Selbst mit modernen Methoden lassen sich nicht alle Chemikalien in Gewässern nachweisen. Einige sind so giftig für die Lebewesen im Wasser, dass sie schon unterhalb der Nachweisgrenze schaden.
Viele Chemikalien sind unerkannt in Gewässern
Für viele Chemikalien in Gewässern liegen keine oder nur unzureichende Messwerte vor. Das hat ein deutsches Forscherteam für die USA nachgewiesen und berichtet im Fachjournal «Science» darüber. In Teilen ist die Studie nach Angaben des Umweltbundesamtes auch auf Deutschland übertragbar.
Für nur 0,52 Prozent der rund 297.000 potenziell umweltrelevantenChemikalien in der Datenbank der US-Umweltbehörde seien sowohl ausreichende Daten zum Vorkommen in Gewässern als auch zur Wirkung verfügbar, schreibt das fünfköpfige Team der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU). Früher habe es einen Mangel an Daten zur Giftigkeit gegeben, heute fehle es eher an Monitoring-Daten. «Die stetig zunehmende Geschwindigkeit, mit der neue Chemikalien in die Umwelt gelangen, stellt eine Herausforderung für die Bewertung von Umweltrisiken dar.»
Auch DDT wurde übersehen
«Ohne Überwachung der Vorkommen und Verbreitung der meisten Chemikalien besteht weiterhin die Möglichkeit, dass in manchen Fällen erhebliche Umweltgefahren übersehen werden», heißt es in der Studie. Dies sei historisch gesehen bereits der Fall gewesen, etwa beim Insektizid DDT oder in jüngerer Zeit bei der Chemikaliengruppe PFAS, die in vielen Alltagsprodukten verwendet wird. «Das zeigt, wie die Qualität der behördlichen Gewässerüberwachung Einschätzungen der Risiken von Chemikalien beeinflussen kann», erklärt der Seniorautor der Studie, Ralf Schulz. Die Forscher haben nur die Auswirkung auf Gewässerökosysteme betrachtet, nicht die auf die menschliche Gesundheit.
Das Team schreibt, dass einige Substanzen bereits in Konzentrationen giftig für Gewässerlebewesen sind, die noch nicht nachgewiesen werden können. Besonders betroffen sind die Insektenvernichtungsmittel (Insektizide) und hier vor allem die Pyrethroide. Diese sind sehr giftig für viele Insektenlarven, sowie für Fische und andere Lebewesen im Wasser. Die Forschenden weisen darauf hin, dass viele relevante Pyrethroid-Konzentrationen in den USA im Rahmen der regulären Überwachungsprogramme unentdeckt bleiben.
Auch in Deutschland ist einiges nicht nachweisbar
Auch in Deutschland könnten Stoffe in Gewässern bereits in Konzentrationen schädlich sein, die nicht nachgewiesen werden oder nicht einmal nachgewiesen werden können, sagte ein Sprecher des Umweltbundesamtes. Das gelte auch hier insbesondere für die Pyrethroide.
Es gebe klare Hinweise darauf, dass landwirtschaftlich genutzte Pestizide und Arzneimittel Gewässerökosysteme in Deutschland belasten, sagte der Uba-Sprecher. Auch dies gelte besonders für die Pyrethroide, aber auch für andere Wirkstoffe. «Die gesetzlichen Regelungen und bestehenden Maßnahmen zur Reduktion des Eintrages zum Schutz von Oberflächengewässern reichen daher nicht aus.»
Pyrethroide werden nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch beispielsweise als Kopflausmittel, zum Holzschutz oder gegen Kleidermotten verwendet. Sie sind für Menschen viel weniger giftig als für Insekten.
Laut der Studie gibt es in den USA eine große Anzahl von Chemikalien ohne Monitoring- und Toxizitätsdaten, die bereits in sehr niedrigen Konzentrationen biologisch aktiv sind, darunter Dioxine, hormonell wirksame Stoffe, PFAS und Arzneimittel.
Chemikalienzahl nimmt zu
«Das US-amerikanische Wassermonitoring gilt als das umfassendste Programm zur Erfassung von Wasserqualität über große räumliche und zeitliche Skalen», schreiben die Forschenden. Andere Regionen, wie etwa die EU, verfügten über weniger umfassende oder keine Monitoringprogramme beziehungsweise keine öffentlich zugänglichen Daten. «Heute steht die Überwachung der Oberflächenwasserqualität vor einer doppelten Herausforderung: einerseits der starken Zunahme eingesetzter Chemikalien, andererseits dem Fehlen hochsensitiver analytischer Methoden für hochtoxische Substanzen in regulären Untersuchungen.»
Nur vor kurzem wurde eine Methode in der Schweiz entwickelt, die laut dem Uba-Sprecher ausreichend sensitiv ist, um auch die sehr geringen, aber bereits toxischen Konzentrationen von Pyrethroiden nachzuweisen. Es ist unklar, wann oder in welchem Ausmaß diese oder eine ähnlich leistungsfähige Analytik in der Gewässerüberwachung der Bundesländer implementiert wird, so das Uba. Laut dem Sprecher spielen auch Bewertungslücken im EU-Zulassungssystem für Pflanzenschutzmittel eine wichtige Rolle beim derzeit unzureichenden Schutz von Gewässern.