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Wie manche Weltkarten die wahre Größe von Regionen verzerren

Grönland ist auf vielen gängigen Weltkarten etwa so groß wie Afrika – dabei ist der Kontinent etwa 14-mal größer. Auch andere Regionen werden viel zu klein oder zu groß dargestellt. Wie kann das sein?

Der Globus ist die nach wie vor am genausten, wenn es darum geht, die Größenverhältnisse auf der Erde richtig darzustellen. (Archivbild)
Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Beim Betrachten einiger klassischer Weltkarten fällt vielen die enorme Größe Grönlands auf. In manchen Darstellungen erscheint die Insel fast so groß wie der gesamte Kontinent Afrika. Auf einem Globus hingegen fällt auf: Afrika ist um ein Vielfaches größer. Tatsächlich ist die Fläche des Kontinents laut dem Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) fast 14-mal so groß wie die von Grönland. Wie ist das möglich?

Die Weltkarte, die bis heute häufig verwendet wird, basiert auf der Mercator-Projektion. Diese wurde im Jahr 1569 von dem Kartographen Gerardus Mercator für die Seefahrt entwickelt, wie das BKG berichtet. Obwohl bekannt war, dass sie die Größe der Länder nicht korrekt darstellt, sondern verzerrt, erwies sie sich als winkeltreu und von großem Nutzen für die Schifffahrt.

Denn genau diese winkeltreuen geraden Linien halfen dabei, «dass man danach recht einfach navigieren, also den Kurs eines Schiffes bestimmen konnte», erklärt Manfred Weisensee, Präsident der Jade Hochschule und langjähriger (2011-2019) Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kartographie (DGfK). Weisensee zufolge gehört die Mercator-Projektion zu den «Meilensteinen der Wissenschaft».

Mercator-Projektion bietet heute noch Vorteile – doch sie verzerrt

Heute wird laut BKG vor allem in digitalen Kartendiensten verwendet, da sie die Online-Darstellung vereinfacht – Displays sind rechteckig – und so ein konsistentes Zoomen ermöglicht. Zudem können die Karten so schneller geladen und interaktiv genutzt werden. In der Seefahrt wird zwar schon lange auf GPS gesetzt, im Falle einer Störung der Satellitennavigation greift man jedoch auch heute noch auf die Mercator-Projektion zurück, so Weisensee.

Laut Weisensee liegt das Problem dieser Karte jedoch in der Flächenverzerrung: Länder werden bei dieser Projektion umso größer, je weiter sie vom Äquator entfernt liegen. Schließlich wird die dreidimensionale Erde, die eigentlich fast kugelförmig ist, auf eine zweidimensionale, rechteckige Fläche projiziert.

Deshalb nimmt die Fläche mit zunehmender Entfernung vom Äquator immer mehr zu, während äquatornahe Regionen wie Afrika, Südamerika und Südasien viel kleiner dargestellt werden. Dadurch erscheinen große Länder wie Indonesien, Brasilien, Kolumbien, die Demokratische Republik Kongo und Kenia viel kleiner im Vergleich zum Rest der Welt. Auf der anderen Seite erscheinen polnahe Regionen wie Kanada, Russland, Skandinavien sowie insbesondere Grönland und die Antarktis viel zu groß.

Verzerrte Weltkarte verzerrt unser Weltbild

Deshalb hat die Afrikanische Union (AU) im August kritisiert, dass die Mercator-Projektion Afrika nicht korrekt darstellt und somit ein falsches Bild vermittelt. Diese Verzerrung führt zu einer falschen Wahrnehmung von Afrikas Bedeutung und Größe. Laut der AU hat dies Auswirkungen auf den Bildungsbereich, die Medien und die Politik.

«Natürlich sind es insbesondere die Größenverhältnisse von Flächen, Ländern oder Kontinenten, die großen Einfluss auf unser Weltbild haben», erklärt Weisensee. «Denn eine Karte, die zwei Länder mit ähnlicher Fläche in extrem unterschiedlicher Größe darstellt, erzeugt ein falsches Bild und verhindert damit eine zutreffende Einschätzung von Sachverhalten.» Länder würden bei wachsendem Abstand vom Äquator immer mehr in die Breite gezogen. Das erzeuge «eine falsche Vorstellung beispielsweise von Entfernungen».

Ein weiteres Beispiel für die Verzerrung durch die Mercator-Projektion ist laut Weisensee ein Vergleich zwischen Grönland und der Arabischen Halbinsel. Letztere hat de facto eine deutlich größere Fläche als Grönland – 2,7 Millionen im Vergleich zu 2,2 Millionen Quadratkilometer -, erscheint aber dennoch viel kleiner. Dass die Karte weiterhin verwendet werde, habe wohl auch mit den Gewohnheiten der Menschen zu tun.

Alternativen stehen bereit

Alternative Karten seien beispielsweise flächentreuere Abbildungen wie die von Carl Brandan Mollweide aus dem Jahr 1805, die die Erde als Ellipse darstelle, oder aber die Projektionen von Max Eckert-Greifendorff (1906) und Karlheinz Wagner (1949). «Zur Vermittlung eines realistischen Bildes der Welt sollte immer eine flächentreue Abbildung verwendet werden oder zumindest eine vermittelnde Abbildung, die Flächen nur wenig verzerrt», betont Weisensee.

Dennoch werde die Mercator-Projektion häufig an Schulen und weiteren Orten für Zwecke und Aufgaben verwendet, «für die es keine ungeeignetere Projektion, als sie es ist, gibt», beklagt der Kartograph.

Zwar gebe es in Schulen auch Atlanten, die flächentreue Abbildungen zeigen; «jedoch ist gerade der Einfluss digitaler Kartendienste für unsere Sicht auf die Welt so groß geworden, dass hier ein dringender Änderungsbedarf besteht», unterstreicht Weisensee.

Andere Abbildungen bieten neue Perspektiven

«Software-Lösungen, welche die Erde als Globus darstellen – beispielsweise Google Earth im Unterschied zu Google Maps – geben ein realistischeres Bild der Erde wieder.» Auch wenn nicht die gesamte Erde auf einen Blick dargestellt werden könne, so seien Vergleiche von Flächen und von flächenbezogenen Informationen hier wesentlich besser möglich.

Zudem ermögliche diese flexible Form der Darstellung und die Sicht auf einen virtuellen Globus auch ganz andere Einblicke. «So kann nicht nur das Zentrum einer Abbildung frei gewählt werden, um die Welt von einem bestimmten Punkt aus zu betrachten, auch die übliche Ausrichtung von Karten nach Norden kann verändert werden, wodurch neue Perspektiven entstehen.» Die winkeltreue Mercator-Projektion, so der Experte, solle überwunden werden.

dpa