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Zweiter Alzheimer-Wirkstoff zugelassen: Nutzen und Risiken

In Deutschland sind etwa eine Million Menschen von Alzheimer betroffen. Mitunter können Antikörper den Krankheitsverlauf im Frühstadium etwas verzögern. Die EU hat einen zweiter Wirkstoff zugelassen.

Eine Frau hält die Hand ihres an Demenz erkrankten Mannes.
Foto: Daniel Naupold/dpa

Die EU-Kommission hat nach Lecanemab nun auch Donanemab als Alzheimer-Therapie zugelassen. Lecanemab ist seit dem 1. September in Deutschland erhältlich, während es bei Donanemab voraussichtlich noch einige Monate dauern wird. Die Wirkstoffe werden als Hoffnungsschimmer angesehen, sind jedoch nur für einen sehr kleinen Teil der Betroffenen geeignet. Es geht nicht um Heilung, sondern lediglich um eine Verzögerung des Krankheitsverlaufs um einige Monate.

Was ist das Besondere an Lecanemab und Donanemab?

Bisherige Alzheimer-Therapien behandeln nur Symptome der Krankheit, aber nicht ursächliche Prozesse im Gehirn. Das ist bei Lecanemab (Handelsname Leqembi) und Donanemab (Handelsname Kisunla) anders: Beide Antikörper richten sich gegen Amyloid-Ablagerungen im Gehirn, die mit dem Absterben der Nervenzellen bei Alzheimer in Verbindung gebracht werden. Sie sollen bei Alzheimer im frühen Stadium den kognitiven Abbau etwas verlangsamen. Ein Verbesserung oder gar Heilung bringendes Mittel ist weiterhin nicht in Sicht.

Lecanemab wurde im April von der Europäischen Kommission zugelassen, nun wurde auch Donanemab genehmigt. Der Zulassungsprozess war in beiden Fällen schwierig und langwierig, da klinische Studien nur einen geringen klinischen Nutzen für eine sehr begrenzte Patientengruppe im frühen Stadium von Alzheimer gezeigt haben. Das Verfahren ist kostenintensiv und birgt zudem das Risiko schwerwiegender Nebenwirkungen in Einzelfällen.

Wer kann die Wirkstoffe nutzen?

Geschätzt erfüllt nur etwa einer von 100 Menschen mit Alzheimer-Demenz alle Voraussetzungen für die Behandlung. «Vermutlich wird die Zahl eher niedriger sein», nimmt Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), an. Bei geschätzt etwa 1,2 Millionen Alzheimer-Erkrankten in Deutschland wären das weniger als 12.000 Menschen.

Der Grund dafür ist hauptsächlich, dass die Entfernung der Amyloid-Plaques keine Auswirkungen mehr hat, wenn bereits irreversible Schäden im Gehirn verursacht wurden. Die Antikörper sollten daher nur in einem frühen Stadium der Krankheit eingesetzt werden, wenn nur leichte kognitive Beeinträchtigungen (Gedächtnis- und Denkstörungen) vorliegen. Experten betrachten die ersten drei Jahre als entscheidend.

Derzeit befinden sich in Deutschland schätzungsweise etwa 250.000 Menschen in dieser Frühphase. Die Mittel sind ausschließlich für Alzheimer-Patienten vorgesehen, die keine oder höchstens eine Kopie von ApoE4 haben, einer Variante des Gens für das Protein Apolipoprotein E. Bei ihnen ist das Risiko für Schwellungen und Blutungen im Gehirn während der Behandlung geringer als bei Personen mit zwei ApoE4-Kopien.

Zusätzlich gibt es weitere Beschränkungen, wie zum Beispiel die Einnahme von Blutverdünnern. Bei Frauen scheint der beobachtete klinische Effekt der Behandlung sogar geringer zu sein als bei Männern – jedoch ist das Risiko für Nebenwirkungen höher. Ob sie insgesamt von der Behandlung profitieren, ist laut der Alzheimer Forschung Initiative noch unklar. Frauen müssen eine noch strengere Nutzen-Risikoabwägung durchführen, sagt auch Berlit. Zwei Drittel aller Menschen mit Alzheimer sind Frauen.

Wie verläuft die Behandlung?

Zuerst wird diagnostisch überprüft, ob ein Patient überhaupt für die Behandlung geeignet ist. Alzheimer muss durch Biomarker-Tests bestätigt werden, gefolgt von einem genetischen Test auf die ApoE4-Variante. Lecanemab wird dann alle zwei Wochen intravenös verabreicht, Donanemab alle vier Wochen.

Um das Risiko von Schwellungen und Mikroblutungen im Gehirn zu minimieren, werden vor Beginn und während der Behandlung regelmäßig MRT-Scans durchgeführt. Zusätzliche Scans werden bei Warnzeichen wie Kopfschmerzen, Sehstörungen und Schwindel gemacht.

Die Patienten müssen also mobil und körperlich belastbar sein. Es ist anzunehmen, dass sich ein Teil der potenziellen Nutzer diesem aufwendigen Prozedere nicht unterziehen möchte oder kann. Die meisten Alzheimer-Betroffenen sind über 80 Jahre alt, nur in seltenen Fällen beginnt die Krankheit vor dem 65. Lebensjahr.

Laut Berlit wird die Behandlung beendet, wenn sich die Alzheimer-Erkrankung deutlich verschlechtert und in ein mittelschweres Stadium übergeht.

Was für ein Erfolg können Betroffene erwarten?

Die Daten der Studie, die der Zulassung zugrunde liegen, deuten auf einen kognitiven Abbau hin, der um einige Monate verzögert ist. Donanemab entfernt laut Berlit Ablagerungen etwas effektiver als Lecanemab und könnte das Fortschreiten der Krankheit um bis zu sechs Monate verlangsamen.

Fraglich ist Experten zufolge, wie alltagsrelevant diese leichte Verzögerung ist. «Sobald das Vollbild einer Alzheimer-Erkrankung vorliegt, sind die statistisch beschriebenen Effekte für den Patienten und sein Umfeld zumeist nicht mehr wahrnehmbar», hatte Walter Schulz-Schaeffer vom Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg zur Zulassung von Lecanemab gesagt.

Was kostet die Behandlung?

Laut Berlit könnten die Medikamente allein pro Patient jährlich etwa 24.000 Euro kosten, wie es die Preisvorstellungen der Hersteller vorsehen. Die Verhandlungen mit den Krankenkassen bezüglich Vordiagnostik, Therapiedurchführung und vor allem Überwachung sind noch im Gange. Es wird geschätzt, dass diese zusätzlichen Kosten bei etwa 10.000 Euro pro Patient und Jahr liegen.

dpa