Die Überträger von Krankheitserregern lauern im Grünen und können gefährliche Infektionen übertragen. Prävention durch regelmäßiges Absuchen während der Zeckensaison ist entscheidend.
Tückische Schildzecken: Gefahr für Mensch und Tier
Sie lauern im Grünen – und können mit ihren Stichen etliche Krankheitserreger übertragen. «Schildzecken sind in Mitteleuropa die bedeutendsten Überträger von Infektionserregern auf den Menschen», schreibt das Robert Koch-Institut (RKI).
Laut RKI gibt es in Deutschland mindestens 19 Arten von Schildzecken. Jedoch ist hauptsächlich der Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus) für die Übertragung von Lyme-Borrelien und FSME-Viren verantwortlich, die Lyme-Borreliose und Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) verursachen.
«Der Gemeine Holzbock liebt ein feuchtes, schattiges Mikroklima», sagt Dania Richter von der Technischen Universität Braunschweig. «Da lauert er gerne auf Grashalmen und Sträuchern.» Sonnige, trockene Standorte meidet die Art, die im adulten Stadium zwei bis vier Millimeter misst, dagegen eher.
Bei seinen Wirten ist die Zecke weniger wählerisch. «Der Holzbock saugt so ziemlich an allem, außer an Fischen und Amphibien», sagt Richter. Gerade bei Nagetieren können sich diese Milben, die drei bis fünf Jahre alt werden, mit vielen Erregern infizieren, die auch dem Menschen zusetzen, vor allem verschiedene Lyme-Borrelien. Mehrere Arten dieser Bakterien können den Menschen krank machen – sofern sie es schaffen, ihn zu infizieren.
Infektion erst viele Stunden nach einem Stich
Wie Richter erklärt, dauert dies. Normalerweise bleiben die Bakterien im Mitteldarm der Zecken inaktiv und sind durch ihr Oberflächenprotein OspA an die Darmwand gebunden.
Die Zecken vermehren sich erst, wenn sie nach dem Stich in Kontakt mit der Lymphe und dem Blut des Wirts kommen. Sie schwärmen im Körper aus und erreichen schließlich die Speicheldrüsen. Durch den Speichel, den die Zecke in die Wunde abgibt – beispielsweise um Blutgerinnung und Entzündungsreaktionen zu verhindern – gelangen sie in den Wirt.
«Etwa 16 bis 20 Stunden nach einem Stich steigt die Wahrscheinlichkeit einer Borrelien-Infektion», sagt Richter. «Das bietet uns den Vorteil der Prävention.» Wenn man sich während der Zeckensaison zweimal täglich absuche, lasse sich das Risiko für eine Lyme-Borreliose minimieren.
Anders sieht das bei der Übertragung von FSME aus: «Die Viren werden schon kurz nach dem Stich übertragen», sagt RKI-Epidemiologin Antonia Pilic. Denn diese Erreger sitzen bereits in den Speicheldrüsen.
Zahl der jährlichen Fälle schwankt stark
Die Anzahl der durch Zecken übertragenen Erkrankungen in Deutschland steigt möglicherweise. Es ist schwer zu sagen, da die Anzahl der Borreliose- und FSME-Fälle von Jahr zu Jahr stark variiert. Dies hängt vom Klima ab, von der Häufigkeit der Wirte, hauptsächlich Nagetiere, die von den Zecken infiziert werden, und auch vom Freizeitverhalten der Menschen.
«Die Zahl der Infektionen ist extrem umweltabhängig», sagt der Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Borrelien in Oberschleißheim bei München, Volker Fingerle. Ein simples Beispiel: «Wenn die Leute wenig rausgehen, weil es viel regnet, gibt es weniger Fälle.»
Diagnose einer Borreliose ist oft schwierig
Die Diagnose einer Lyme-Borreliose ist oft schwierig, da die Symptome je nach betroffener Körperregion – Haut, Gelenke, Nervensystem, Herz – vielfältig und selten eindeutig sind.
Laut Fingerle zeigen Antikörper-Tests im Grunde genommen nur, dass jemand Kontakt mit Borrelien hatte. Dies betrifft jedoch laut Fingerle etwa zehn Prozent der Bevölkerung. Außerdem führt nicht jede Infektion zu einer Erkrankung.
Laut Fingerle variieren die Schätzungen zur Anzahl der jährlichen Neuerkrankungen in Deutschland extrem: zwischen etwa 15.000 und 35.000 nach Meldedaten und mehr als 200.000 Fällen basierend auf Krankenkassendaten.
«Die Diagnose ist typischerweise ein Puzzle», sagt Fingerle und verweist auf Vorgeschichte, Symptomatik und Labordiagnostik. Oft müssten andere Erkrankungen ausgeschlossen werden.
Eine Lyme-Borreliose kann eindeutig an der Wanderröte (Erythema migrans) erkannt werden – einer mindestens fünf Zentimeter großen, sich kreisförmig ausdehnenden Rötung um die Einstichstelle. Laut Fingerle töten Antibiotika die Erreger sehr effizient ab – dennoch können manche Beschwerden mitunter andauern.
Lyme-Borrelien sind deutschlandweit verbreitet, jedoch lokal sehr unterschiedlich. Laut Richter sind je nach Region 5 bis 50 Prozent der Zecken infiziert. Im Durchschnitt trägt etwa jeder dritte bis vierte Gemeine Holzbock Lyme-Borrelien. Eine Langzeitstudie in Hannover zeigte, dass die Infektionsrate der Zecken mit Lyme-Borrelien von 2005 bis 2015 zumindest dort relativ konstant war.
FSME-Risikogebiete weiten sich aus
Im Unterschied dazu ist die meldepflichtige FSME deutlich weniger verbreitet. Im Jahr 2021 wurden in Deutschland 686 FSME-Fälle gemeldet – dies war nach dem Rekord von 718 Fällen im Jahr 2020 der zweithöchste Wert seit Beginn der Datenerfassung im Jahr 2001. Allerdings variieren die Zahlen von Jahr zu Jahr, das langjährige Durchschnitt liegt laut RKI bei 352.
Die Krankheit, die häufig mit grippeähnlichen Symptomen beginnt, ist selten, kann jedoch schwerwiegend verlaufen und endet in etwa einem Prozent der Fälle tödlich. Die durchschnittliche FSME-Inzidenz steigt ab dem Alter von 40 Jahren deutlich an; Männer sind stärker betroffen als Frauen.
Die betroffenen Gebiete, die früher hauptsächlich im Süden Deutschlands lagen, dehnen sich nun nach Norden und Osten aus. Im Februar wurden vom RKI drei neue Risikogebiete benannt: im Stadtkreis Augsburg sowie in den Landkreisen Celle und Elbe-Elster im Süden von Brandenburg.
In ganz Deutschland gibt es also 183 solcher Gebiete – bei insgesamt 294 Landkreisen und 106 kreisfreien Städten. Nach RKI sind Risikogebiete Kreise, in denen es innerhalb von fünf Jahren mehr als einen FSME-Fall pro 100.000 Einwohner gab.
Eine Impfung, die von der Ständigen Impfkommission (Stiko) für exponierte Personen in Risikogebieten empfohlen wird, schützt vor dieser Krankheit. Dies gilt auch für Berufsgruppen wie Forstarbeiter. Laut RKI bieten die drei Impfdosen insgesamt Schutz für mindestens drei Jahre.
Borreliose-Impfung wird gerade getestet
Es gibt derzeit keine Impfung gegen Borreliose, aber es laufen zwei Zulassungsstudien für mögliche Impfstoffe in Europa und Nordamerika. Pfizer und Valneva könnten im nächsten Jahr eine Zulassung für den Impfstoff VLA15 beantragen.
Die Impfung, die wahrscheinlich jedes Jahr erneuert werden müsste, zielt auf das Oberflächenprotein OspA ab, mit dem Lyme-Borrelien in der Zecke überleben. Der Impfstoff deckt die OspA-Typen 1 bis 6 ab und soll eine Übertragung von Lyme-Borrelien verhindern. Laut Fingerle richtet sie sich gegen die wichtigsten heimischen Arten, aber nicht gegen alle.
Die im Fachblatt «The Lancet Infectious Diseases» vorgestellten Resultate der Phase-1- und Phase-2-Studien deuten darauf hin, dass diese neue Impfung sicher ist. Häufigste Nebenwirkungen waren Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit und Muskelschmerzen. Zahlen zur Schutzwirkung gibt es noch nicht.