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Zig Millionen gerettet: Schimmelpilz ist Mikrobe des Jahres

Seit den 1940er Jahren bewahrt Penicillin Menschenleben. Die Substanz wird von einem unansehnlichen Pilz produziert – Käsekenner kennen ihn unter anderem von Camembert und Brie.

Viele Antibiotika basieren auf Penicillinen. (Illustration)
Foto: Carsten Koall/dpa

Seit Jahrzehnten verdanken etliche Menschen ihm ihr Leben: Der Schimmelpilz Penicillium ist zur «Mikrobe des Jahres 2026» bestimmt worden, wie die Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM) in Frankfurt am Main mitteilte. Der sogenannte Pinselschimmel produziert das berühmte, seit den 1940er Jahren verwendete Antibiotikum Penicillin. «Dieser Pilz rettete in den letzten 80 Jahren Millionen Menschen das Leben – und tut es noch täglich.»

Daneben spiele er auch in der Lebensmittelherstellung und der Biotechnologie eine Rolle, hieß es von der VAAM: Penicillium sorgt für Geschmack, Geruch und Konsistenz von Käsearten wie Camembert und Brie. Die weiße «Rinde» dieser Käsesorten besteht überwiegend aus Penicillium camemberti, der auch für die weiche, buttrige Konsistenz sorgt. 

Der Schimmelpilz wird in der Lebensmittelindustrie zur Klärung von Fruchtsäften und in der Textilindustrie zur Vorbehandlung von Geweben eingesetzt. Einige Arten des Pilzes liefern Wirkstoffe für Pflanzenschutzmittel oder Medikamente.

Unsauber gearbeitet – aber die richtigen Schlüsse gezogen

Laut VAAM spielten unsauberes Arbeiten und eine verschimmelte Melone eine wichtige Rolle in der Entdeckungsgeschichte des Penicillins. Der italienische Wissenschaftler Bartolomeo Gosio beschrieb Ende des 19. Jahrhunderts als Erster die Mycophenolsäure aus einer Penicillium-Art und erkannte ihre antibiotische Wirkung gegen Bakterien. Heutzutage wird sie als Immunsuppressivum bei Organtransplantationen und Autoimmunerkrankungen eingesetzt, da sie gezielt die Vermehrung bestimmter Abwehrzellen im Körper hemmt.

Der schottische Mediziner Alexander Fleming entdeckte Penicillin rein zufällig, als er 1928 Bakterienkulturen züchtete und ein Schimmelpilz in einer Schale alle Bakterien abtötete. Fleming isolierte die Substanz und nannte sie Penicillin.

Eine verschimmelte Melone brachte den Durchbruch

Erst zu Beginn der 1940er Jahre gelang es, Penicillin in größeren Mengen herzustellen. Der Pathologe Howard Florey und der Chemiker Ernst Chain isolierten den Wirkstoff und behandelten die ersten Patienten. Ein entscheidender Durchbruch erfolgte 1941 in den USA: Forscher entdeckten auf einer verschimmelten Melone einen besonders leistungsfähigen Penicillium-Stamm. Laut VAAM basieren bis heute alle industriell genutzten Penicillin-Produzenten auf diesem Stamm.

Penicillin und seine verbesserten Formen bleiben weltweit zu den meistverwendeten Antibiotika. Die jährliche Produktion wird auf etwa 50.000 Tonnen geschätzt. Fleming, Florey und Chain wurden 1945 mit dem Nobelpreis für Medizin für ihre Arbeit ausgezeichnet.

dpa