Mobiles Menü schließen
Startseite Schlagzeilen

Bedrohung im All: Weltraumschrott gefährdet Satelliten und Raumfahrzeuge

Die Menge an Trümmerteilen im Orbit steigt rasant an, was Kollisionen im All zur Gefahr macht. Internationale Maßnahmen sind gefragt.

Tausende Satelliten und noch mehr Trümmerteile umfliegen die Erde - auch wenn sie eigentlich kleiner sind als auf diesem Bild.
Foto: ESA/ESA/dpa

Millionen Trümmerteile kreisen als Weltraummüll um die Erde – die Anzahl steigt. Laut Angaben der europäischen Weltraumbehörde Esa befinden sich derzeit mehr als 12.500 Satelliten um unseren Heimatplaneten – viele davon sind nicht mehr funktionsfähig. Die Esa plant, am Sonntag einen Satelliten gezielt über dem Südpazifik in die Erdatmosphäre eintreten zu lassen. Außerdem wird ein Raumfahrzeug mit Greifarmen entwickelt, um gezielt Weltraummüll einzusammeln und verglühen zu lassen.

Allerdings, während solche Projekte selten sind oder sogar noch in der Planung stecken, werden kontinuierlich neue Satelliten ins All geschossen. Zusätzlich gibt es touristische Raumflüge wie die Mission Polaris Dawn, die aktuell Privatpersonen ins Weltall bringen soll. Angesichts der großen Anzahl von Objekten in der Umlaufbahn nimmt die Gefahr von Kollisionen im All zu. Wie hoch ist dieses Risiko – und was kann dagegen unternommen werden?

Gibt es ein internationales Recht im All? 

Das All ist kein gänzlich rechtsfreier Raum. Nach Angaben des Esa-Programmleiters für Weltraumsicherheit beim Raumflug-Kontrollzentrum Esoc in Darmstadt, Holger Krag, haben die Vereinten Nationen Richtlinien erlassen, die mehr als 100 Staaten unterschrieben haben. «Da steht einfach nur drin, dass jeder Staat die Raumfahrt in seinem Land überwachen muss und autorisieren soll.»

Dieser sogenannte Weltraumvertrag legt nach Angaben des Auswärtigen Amtes (AA) auch die Haftung für Schäden durch Weltraumaktivitäten fest: «Staaten, die einen Weltraumgegenstand in den Weltraum starten, starten lassen oder ihr Territorium oder ihre Anlagen für Starts zur Verfügung stellen, haften grundsätzlich unbegrenzt für Körper- und Sachschäden, die ein solcher Gegenstand auf der Erde, im Luftraum oder im Weltraum verursacht, wenn diese auf fahrlässigem Handeln beruhen.» 

Die jeweiligen Staaten sollen demnach ihre Rahmenbedingungen selbst festlegen. An einem deutschen Weltraumgesetz wird nach Angaben des Auswärtigen Amts derzeit gearbeitet. «Der Weltraumvertrag enthält auch Bestimmungen zur Vermeidung von schädlichen Verunreinigungen des Weltraums, die allerdings bislang wenig praktische Bedeutung erlangt haben», heißt es auf der AA-Homepage.

Wie soll künftig neuer Weltraumschrott vermieden werden?

Die Esa hat sich verpflichtet, ab 2030 keinen unnötigen Weltraumschrott mehr zu produzieren, neben der Ausarbeitung von nationalen Weltraumgesetzen durch Regierungen sind auch Raumfahrtagenturen aktiv.

Vor Kurzem wurden Verträge mit drei Satellitenherstellern abgeschlossen, um neue Satellitentechnologien für den niedrigen Orbit zu entwickeln, die keinen Müll mehr erzeugen. Heute ist es laut Krag immer noch so, dass jedes sechste im All zurückgelassene Objekt explodiert, und jedes zweite wird nicht ordnungsgemäß entsorgt.

Das soll sich ändern. «Wir wollen für unsere eigenen Missionen sagen, dass es nicht egal ist, wenn das Entsorgen nicht geklappt hat, sondern wir müssen eben dann nachhelfen und sagen, das Objekt muss zurückgeholt werden», sagt Krag.

Die Nasa und die Jaxa haben ähnliche Projekte in Arbeit, sagte Krag. China oder Russland würden keine Einblicke gewähren, da solche Systeme auch militärisch genutzt werden könnten.

Ist Weltraumschrott eine Gefahr für Raumstationen?

Ja! Die chinesische Raumstation «Tiangong» («Himmelspalast») ist vor Monaten von Weltraumschrott getroffen worden und musste dann gewartet werden. Auch die Internationale Raumstation ISS muss immer wieder Trümmerteilen ausweichen. Mitunter mussten sich Astronauten in angedockten Raumfahrzeugen in Sicherheit bringen, weil solche Geschosse auf einem möglichen Kollisionskurs waren. 

Wo gibt es Kollisionsgefahren?

«Wir zählen den erdnahen Bereich bis 2000 Kilometer Höhe dazu. Dort sind zwei Drittel aller Raumfahrtobjekte», sagt Krag. Die bewegten sich also auf begrenztem Raum, und dort habe es schon Kollisionen gegeben, teils sogar mit Satelliten. «Es ist also Realität, dass wir dort ein Problem haben.» 

Besonders viel Betrieb herrscht demnach bis in 800 Kilometer Höhe. Dort sei «die Hölle los», oberhalb davon lasse die selbstreinigende Wirkung der Atmosphäre schon nach – wegen der geringer werdenden Schwerkraft: Nach Angaben der Nasa fallen Trümmer in einer Höhe unter 600 Kilometern innerhalb weniger Jahre wieder auf die Erde zurück – und verschwinden damit aus der Umlaufbahn. Oberhalb von 1.000 Kilometern müsse man dagegen mit 1.000 oder noch mehr Jahren rechnen. 

Die Starlink-Satelliten des privaten US-Raumfahrtunternehmens SpaceX von Tech-Milliardär Elon Musk fliegen in etwa 500 Kilometern Höhe. “Wenn da einer ausfalle, würde er nach ungefähr fünf Jahren in der Atmosphäre verschwinden”, sagt Krag. Das eigentliche Problem sei hier die hohe Anzahl an Satelliten.

Laut der Esa werden nicht alle Objekte im Orbit verfolgt. Basierend auf statistischen Modellen geht sie davon aus, dass es derzeit etwa 40.500 Trümmerobjekte größer als zehn Zentimeter, etwa 1.100.000 zwischen eins und zehn Zentimetern und 130 Millionen bis zu einem Zentimeter gibt. Die Gesamtmasse aller Weltraumobjekte in der Erdumlaufbahn wird auf über 12.400 Tonnen geschätzt.

Wie wird sich die Raumfahrt entwickeln?

Krag zufolge wurden vor 20 bis 30 Jahren rund 100 Satelliten pro Jahr gestartet. «Seit drei bis vier Jahren geht das rapide hoch, wir sind jetzt bei 2.000, die neu gestartet werden.» Das Ganze sei dynamisch und könne – abhängig von wirtschaftlichen Aspekten – weiter steigen oder aber sinken. 

Der Experte schließt nicht aus, dass es eines Tages möglich sein könnte, 10.000 Satelliten pro Jahr zu starten, da die Kosten aufgrund von wiederverwendbaren Trägerraketen immer weiter sinken.

Gefahren für Raumfahrzeuge sieht Krag dann, wenn die sich im gleichen Orbit wie ein Großteil des Weltraumschrotts bewegten. Habe man nach einem Start aber die ersten 800 Kilometer Höhe geschafft, bleibe es nur noch ein statistisches Problem: «Raus werden wir immer kommen.»

dpa