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Experten warnen vor steigendem Meeresspiegel und fordern verstärkten Küstenschutz

Wissenschaftler betonen die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Anpassung an den steigenden Meeresspiegel und den Schutz der Küstenregionen.

«Wir haben es selbst in der Hand, uns anzupassen», sagt ein Forscher mit Blick auf den steigenden Meeresspiegel und den Küstenschutz. (Symbolbild)
Foto: Sina Schuldt/dpa

Wissenschaftler planen, die Bedrohungen für die Küsten aufgrund des steigenden Meeresspiegels und des Klimawandels verstärkt zu betonen.

Prof. Torsten Schlurmann vom Ludwig-Franzius-Institut der Leibniz Universität Hannover, Vize des Konsortiums Deutsche Meeresforschung, sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass das Wissen vorhanden sei, es jedoch an der Umsetzung der Strategien hapere. Daher sollten Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft, Gesellschaft und Politik sich beim ersten Forum Küstenforschung in Hannover (11. und 12. September) austauschen.

Anstieg des Meeresspiegels ist nicht aufzuhalten

Derzeit steige der Meeresspiegel um vier bis fünf Millimeter pro Jahr, dies beschleunige sich aber, betonte Schlurmann. Bis zum Ende des Jahrhunderts sei ein Anstieg um 1,00 Meter bis 1,10 Meter zu erwarten, im 22. Jahrhundert möglicherweise um 2,00 Meter. Fest stehe: «Der Anstieg ist überhaupt nicht aufzuhalten. Wir können also nur Zeit gewinnen.» Er betonte aber: «Wir haben es selbst in der Hand, uns anzupassen.»

Zwar sei der Schutz der Küsten in Deutschland «sehr gut aufgestellt», sagte er. Aber: Ein Defizit bedeute der Blick in die Vergangenheit – man habe im 20. Jahrhundert einen Meeresspiegelanstieg um 20 Zentimeter pro Jahrhundert festgestellt. Nur verändere sich das rapide, die Veränderungen ließen sich daher nicht aus der Vergangenheit herleiten. 

Expertise in Norddeutschland «herausragend»

Zwar ließen sich Deiche erhöhen, aber «nicht ad infinitum», nicht unbegrenzt: Es gebe technische Limitationen, möglich seien vielleicht Erhöhungen um 1,00 bis 1,50 Meter – aber das erfordere Milliardeninvestitionen. Gleichzeitig veränderten sich Gezeiten und Materialfluss, das führe zur Verlandung von Häfen und Flüssen und zu mehr Aufwand beim Ausbaggern.

Nach Schlurmanns Einschätzung sind die Expertise und Forschungsinfrastrukturen in den fünf norddeutschen Ländern «herausragend». Er betonte: «Dies qualifiziert Norddeutschland zu interdisziplinär aufgestellten Forschungsaktivitäten, um beispielsweise die Vorhersagefähigkeit mariner Extremereignisse und Naturgefahren zu verbessern und die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft an den Küsten zu stärken.»

Meeresspiegelanstieg bei Bau neuer Häfen berücksichtigen

Gemäß früheren Informationen plant das Land Niedersachsen, in diesem Jahr etwa 81 Millionen Euro in den Küstenschutz zu investieren. Dies wird dazu dienen, Deiche zu erhöhen, Sperrwerke zu verbessern und Dünen auf den Inseln zu sichern.

Der Küstenschutz ist eine gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern. Die Kosten für Investitionen teilen sich zu 70 Prozent auf den Bund und zu 30 Prozent auf das jeweilige Land auf. Deichverbände fordern schon seit geraumer Zeit höhere Investitionen in den Küsten- und Hochwasserschutz.

Zudem müsse zum Ausbau der Offshore-Windenergie neue Infrastruktur her, etwa neue Häfen, sagte Alexander Schendel, ebenfalls vom Ludwig-Franzius-Institut für Wasserbau, Ästuar- und Küsteningenieurwesen der Universität Hannover. Maritime Energie wie die Nutzung der Energie aus Wellen und Tide-Strömung erfordere «größere Infrastruktur als wir bisher bieten können». Zwar werde der Anstieg des Meeresspiegels für Offshore-Anlagen nicht als großes Problem gesehen, aber beim Bau neuer Häfen müsse der Anstieg berücksichtigt werden. 

Küstenschutz mit natürlichen Mitteln

Schlurmann betonte, dass das Bollwerk der Küsten mit natürlichen Mitteln verstärkt werden solle, und verwies auf Seegras- und Salzwiesen, um die Küsten zu stabilisieren. Schendel sagte, beim Küstenschutz gebe es keine Standardlösungen: Austernbänke könnten beispielsweise in den Küstenschutz integriert werden, um die Wellen zu brechen und Sediment einzufangen. Austern bildeten feste Strukturen.

Nach Schlurmanns Aussage ist es auch das Ziel, die Wahrnehmungen der Menschen an den Küsten zu berücksichtigen. Es gibt Befürchtungen, dass die Wassermassen an Land zunehmen, wenn heftiger Regen und Sturmfluten einhergehen und die Entwässerung aufgrund des steigenden Meeresspiegels nicht mehr funktioniert.

Möglichst viel Akteuren zuhören

Laut Schendel besteht die größte Herausforderung darin, herauszufinden, welche Maßnahme am dringendsten ist, um eine Prioritätenliste zu erstellen. Dazu sei es notwendig, möglichst vielen Akteuren und Disziplinen zuzuhören. Gleichzeitig müssten Lösungen und Anpassungen auf lokaler Ebene erfolgen, betonte Schlurmann.

dpa