Die Lebenserwartung weltweit steigt, doch Rückschritte drohen durch Kürzungen der internationalen Hilfe in einkommensschwachen Regionen.
Lebenserwartung steigt weltweit, Forscher warnen vor Rückschritten
Die weltweite Lebenserwartung ist 2023 wieder auf das Niveau vor der Covid-19-Pandemie zurückgekehrt. Sie liegt bei 76,3 Jahren für Frauen und 71,5 Jahren für Männer. Das geht aus der neuesten Ausgabe der Studienreihe «Global Burden of Disease» (weltweite Krankheitslast) hervor. Seit 1950 ist die Lebenserwartung für Frauen und für Männer demnach um jeweils mehr als 20 Jahre gestiegen.
Während die Sterblichkeitsraten allgemein rückläufig sind, stiegen sie bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Nord- und Südamerika an, hauptsächlich wegen Suizid sowie Drogen- und Alkoholkonsum. Die Studie einer Gruppe um Christopher Murray von der University of Washington in Seattle (US-Staat Washington) ist im Fachjournal «The Lancet» erschienen.
«Das rasante Wachstum der alternden Weltbevölkerung und die sich wandelnden Risikofaktoren haben eine neue Ära globaler Gesundheitsherausforderungen eingeläutet», wird Murray in einer Mitteilung seiner Universität zitiert.
Um Sterblichkeitsraten und andere Zahlen über die Jahrzehnte vergleichbar zu machen, haben die Forscher einige Daten altersstandardisiert, also auf einen Standard-Altersaufbau einer fiktiven Referenzbevölkerung bezogen. Insgesamt wertete das Team weltweit 310.000 Datenquellen aus, von denen rund 30 Prozent erstmals in dieser Studienreihe verwendet wurden. In Modellen wurden auf Basis der Daten Schätzungen für 204 Länder und Territorien vorgenommen.
Häufigste Todesursache Durchblutungsstörungen am Herzen
Weltweit ist die Lebenserwartung bei Frauen von 51,2 Jahren (1950) auf 76,3 Jahre (2023) gestiegen, bei Männern von 47,9 Jahren (1950) auf 71,5 Jahre (2023). Die durchschnittliche Lebenserwartung für beide Geschlechter ist dabei im Jahr 2023 global sehr unterschiedlich, von etwa 83 Jahren in Ländern mit hohem Durchschnittseinkommen bis rund 62 Jahre in afrikanischen Ländern südlich der Sahara. Die Lebenserwartung bezieht sich dabei auf Babys, die im entsprechenden Jahr geboren wurden.
Laut einer im Mai veröffentlichten Prognose auf Basis der Studiendaten werden Männer bis 2050 im Durchschnitt 4,9 Lebensjahre hinzugewinnen, bei Frauen sind es 4,2 Jahre. Der positive Trend wird voraussichtlich weitergehen, wenn auch langsamer.
Im Jahr 2021 war Covid-19 die häufigste Todesursache, aber im Jahr 2023 lag die Erkrankung nur noch auf Platz 20. Wie vor der Pandemie waren ischämische Herzkrankheiten, Schlaganfall und COPD im Jahr 2023 die häufigsten Todesursachen. Dazu gehören auch Lungeninfektionen, Neugeborenenkrankheiten, Alzheimer-Demenz, Lungenkrebs, Diabetes, chronische Nierenkrankheiten und Herzkrankheiten aufgrund von Bluthochdruck.
Risikofaktoren: hoher Blutdruck, Feinstaubbelastung und Rauchen
Die Forscher haben jedoch nicht nur Todesfälle untersucht, sondern auch Jahre mit Behinderungen und gesundheitlichen Einschränkungen. Diese Jahre und die nicht erlebten Jahre aufgrund eines frühen Todes werden als Dalys (disability-adjusted life-years) zusammengefasst. Die Dali-Rate ist von 1990 bis 2023 um 36 Prozent gesunken.
Das Team untersuchte auch 88 Faktoren, die Krankheiten beeinflussen können, da fast die Hälfte der Dalys auf solche Faktoren zurückzuführen waren. Die sieben Risikofaktoren mit dem höchsten Anteil an Gesundheitsverlusten waren 2023 hoher Blutdruck, Feinstaubbelastung, Rauchen, hoher Blutzuckerspiegel, niedriges Geburtsgewicht und kurze Schwangerschaft, hoher Body-Mass-Index und hoher LDL-Cholesterinspiegel.
Lebenserwartung der Frauen in Deutschland auf 83 Jahre gestiegen
In Deutschland hat sich die Lebenserwartung bei der Geburt für Frauen von 78,62 Jahren (1990) auf 83,37 Jahre (2023) erhöht, für Männer von 72,14 Jahren (1990) auf 78,51 Jahre (2023). Die moderne Medizin konnte die Sterblichkeitsrate bei ischämischen Herzerkrankungen von 186 auf 70 altersstandardisiert reduzieren. Hoher Blutdruck, Rauchen und Übergewicht waren im Jahr 2023 in Deutschland die größten Risikofaktoren für Gesundheitsschäden und einen vorzeitigen Tod.
Trotz der positiven Entwicklung in den mehr als 30 Jahren, in denen es die Studienreihe gibt, befürchten die Forscher auch Rückschritte in den kommenden Jahren. «Jahrzehntelange Arbeit, um die Lücke anhaltender gesundheitlicher Ungleichheit in einkommensschwachen Regionen zu schließen, droht sich aufgrund der jüngsten Kürzungen der internationalen Hilfe aufzulösen», sagte Emmanuela Gakidou von der University of Washington. Diese Länder sind auf die globale Gesundheitsfinanzierung für lebensrettende Grundversorgung, Medikamente und Impfstoffe angewiesen.