Ein Expertenteam schlägt vor, Filterzigaretten weltweit zu verbieten – das soll Rauchen unattraktiver machen. Was es damit auf sich hat und wer darüber entscheiden würde.
Wirbel im Kampf gegen Tabak: Verbot von Filtern und Aroma?

Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben weltweit jedes Jahr mehr als sieben Millionen Menschen aufgrund des Tabakkonsums. Rauchen birgt lebensgefährliche Risiken und erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen sowie über 20 verschiedene Krebsarten deutlich.
Auf einer WHO-Konferenz in Genf werden nun drastische Maßnahmen vorgeschlagen, um den Kampf gegen den Tabak zu intensivieren. Diese Vorschläge sind sehr kontrovers. Ein Vorschlag hat bereits für Aufregung in den Medien gesorgt.
Will die WHO Filterzigaretten verbieten?
„Nein, das kann sie überhaupt nicht.“
Auf der Konferenz der 183 Vertragsparteien der Anti-Tabak-Konvention (FCTC) ab dem 17. November wird ein Dokument diskutiert, das ein Verbot der Einfuhr und Herstellung von Filtern und Filterzigaretten vorschlägt, zusammen mit 15 weiteren Maßnahmen. Die Vorschläge stammen von unabhängigen Experten, die von den Vertragsstaaten beauftragt wurden, neue Ideen zur Reduzierung des Tabak- und Nikotinkonsums vorzulegen. Filterzigaretten dominieren 90 Prozent des Marktes.
«Das Entfernen jeglicher Filter von Zigaretten hätte erhebliche Auswirkungen auf die Verringerung der Attraktivität und Anziehungskraft von Zigaretten», heißt es in dem Papier. Filter reduzierten die Gefährlichkeit des Rauchens praktisch nicht, vielmehr verleiteten sie Raucher, stärker zu inhalieren, was Giftstoffe tiefer in die Lunge bringe. Zudem vergifteten Milliarden weggeworfener Kippen die Umwelt.
Was schlagen die Experten noch vor?
Unter den 16 empfohlenen Maßnahmen ist auch, Werbung vollständig zu verbieten und Tabakprodukte nicht mehr kommerziell zu verkaufen, sondern nur noch von öffentlichen Einrichtungen unter strengen Regeln. Dies soll verhindern, dass Unternehmen durch Werbung neue Kunden anlocken und ihren Gewinn maximieren können. Ein weiterer Vorschlag ist, den Verkauf an Personen ab einem bestimmten Geburtsdatum zu untersagen, wie es in Teilen des US-Bundesstaates Massachusetts und seit dem 1. November auf den Malediven der Fall ist. Die Empfehlungen sehen außerdem ein Verbot aller Tabakzusätze und Aromastoffe vor.
Sind die Vorschläge verbindlich?
Nein, sagt Benn McGrady, Jurist in der WHO-Abteilung, die sich mit Tabak beschäftigt. «Normalerweise wird ein solcher Bericht von der Konferenz zur Kenntnis genommen, und dann könnten einzelne Vertragsparteien die Maßnahmen ergreifen, die sie für angemessen halten.»
Die Anti-Tabak-Konvention, die vor 20 Jahren in Kraft getreten ist und von Deutschland ratifiziert wurde, ist rechtsverbindlich. Sie enthält Ziele wie die Beschränkung des Verkaufs, hohe Steuern und Werbeverbote. Die Umsetzung liegt in der Entscheidung der Regierungen.
Was hält die WHO von den Vorschlägen?
Es sei höchste Zeit, Kunststoffe wie Zigarettenfilter zu verbieten, sagt der amtierende Direktor für Umweltfragen bei der WHO, Rüdiger Krech. Zum einen verschmutzten und vergifteten sie die Umwelt. Es sei eine Taktik der Tabakindustrie, den Eindruck zu erwecken, Zigaretten mit Filter seien weniger schädlich als solche ohne Filter. «Wir können keine gesundheitlichen Vorteile von Kunststofffiltern erkennen», sagt Krech. «Ja, wir rufen zu einem Verbot der Filter auf».
Die WHO drängt gleichzeitig darauf, dass alle anderen Maßnahmen zur Tabakkontrolle umgesetzt werden, einschließlich einer hohen Besteuerung und umfassender Werbeverbote. Die WHO fordert regelmäßig höhere Tabaksteuern von Deutschland.
Auch neue Produkte der Tabakindustrie wie E-Zigaretten oder solche, die den Tabak erhitzen statt verbrennen sind der WHO ein Dorn im Auge. «Die WHO empfiehlt allen Ländern, Nikotinpflaster, E-Zigaretten, Tabakerhitzer und rauchfreien Tabak mindestens genauso streng zu regulieren wie herkömmliche Tabakprodukte», verlangt WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus.
Die WHO hat sich auch bereits für ein Verbot von Aromastoffen ausgesprochen, weil die Produkte vor allem auf Kinder zielten, um sie früh nikotinabhängig zu machen. Nach Angaben von McGrady nutzen weltweit 15 Millionen Minderjährige E-Zigaretten. «In Ländern, für die Daten vorliegen, ist die Konsumrate bei Kindern neunmal höher als bei Erwachsenen», sagt er. «Es ist klar, dass es für Deutschland, die anderen EU-Mitgliedstaaten und die Länder weltweit an der Zeit ist, entschiedene Maßnahmen zu ergreifen, um gegen diese Produkte vorzugehen.»
Was sagt die EU zu den Vorschlägen?
Hinter verschlossenen Türen wird ihre Position ermittelt. In einem Entwurf für eine gemeinsame Position im Oktober hieß es, dass sie die Ausarbeitung von 16 Vorschlägen begrüßt. Die Verschmutzung von Boden und Wasser durch Tabak und Nikotinprodukte bereitet große Sorge. Es wird festgestellt, dass ein Verbot von Filterzigaretten Menschen und Umwelt vor Schäden schützen könnte. Die Tabak-Lobby betrachtet den Entwurf als ersten Schritt für ein mögliches Verbot von Filterzigaretten.
Plant die EU ein Verbot?
Die für Gesetzesinitiativen zuständige EU-Kommission stellt klar: «Die Europäische Kommission plant nicht, Filterzigaretten zu verbieten.» Das hat Gewicht, denn allein die EU-Kommission kann EU-Gesetze vorschlagen und damit in den Gesetzgebungsprozess einbringen. Auch aus den Kreisen der EU-Mitgliedsstaaten heißt es, dass kein Verbot in Vorbereitung sei.
Wer würde über ein Filterverbot in Deutschland entscheiden?
Die Bundesregierung hätte in jedem Fall ein entscheidendes Mitspracherecht. Auf Nachfrage verweist das Bundesgesundheitsministerium auf die üblichen Gesetzgebungsverfahren. Demnach legt die Bundesregierung in der Regel einen Vorschlag vor, der vom Bundestag und möglicherweise vom Bundesrat beschlossen wird.
Falls die EU-Kommission ein Filterverbot einführen möchte, könnten die EU-Staaten – einschließlich der Bundesregierung – dies verhindern. Denn die EU verfügt nur über begrenzte Zuständigkeiten im Bereich der Gesundheitspolitik.








