Mobiles Menü schließen
Startseite Schlagzeilen

WHO warnt vor Impfskepsis und schwindender Entwicklungshilfe

Konflikte und abgelegene Regionen erschweren Impfschutz bei Kindern. Fehl- und Desinformation sowie Mittelkürzungen gefährden weltweite Gesundheit.

Unicef: Impfungen haben in 50 Jahren 150 Millionen Menschenleben gerettet (Archivibild)
Foto: Fabian Sommer/dpa

Impfskepsis und einbrechende Entwicklungshilfe etwa für Impfkampagnen sind nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO eine große Gefahr für die Gesundheit der Weltbevölkerung. «Wir sind extrem besorgt über Fehl- und Desinformation zu Impfungen», sagt Kate O’Brien, Direktorin der WHO-Impfabteilung. Auch die schrumpfenden Hilfsgelder seien «extrem problematisch», sagte O’Brien bei der Vorlage des jährlichen Berichts über die Impfraten weltweit von WHO und dem UN-Kinderhilfswerk Unicef. 

Das größte Hindernis für einen umfassenden Impfschutz bei Kindern sind Konflikte und die Schwierigkeit, Kinder in sehr abgelegenen Regionen zu erreichen. Laut Bericht haben im letzten Jahr 14,3 Millionen Kinder im ersten Lebensjahr keine einzige Impfung erhalten. Im Jahr zuvor waren es 14,4 Millionen.

Im letzten Jahr fehlten bereits Mittel, um arme Länder mit Impfkampagnen zu unterstützen. Die teilweise drastischen Kürzungen der Entwicklungshilfe in diesem Jahr – durch die USA und viele andere Länder – dürften verheerende Auswirkungen haben, befürchten WHO und Unicef.

Impfskepsis bringt Kinder in Gefahr

Auf die Haltung des als Impfskeptiker angesehenen US-Gesundheitsministers Robert Kennedy wollen Expertinnen und Experten nicht direkt eingehen. Sie verweisen aber auf die wichtige Rolle von Politikern sowie religiösen oder anderen Leitfiguren, um das Vertrauen in seit Jahrzehnten überwachte und geprüfte Impfstoffe zu stärken, nicht zu schwächen. «In gut 50 Jahren sind 150 Millionen Menschenleben durch Impfstoffe gerettet worden», sagt Ephrem Lemango von Unicef. Er rief alle Minister auf, deutlich zu machen, dass «Killerkrankheiten» wie Masern durch Impfungen verhindert werden können. 

Das WHO-Regionalbüro Europa und Unicef haben darauf hingewiesen, dass mangelnde Impfungen die Gesundheit von Kindern gefährden und die Ausbreitung von Krankheiten wie Masern und Keuchhusten begünstigen. Die Impfraten gegen solche Krankheiten in der Region mit 53 Ländern bis nach Zentralasien waren bis 2024 leicht rückläufig und blieben unter dem Niveau vor der Corona-Pandemie. Es gibt signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern.

Deutlich mehr Masern-Ausbrüche

Die Abdeckung mit einer zweiten Masern-Impfdosis stieg weltweit leicht auf 76 Prozent. Allerdings sind 30 Millionen Kinder weltweit nicht ausreichend gegen die gefährliche Krankheit geschützt. Laut der WHO müsste die Impfrate in jedem Land bei mindestens 95 Prozent liegen, um Ausbrüche zu verhindern. Im Jahr 2024 gab es 60 Länder mit starken Ausbrüchen, mehr als doppelt so viele wie 2022. In einigen Ländern sind Ausbrüche auf verbreitete Impfskepsis zurückzuführen. Es ist schwer abzuschätzen, wie viele Todesfälle dies verursacht. Schätzungen zufolge gab es 2023 weltweit mehr als 107.000 Todesfälle durch Masern.

«Impfungen retten Leben, und wenn die Abdeckung sinkt, breiten sich Krankheiten aus», erklärte Hans Kluge, WHO-Regionaldirektor Europa. Allein im vergangenen Jahr seien fast 300.000 Menschen in der Europa-Region an Keuchhusten erkrankt sowie mehr als 125.000 an Masern, was einer Verdreifachung beziehungsweise Verdopplung der Werte des Vorjahres entspreche. Er rief die Länder auf, ihre lokalen Gesundheitssysteme zu stärken, die Verfügbarkeit von Impfstoffen überall sicherzustellen sowie Fehlinformationen zu bekämpfen.

Erfolgsgeschichte HPV-Impfung 

Laut der WHO sind die Impfraten weltweit nach dem Bericht 2024 leicht angestiegen. Etwa 85 Prozent der Säuglinge haben drei Dosen der Impfung gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten (DTP – P für Pertussis, also Keuchhusten) erhalten. Insgesamt waren das 109.000 Säuglinge. Im Vorjahr waren es etwas weniger. Die DTP-Impfung dient als wichtiger Indikator für die weltweite Durchimpfung. Die Ständige Impfkommission (Stiko) in Deutschland empfiehlt unter anderem Impfungen gegen Masern, Mumps, Röteln, Tetanus, Windpocken und humane Papillomaviren (HPV).

Laut O’Brien ist die HPV-Impfung, die Gebärmutterhalskrebs verhindert, weltweit eine Erfolgsgeschichte. Der Prozentsatz der jungen Mädchen, die geimpft wurden, stieg weltweit um vier Prozentpunkte auf 31 Prozent. Dieser Erfolg ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass Nigeria und Bangladesch den HPV-Schutz in ihre Routineimpfungen aufgenommen haben. Im Jahr 2019 hatten nur 17 Prozent der Teenager die Impfung erhalten. Das Ziel bis 2030 ist es, 90 Prozent zu erreichen.

dpa