAAD-Büros in den USA ein zunehmendes Interesse internationaler Promovierender und Postdocs am Wissenschaftsstandort Deutschland besteht. Viele von ihnen arbeiten und forschen in den USA mit befristeten Visa und auf befristeten, oft aus föderalen Mitteln finanzierten Stellen.

US-Wissenschaftler wenden sich direkt an Uni

An deutschen Universitäten sind die aktuellen Entwicklungen in den USA bereits teilweise spürbar. „Wir stellen fest, dass das Interesse der amerikanischen Partner an enger Kooperation sehr groß und sehr explizit ist“, sagte eine Sprecherin der Universität Leipzig. Die Humboldt-Universität in Berlin hat laut Pressestelle in den letzten Wochen vereinzelt direkte Anfragen von US-Wissenschaftlern erhalten. Auch die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen verzeichnet laut einem Sprecher ein zunehmendes Interesse aus den USA.

Die Unis sehen das als Chance. «Wenn sich aus der Situation in den USA Gelegenheiten ergeben, das Profil der Goethe-Universität durch passende Besetzungen zu stärken, werden wir diese selbstverständlich nutzen», teilte die Pressestelle der Frankfurter Universität mit. Ein aktives Anwerben sei im Rahmen der Regeln für Berufungsverfahren allerdings nur bedingt möglich.

Deutsche Wissenschaftler fordern spezielles Förderprogramm

Führende deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten Anfang April in einem Gastbeitrag im «Spiegel» dazu aufgerufen, sich die Entwicklungen in den USA zu nutzen zu machen und gezielt um Forscherinnen und Forscher aus den USA zu werben. 

Sie forderten die Entwicklung eines sogenannten «Meitner-Einstein-Programms», das gezielt die Berufung von herausragenden Forscherinnen und Forschern aus den USA an deutsche Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen fördern solle. Unter dem Dach der Deutschen Forschungsgemeinschaft und finanziert vom Bundesforschungsministerium könne rasch eine größere Zahl von Professuren, zum Beispiel 100, geschaffen werden, schreiben die Autoren. Angesprochen werden sollen Wissenschaftler, deren Arbeit in den USA nicht oder nur eingeschränkt fortgeführt werden kann.

Der Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung, Robert Schlögl, erklärte in einer Mitteilung, dass er unabhängig von dieser Forderung bereit sei, mit entsprechender finanzieller Unterstützung mehr Spitzenforscher aus den USA zu fördern und ihnen vorübergehend Unterkunft und Arbeitsmöglichkeiten zu bieten.

dpa