Die steigenden Temperaturen setzen den Körper unter Stress, besonders bei bestimmten Menschen. Hitze beeinträchtigt nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Produktivität der Volkswirtschaften.
Hitzewelle in Deutschland: Risiken und Auswirkungen auf Gesundheit und Produktivität
Die Hitze beherrscht Deutschland in diesen Tagen fest. Bei fast 40 Grad, wie sie in dieser Woche unter anderem im Westen und Südwesten erwartet werden, ist Vorsicht geboten. Besonders für bestimmte Menschen können die Temperaturen lebensbedrohliche Folgen haben. Mit zunehmender Erderwärmung werden solche Hitzewellen häufiger und intensiver – und die Risiken größer.
Was passiert im Körper bei Hitze?
Hitze bedeutet für den menschlichen Körper Schwerstarbeit. Denn der Organismus ist bemüht, seine Temperatur konstant um die 37 Grad zu halten, denn dann arbeiten die meisten Zellen, Proteine und das Immunsystem optimal. Bei extremen Schwankungen sind solche Prozesse gestört. Steigt die menschliche Körpertemperatur über 42 Grad oder sinkt sie unter 32 Grad, kann das tödlich sein.
Es ist gefährlich, wenn der Körper unter bestimmten Bedingungen mehr Wärme aufnimmt, als er abgeben kann. Die Körpertemperatur gerät außer Kontrolle und steigt rasch an. Diese Grenze ist individuell und hängt vom Lebensalter, Gesundheitszustand, Aktivität und Gewöhnung ab. Bei über 30 Grad haben Mitteleuropäer mehr Stress, sich selbst abzukühlen, als bei niedrigeren Temperaturen.
Wer ist besonders gefährdet?
Das Herz-Kreislauf-System wird bei Hitze stark beansprucht. Menschen mit chronischen Vorerkrankungen in diesem Bereich sollten daher besonders vorsichtig sein. Mit zunehmendem Alter verlangsamt sich die Regulierung der Körpertemperatur und es gibt weniger Schweißdrüsen – die körpereigene Klimaanlage funktioniert also schlechter.
Ältere Menschen verspüren zudem seltener Durst, was das Risiko des Austrocknens erhöht. Laut Malteser-Hilfsdienst können bereits ein bis zwei Prozent zu wenig Wasser im Körper zu Kopfschmerzen, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und Schwindel führen. Auch bei Babys und Kleinkindern besteht das Risiko von Flüssigkeitsmangel und geringerer Schweißproduktion.
Was kann dann passieren?
Wenn die Schwitzkapazität des Körpers an ihre Grenzen stößt, tritt ein Hitzestau auf: Die Körpertemperatur steigt schnell an – oft innerhalb von 10 bis 15 Minuten – auf über 40 Grad oder mehr. Dies führt dazu, dass das Gehirn anschwillt und es zu Kopfschmerzen, Bewusstseinsveränderungen oder Bewusstlosigkeit kommt – ein Fall für den Rettungsdienst.
Ein Hitzekollaps führt zu einem Abfall des Blutdrucks, was zu einer verminderten Gehirndurchblutung führt. Dies kann von einem Schwächegefühl über Übelkeit und Schwindel bis zur Bewusstlosigkeit führen. Es handelt sich auch hierbei um einen Notfall.
Laut Deutscher Gesellschaft für Neurologie (DGN) erhöht Hitze auch das Risiko für neurologische Erkrankungen. Eine im «European Heart Journal» veröffentlichte Studie deutscher Neurologen kommt zu dem Schluss, dass aufgrund zunehmender nächtlicher Hitze das Schlaganfallrisiko signifikant gestiegen ist.
Ist Hitze wirklich tödlich?
Ja. Laut Schätzung des Umweltbundesamts und des Robert Koch-Instituts sind in den Jahren 2023 und 2024 wahrscheinlich jeweils etwa 3.000 Menschen aufgrund von Hitze gestorben – insbesondere Menschen über 75 Jahren mit Vorerkrankungen wie Demenz, Herz-Kreislauf- oder Lungenerkrankungen.
Laut dem Umweltbundesamt steigt die Sterblichkeit weiter an und erreicht nach etwa drei bis vier Tagen gleichbleibend hohes Niveau, wenn es über mehrere Tage hintereinander heiß bleibt und keine nächtliche Abkühlung erfolgt.
Werden die Temperaturen auch während der Nacht nicht unter 20 Grad Celsius, so werden sie als tropische Nächte bezeichnet. Aufgrund der unzureichenden Erholung des Körpers von der Hitze können Schlafstörungen häufig auftreten, die wiederum zu psychischen und geistigen Auswirkungen führen können.
Wie äußert sich das?
Hitze kann zu aggressiverem Verhalten führen, was wiederum zu einer Zunahme von Konflikten führt. Eine Studie aus Japan und Südkorea, die im Yale Journal of Biology and Medicine veröffentlicht wurde, ergab, dass das Risiko von Todesfällen durch Gewalt um 1,4 Prozent pro Grad Anstieg der Umgebungstemperatur steigt.
Laut der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) nimmt die Anzahl der aggressiven Zwischenfälle zu, was zu einer Zunahme der Notaufnahmen in Akutpsychiatrien führt. Es wird sogar berichtet, dass die Anzahl der Suizide steigt.
Sebastian Karl, Arzt am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim und Mitautor eines Positionspapiers der DGPPN, betont: «Viele Leute haben schon am eigenen Leib erlebt, dass sie sich schlechter fühlen, dass sie schlechter schlafen oder dass sie sich schlechter konzentrieren können, wenn es richtig heiß ist: Hitze schlägt auf die Psyche. Wenn die Temperaturen steigen, steigt auch das Risiko für psychische Erkrankungen: pro Grad Celsius um 0,9 Prozent.»
Werden wir nicht nur aggressiver, sondern auch bräsiger?
Ein anschauliches Beispiel dafür, dass das Gehirn bei Hitze beeinträchtigt ist, liefern Forscher aus Deutschland und Dänemark in einer im Fachblatt «iScience» veröffentlichten Studie: Sie analysierten mehr als sieben Millionen Reden von Politikerinnen und Politikern aus acht Ländern und kamen zu dem Schluss, dass die Redner an heißen Tagen weniger komplexe Sprache verwendeten. Zwar könne einfachere Sprache auch positive Auswirkungen für Bürger haben, gleichzeitig sei sie auch ein Indikator für geringere geistige Aktivität, schreiben die Autoren.
Was bedeutet das für die Wirtschaft?
Auch die Wirtschaft leidet unter Hitze: Die OECD hat berechnet, wie sehr die Produktivität durch Hitzewellen beeinträchtigt wird. In einem Sonderbericht kommt sie zu dem Ergebnis: Zehn zusätzliche Tage mit Temperaturen über 35 Grad führen zu einem Rückgang der jährlichen Arbeitsproduktivität um 0,3 Prozent. Dieser Effekt entspricht den Produktivitätsverlusten, die bei einer Erhöhung der Energiepreise um fünf Prozent auftreten würden. Vor allem längere Hitzewellen haben daher enorme Auswirkungen.
Das Umweltbundesamt weist auf Studien hin, die darauf hindeuten, dass es während Zeiten hoher Hitzebelastung in Mitteleuropa zu einer Reduzierung der Produktivität um bis zu 12 Prozent kommen kann, aufgrund von mehr Arbeitsunfällen und verminderter Konzentration sowie damit einhergehenden Fehlern.
Wenn die Raumlufttemperaturen in Arbeitsräumen die Marke von 26 Grad überschreiten, ist der Arbeitgeber gemäß der Arbeitsstättenverordnung dazu verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen – ab 30 Grad wird dies obligatorisch.