Wissenschaftler entdeckten, dass die Masse von Nanoplastik größer ist als die von sichtbaren Kunststoffen und Mikroplastik zusammen. Neue Erkenntnisse zu den Auswirkungen auf Meereslebewesen.
Nanoplastik in den Ozeanen unterschätzt

Es könnte sein, dass die Menge an Kunststoffen in den Ozeanen bisher deutlich unterschätzt wurde. Wissenschaftler haben festgestellt, dass die Masse von Plastikteilchen im Bereich von Nanometern vermutlich größer ist als die von sichtbaren Kunststoffen und Mikroplastik zusammen.
Die Messdaten stammen von zwölf Stellen im Nordatlantik, von küstennahen Meeresgebieten bis zur Tiefsee, vom gemäßigten Klima bis zu den Subtropen. Die Studie einer Forschergruppe um Dušan Materić vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig ist in der Fachzeitschrift «Nature» erschienen.
27 Millionen Tonnen allein im Nordatlantik
Für die oberste Wasserschicht, in die das Sonnenlicht eindringt und die vom Wind durchmischt wird, haben Materić und Kollegen eine Masse von 27 Millionen Tonnen allein für den Nordatlantik hochgerechnet. «Das ist etwa die gleiche Größenordnung wie die geschätzte Masse am Makro- und Mikrokunststoff für den gesamten Atlantik», wird Materić in einer Mitteilung seines Instituts zitiert.
Der UFZ-Chemiker hat eigens eine Methodik für die Analyse der Wasserproben entwickelt: ein Massenspektrometer, das präzise die Konzentrationen von organischen Spurengasen messen kann. Bei ihrer Verbrennung hinterlassen die einzelnen Kunststoffarten einen typischen «chemischen Fingerabdruck».
Höhere Schichten stärker belastet als tiefere
Die Forscher entnahmen Proben von der obersten Schicht mit einem extrem feinen Filter in einer Tiefe von zehn Metern sowie fünf bis 30 Meter über dem Meeresboden, im offenen Ozean auch in einer Tiefe von 1000 Metern. Insgesamt war die Belastung mit Nanoplastik in den höheren Schichten größer als in den tieferen Schichten und in den küstennahen Gebieten größer als im freien Nordatlantik.
Überraschenderweise konnten die Forscher in den Proben nicht die weit verbreiteten Kunststoffe Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP) nachweisen. «Es gibt sehr viel PE-/PP-Mikroplastik an der Meeresoberfläche, aber wir fanden keine PE-/PP-Nanopartikel, die beispielsweise infolge von Sonneneinstrahlung oder Abrieb durch den Wellengang hätten entstehen können», erklärt Materić. Stattdessen entdeckten sie Polyethylenterephthalat (PET), Polystyrol (PS) und Polyvinylchlorid (PVC), alles häufig verwendete Kunststoffe, aus denen beispielsweise Ein- und Mehrwegplastikflaschen, Folien oder Einwegtrinkbecher und Einmalbesteck bestehen. In der Tiefsee war nur noch PET zu finden.
Manche Zonen als Anreicherungszone bekannt
Die ersten fünf Messstandorte waren im großen nordatlantischen subtropischen Wirbel, der die Sargassosee umgibt. Vier weitere Standorte lagen zwischen dem Wirbel und dem europäischen Festland, und drei weitere befanden sich in Küstennähe, von der französischen bis zur niederländischen Atlantikküste.
Die Studienautoren fanden im Durchschnitt aller Messstellen in zehn Metern Tiefe 18,1 Milligramm Nanoplastik pro Kubikmeter Wasser, während es in Küstennähe 25 Milligramm waren. Nahe dem Meeresboden betrug der Durchschnitt 5,5 Milligramm pro Kubikmeter. In der oberen Schicht gab es kaum einen Unterschied in der Konzentration zwischen den Messstandorten innerhalb und außerhalb des Nordatlantikwirbels. In 1000 Metern Tiefe war die Konzentration innerhalb des Wirbels mit 13,5 Milligramm fast doppelt so hoch wie außerhalb des Wirbels (7,5 Milligramm). Der Wirbel dient aufgrund der Meeresströmungen als Anreicherungszone für Mikroplastik an der Oberfläche.
Große Wissenslücke
In einem Kommentar, ebenfalls in «Nature», schreibt Katsiaryna Pabortsava vom National Oceanography Centre im britischen Southampton: «Obwohl Wissenschaftler große Fortschritte beim Verständnis des Ausmaßes der Meeresverschmutzung durch Mikroplastik erzielt haben, ist über die Nanoplastik-Abfälle fast nichts bekannt.» Sie hält die Schätzungen von Materić und Kollegen für eher zu niedrig als zu hoch, weil sich Nanoplastik auch an größeren Partikeln, wie Ansammlungen von organischem Material, oder im Körper von Meeresorganismen befinden könnte.
Die Meeresökologin Melanie Bergmann vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven macht auf die Folgen des Plastikmülls für Meereslebewesen aufmerksam: «Zu den bislang beschriebenen Auswirkungen auf verschiedene im Wasser lebende Tiere gehören unter anderem ein gehemmtes Wachstum, Änderungen bei der Fortpflanzung, physiologische Stressreaktionen und Störungen des Immunsystems», sagte sie dem Science Media Center (SMC). Studien zeigten zudem, dass Plastik im Meer zu einer niedrigeren Fotosyntheserate bei Algen führen kann, wodurch sie weniger Kohlendioxid aus der Luft aufnehmen und so die Erderwärmung verschlimmern.