Mobiles Menü schließen
Startseite Schlagzeilen

Neue Desinformationswelle: Mpox statt Corona

Das Raunen in den sozialen Medien wird lauter. Falschbehauptungen über Mpox gewinnen an Fahrt, auch in einschlägigen Kreisen im Netz.

Mehrere Mpox-Ausbrüche in Afrika und eine neue womöglich gefährliche Variante bedrohen die öffentliche Gesundheit weltweit. (Archivbild)
Foto: Moses Sawasawa/AP

Lockdowns, Massenimpfungen und Ausgangssperren? Soll tatsächlich alles wieder von vorn losgehen? Die Rede ist diesmal nicht von Corona, sondern von Mpox. In bestimmten Ecken der sozialen Medien wird jüngst das Raunen wieder größer. Mit bekannten Verschwörungsmustern aus der Covid-19-Pandemie wird nun anhand der früher als Affenpocken bekannten Krankheit ein neues Feld der Desinformation bestellt.

Das Coronavirus ist für viele Menschen in Deutschland mittlerweile aus dem täglichen Leben verschwunden, und Desinformation über Covid-19 wird hauptsächlich in bestimmten Kreisen im Netz ausgetauscht. Allerdings gewannen Falschbehauptungen über Mpox zuletzt an Fahrt, besonders auf Facebook, X, Tiktok, Telegram und Co.

«Dass das Thema Mpox in den Medien war, findet sich auch in rechtsextremen und verschwörungsideologischen Telegram-Kanälen wieder», erklärt Miro Dittrich vom Center für Monitoring, Analyse und Strategie (Cemas), das Radikalisierungstendenzen und Verschwörungserzählungen im Netz untersucht. Dem Cemas-Geschäftsführer zufolge wurden die Stichworte «Affenpocken» oder «Mpox» in den rund 5.000 untersuchten Telegram-Kanälen und -Gruppen Mitte August wieder besonders häufig erwähnt.

Rolle der WHO aufgebauscht

Da hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unter anderem wegen der zunehmenden Verbreitung einer bestimmten Mpox-Virusvariante (Klade Ib) in Afrika eine «gesundheitliche Notlage internationaler Reichweite» erklärt. Sie will damit unter anderem Behörden in aller Welt zu erhöhter Wachsamkeit bringen.

Schnell verbreitet sich im Netz die Behauptung, die WHO habe im gleichen Atemzug angeordnet, dass sich die Regierungen auf erneute Mega-Lockdowns vorbereiten sollten. Das hat sie nicht. Ohnehin ist eine solche Direktive völlig aus der Luft gegriffen: Die internationale Organisation ist dazu weder berechtigt noch in der Lage. «Nur die Länder selbst haben die Souveränität, Entscheidungen und Maßnahmen für die Gesundheit ihrer Bevölkerung zu treffen», erklärt WHO-Sprecher Tarik Jasarevic der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Das Narrativ einer übertriebenen WHO-Macht hat schon in der Corona-Zeit bei nicht wenigen Menschen verfangen – und war damals genauso falsch wie heute. «Potenzielle Grundrechtseingriffe wären allein die Folge eines souveränen staatlichen Handelns», erklären Experten bei den wissenschaftlichen Diensten des Bundestages bereits im Jahr 2023.

Corona, Mpox, Desinformation

Es zeigt sich: Falschbehauptungen aus der Pandemie werden gern eins zu eins auf Mpox übertragen. «Mit dem Thema Corona können Verschwörungsideologen zwar immer noch Leute erreichen, aber das Interesse daran ist schon sehr auf eine spezielle Gruppe gesunken», erklärt Cemas-Experte Dittrich. Es gebe eben keine staatlichen Maßnahmen mehr, gegen die man mobilisieren könne.

«Wenn jetzt eine neue Krankheit auftaucht und es dafür eine Impfung gibt, dann wird das natürlich unter die gleiche Erzählung gefasst», so der Rechtsextremismus-Forscher. «Dabei ist es den Verschwörungsideologen vollkommen egal, wie gefährlich Mpox ist, wie die Übertragung funktioniert oder welche Art von Impfung dagegen hilft.»

Es muss betont werden, dass die Krankheiten sich stark voneinander unterscheiden. Der Übertragungsweg der beiden Viren unterscheidet sich bereits erheblich – und damit auch ihr Ansteckungspotenzial. Sars-Cov-2 wird hauptsächlich über winzige Tröpfchen in der Luft, also die Atemwege übertragen. Bei Mpox hingegen ist Haut-zu-Haut-Kontakt der hauptsächliche Übertragungsweg.

Der Schwerpunkt liegt auf engem Hautkontakt beim Sex oder engem Umarmen, Massieren und Küssen, wie das Robert Koch-Institut (RKI) erklärt. Infizierte mit Ausschlag, Wunden oder Schorf haben ein erhöhtes Ansteckungsrisiko.

Bislang wurde nach Angaben des RKI in Deutschland noch kein einziger Mpox-Fall der Klade I nachgewiesen (Stand 31.8.), die laut vorläufigen Erkenntnissen häufiger schwere Krankheitsverläufe verursacht als die zuvor zirkulierende Virusvariante (Klade IIb). Das RKI hat bisher etwa 3.800 Fälle der Klade IIb bundesweit erfasst, wovon der Großteil (rund 3.700) von Frühsommer bis Herbst 2022 stammt.

«Mpox ist nicht das neue Covid», stellt der WHO-Direktor für Europa, Hans Kluge, direkt Mitte August in Genf klar. Auf die Frage von Journalisten, ob wie bei der Corona-Pandemie Lockdowns bevorstehen, antwortet er mit: «Nein». Die WHO rät auch nicht zum Tragen eines Mundschutzes.

https://x.com/UNGeneva/status/1825905217818312909

Impfstoffe gegen Mpox sind bereits verfügbar. Auch gegen sie wird in sozialen Medien mobil gemacht. «Das Grundproblem ist: Denjenigen, die Impfungen in der Pandemie abgelehnt haben, geht es größtenteils nicht tatsächlich um die konkrete Wirkung einer Impfung an sich», sagt Dittrich. «Eine sehr große Mehrheit dieser Leute glaubt, es gebe gar kein Virus. Oder das Virus sei nicht gefährlich. Oder dass der Staat über Impfungen und Maßnahmen die Menschen kontrollieren wolle.»

Mpox kann alle treffen, nicht nur Schwule

Manche leugnen die Krankheit, andere verharmlosen ihre Risiken. Wieder andere akzeptieren die Diagnose, stigmatisieren aber die Betroffenen. Eine verbreitete Fehlinformation ist, dass Mpox ausschließlich durch sexuellen Kontakt zwischen Männern übertragen wird. Ein ähnliches Stigma gab es bereits vor Jahrzehnten im Zusammenhang mit AIDS/HIV für Schwule und Bisexuelle.

Bei Klade IIb in Deutschland waren bisher hauptsächlich Männer betroffen, die Sex mit Männern haben. Obwohl das Geschlecht grundsätzlich keine Rolle spielt, ist eine Infektion auch beim heterosexuellen Geschlechtsverkehr oder anderem engen Kontakt zwischen Menschen möglich. In Afrika führt dies bei Frauen zu Fehlgeburten, und auch viele Kinder sind insbesondere bei Klade I betroffen.

«Wir sehen in der rechtsextremen Szene sehr stark, dass Homosexualität mit Perversität und Unmoral gleichgesetzt wird», erklärt Dittrich. Dann heiße es dort: «Schau, hier, die bringen euch die Krankheiten.»

Vorsicht bei dubiosen Thesen im Netz

Generell birgt die Verwendung unbelegter Informationen in sozialen Medien ein erhöhtes Risiko für Fehlinformationen. Die Funktionsweise sozialer Medien trägt dazu bei, indem sie sich kontinuierlich an den digitalen Fußabdruck der Nutzer anpasst. Nutzer erhalten ähnliche Inhalte in ihren Feeds wie die, denen sie bereits zugestimmt haben. Dadurch entstehen Echokammern oder Filterblasen, die den Eindruck verstärken, dass eine genehme Perspektive die richtige ist. Andere Blickwinkel oder Sichtweisen werden nicht präsentiert.

dpa