Mobiles Menü schließen
Startseite Schlagzeilen

Vegetarische Ernährung für Kinder: Risiken und Vorteile

Eine ausgewogene Ernährung mit pflanzlichen Lebensmitteln ist empfehlenswert. Doch bei Kindern kann ein Mangel an wichtigen Nährstoffen auftreten, daher ist eine gezielte Ernährung wichtig.

Für Kinder muss vegetarische Ernährung besonders gut gemacht sein, sagen Fachleute.
Foto: Hendrik Schmidt/dpa

Statt Leberwurst wird Linsenaufstrich auf dem Schulbrot verwendet, Karotten anstelle von Knackwürstchen in der Kita-Proviantbox und zu Hause steht Sojabratling statt Schweineschnitzel auf dem Teller. Immer mehr Menschen entscheiden sich dafür, ohne Fleisch, Fleischprodukte und Fisch zu leben – aber ist eine rein vegetarische Ernährung auch für die Kleinen in der Wachstumsphase gut und richtig? Einige sagen Ja, andere sagen Jein. Es gibt Risiken und Vorteile.

Veggie für Kinder muss gut gemacht sein 

«Man kann nicht pauschal sagen, dass vegetarische Ernährung immer gut ist, sondern es kommt auf die Zusammensetzung an», sagt der Vorsitzende der Stiftung Kindergesundheit, Berthold Koletzko. «Es gibt auch die sogenannten Keks-und-Pudding-Vegetarier, die sich schlecht ernähren, mit vielen veganen Fertigprodukten oder populären Pflanzendrinks mit einer oft leider schlechten Nährstoffzusammensetzung.» 

Unstrittig empfehlenswert sei eine Ernährung reich an pflanzlichen Lebensmitteln. «Das heißt aber nicht, dass sie zwingend frei sein muss von Fleisch und Fisch.» Es gebe auch Studiendaten, die auf Risiken für Nährstoffversorgung und Wachstum bei rein vegetarischer Ernährung hinwiesen. 

«Eine vegetarische Ernährung ist gut möglich im Kindesalter, wenn man es richtig macht», betont der Münchner Stoffwechselexperte. Eine ausreichende Versorgung mit wichtigen Nährstoffen wie Eisen, Zink, Jod, Vitamin B12 oder Omega-3-Fettsäuren könne kritisch werden bei fleisch- und fischfreier Kost. 

Mit einer gut zusammengesetzten Ernährung auch mit Eiern, Milch und Milchprodukten lasse sich aber Abhilfe schaffen. Allerdings: «Die Risiken sind umso größer, je rascher das Kind wächst, also im Säuglingsalter, im frühen Kindesalter und noch einmal beim Wachstumsspurt in der Pubertät.» Koletzki rät, zumindest in diesen Phasen ab und zu ein bisschen Fisch oder Fleisch zu verzehren. 

Er beschreibt, dass eine gute vegetarische Ernährung auch viele Vorteile hat. Zum Beispiel kann die Kalorienzufuhr reduziert werden, was Übergewicht bei Kindern verhindern kann. Der hohe Ballaststoffgehalt wirkt sich positiv auf die Darmgesundheit aus. Diese Vorteile können jedoch auch erzielt werden, wenn man gelegentlich Fisch und hochwertiges Fleisch konsumiert.

In Arztpraxen fällt manchmal Mangel an Eisen und B12 auf 

Der Bonner Kinderarzt Axel Gerschlauer weist bei einer vollwertigen vegetarischen Ernährung auf positive Aspekte hin, die prinzipiell auch für Kinder gelten: «Über ein verringertes Risiko für Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs im späteren Alter würden wir uns auch bei Kindern freuen.» Vor einer veganen Ernährung ganz ohne jegliche tierische Produkte wie Milch und Eier warnt der Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) Nordrhein – ebenso wie die Stiftung – aber ausdrücklich. 

Wenn er Säuglinge oder Kleinkinder in seiner Praxis untersuche, stoße er mitunter auch auf Mangelerscheinungen, für die Fleischverzicht ursächlich sein könnte, berichtet Gerschlauer. «Riskant sind bei dem Verzicht auf Fleisch im Kindesalter – und hier gilt: je jünger, desto riskanter – mögliche Nährstoffmängel. So kann der Mangel an Eisen und B12 zu Blutarmut, Schwäche, neurologischen Schäden und Entwicklungsstörungen führen.» Die meisten fleischlos ernährten Kinder und Jugendlichen, die zum ersten Mal zur Blutabnahme kommen, seien nicht ausreichend mit Eisen und B12 versorgt.

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen 

«Kinder sind keine kleinen Erwachsenen und haben aufgrund des Wachstums und der Entwicklung ihres Gehirns und der anderen Organe deutlich höhere Ansprüche an eine konsequent gute Nährstoffversorgung als Erwachsene, bei denen alles schon fertig ist», erläutert der Kinderarzt. Der «limitierende Faktor» sei aber die aufnehmbare Menge an Nährstoffen. 

«Ein Magen ist bei Kindern ungefähr so groß wie die eigene Faust.» Die Nährstoffe dürften also kein zu großes Volumen haben. Ein Argument hier also pro FIeisch: In fleischhaltigem Brei für die erste Lebensphase sei Eisen in hochkonzentrierter Form enthalten. Und B12 sei ebenso in ausreichenden Mengen auch etwa in Fleisch zu finden. Als Startpunkt für eine vegetarische kindliche Ernährung empfiehlt der BVKJ-Sprecher: «Je älter, desto besser.» 

Unbedenklich – sofern Fleisch gezielt ersetzt wird

Die Bonner Forscherin Ute Alexy hält eine vegetarische Ernährung bei Kindern für «unbedenklich». Allerdings unter einer zentralen Voraussetzung: «Fleisch nicht einfach weglassen, sondern gezielt ersetzen durch Vollkornprodukte oder Hülsenfrüchte wie Linsen, Bohnen, Erbsen.» Sie verweist zugleich darauf, dass die offizielle Ernährungsempfehlung für Kinder bisher noch immer Mischkost sei – also mit Fleisch und Fisch. Derzeit werde unter anderem bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) an lebensmittelbezogenen Empfehlungen für Kinder und Jugendliche gearbeitet, die auch ein «vegetarisches Muster» enthalten sollen, schildert die Ernährungsexpertin, die an den Arbeiten beteiligt ist.

Laut Alexy sollten Kinder Milch trinken – einerseits wegen der Kalziumversorgung für den Knochenbau. Und: Besonders konventionell gehaltene Kühe erhalten in Deutschland Kraftfutter mit Jod-Zusatz, wodurch die Milch auch zur Jodversorgung von Kindern und Jugendlichen beiträgt, erklärt sie. Zwei Studien mit jeweils rund 400 Teilnehmern – einmal bei 1- bis 3-Jährigen, einmal bei 6- bis 18-Jährigen – haben in der Gruppe der vegetarisch Ernährten keine Mängel gezeigt, sagt die Wissenschaftlerin, die an beiden Analysen beteiligt war.

Bei Datenlage und Wissensstand noch viel Luft nach oben 

Auch wenn die beiden Untersuchungen (VeCh-Diet-Studie und VeChi-Youth-Studie) nicht repräsentativ sind, gelten die Ergebnisse als wichtige Hinweise. Die Datenlage zur vegetarischen Ernährung von Kindern ist noch dünn. Es gebe auch keine Zahlen, wie viele Kinder sich vegetarisch ernähren, bedauert die Forscherin. Es sei von 7 bis 8 Prozent der Erwachsenen auszugehen, die sich fleischlos ernähren. «Und man kann davon ausgehen, dass die meisten auch ihre Kinder so ernähren.» 

Gerschlauer zufolge sollten Eltern auch Tipps von Ernährungsberatern einholen. «Bei den erwachsenen Vegetariern ist noch viel Luft nach oben, was das Wissen über eine vollwertige vegetarische Ernährung angeht – vor allem, wenn es um Kinder geht.»

[Vegetarische Ernährung für Kinder: Risiken und Vorteile],[Eine ausgewogene Ernährung mit pflanzlichen Lebensmitteln ist empfehlenswert. Doch bei Kindern kann ein Mangel an wichtigen Nährstoffen auftreten, daher ist eine gezielte Ernährung wichtig.]

 

 

 

dpa