„Schmerzen zufügen“ – Video löst Debatte um Vorgehen der Polizei bei Klimaprotesten aus
Große Folter-Debatte eskaliert: Polizei droht Klima-Klebern mit Gewalt
Es wird im Internet kontrovers diskutiert, ob das Handeln der Berliner Polizei in dem Vorfall, bei dem ein Aktivist der Letzten Generation nach Aufforderung weggetragen wird und laut schreit, als rechtswidrige Polizeigewalt oder als legitim angesehen werden sollte. Ein Video des Vorfalls ist aufgetaucht und hat zu einer Debatte über das Vorgehen der Polizei geführt. Infolgedessen hat die Berliner Polizei eine Überprüfung des Vorfalls eingeleitet.
Die Berliner Polizei untersucht aktuell ein im Internet verbreitetes Video, das während eines Klimaprotests der Gruppe Letzte Generation aufgenommen wurde. Dabei wird geprüft, ob es ein mögliches Fehlverhalten seitens der Beamten gegeben hat.
Auf Nachfrage erklärte eine Polizeisprecherin am Samstag, dass der gesamte Inhalt des vorliegenden Videos auf alle möglichen Fragen hin überprüft werde. Das Video sei der Polizei bekannt und liege bereits vor.
Ein Polizei-Tweet deutet darauf hin, dass das aufgetauchte Video eine “Zwangsmaßnahme eines Kollegen” bei einem Einsatz am Donnerstag zeigt. Die Polizeisprecherin hat jedoch den genauen Einsatzort nicht bekannt gegeben. An diesem Tag hatten Klimaaktivisten an verschiedenen Orten in Berlin protestiert, darunter auch am Brandenburger Tor.
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Auf dem Video ist zu sehen, wie ein Polizist einen Klimaaktivisten, der auf der Straße sitzt, auffordert, die Fahrbahn zu verlassen. Der Polizist droht dabei lautstark, dass er dem Aktivisten Schmerzen zufügen werde, wenn dieser nicht sofort gehorche. Darüber hinaus warnt er den Demonstranten, dass er möglicherweise tagelang Schmerzen beim Kauen und Schlucken haben könnte, wenn er nicht freiwillig aufsteht. Der Aktivist betont daraufhin, dass er sich friedlich verhalte und dass der Polizist ihn einfach wegtragen wolle.
Im Anschluss an die Aufforderung des Polizisten zählte dieser bis drei und hob den Klimaaktivisten gemeinsam mit einem Kollegen von der Straße. Dabei zog er ihn an Hals und Kinn nach oben. Später im Video sind die beiden Polizisten zu sehen, wie sie versuchen, den Mann von der Straße zu entfernen und dabei körperliche Griffe anwenden. Der Aktivist schreit dabei laut auf.
„Körperverletzung im Amt“? Ist das gar Folter?
Das aufgetauchte Video wurde auch auf Twitter mehrfach geteilt und verbreitet, unter anderem von Autor und Journalist Stephan Anpalagan. Er kommentierte das Video mit den Worten: “Das ist Körperverletzung im Amt, mit vorheriger Androhung. Das fällt sehr deutlich unter die EGMR-Definition von Folter.” Dabei bezog er sich auf die Definition von Folter des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und dessen Rechtsprechung.
Mehrere Medien, darunter “Zeit Online” und der “Tagesspiegel”, haben ausführlich über das Video berichtet. Der Sender MDR veröffentlichte das Video auf Instagram und befragte den Kriminologen Tobias Singelnstein dazu. Dieser erkannte in dem Video eine mögliche rechtswidrige Polizeigewalt. Singelnstein betonte, dass die Polizei immer das mildeste Mittel einsetzen müsse und bei friedlichen Sitzblockaden das Wegtragen die bessere Option sei. “Schmerzgriffe sind daher aus rechtlicher Sicht kein probates Mittel”, zitierte auch der “Tagesspiegel” aus dem Interview mit Singelnstein. Der Professor für Strafrecht hatte bereits im Dezember in einem ausführlichen Interview mit dem MDR über Polizeigewalt gesprochen.
Einzelne Polizeigewerkschaften und Berufsverbände haben ebenfalls ihre Meinung zu dem Vorfall auf Twitter geäußert. Der NRW-Polizeigewerkschafter Manuel Ostermann betonte beispielsweise, dass es sich bei dem Vorgehen der Polizei um die Ausübung von Zwang nach einer vorangegangenen Androhung handle.
Auf Twitter erklärte Manuel Ostermann seine Sichtweise zu dem Vorfall und betonte, dass der Aktivist der Aufforderung im Vorfeld nicht nachgekommen sei, wodurch das nächstmildeste und geeignete Mittel gewählt wurde. Er wies auch darauf hin, dass die Aktivisten professionell geschult würden und ihr Verhalten bei Polizeieinsätzen in sogenannten Klimacamps trainieren würden. Sein Fazit lautete, dass seiner Meinung nach alles sauber und gut abgearbeitet wurde.
Verweis auf mögliche juristische Konsequenzen
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hat sich zum Vorfall in Berlin, bei dem ein Klimaaktivist von der Polizei weggetragen wurde und Schmerzgriffe angewandt wurden, geäußert. Der Hamburger Landesverband der DPolG twitterte: “Unmittelbarer Zwang ist Gewalt, Gewalt schmerzt, Gewalt verletzt, Gewalt sieht gewalttätig aus. Unmittelbarer Zwang auch mit all seinen Bildern ist dennoch Teil unseres Rechtssystems.” Die DPolG betonte jedoch auch, dass Einsätze immer juristisch überprüfbar seien, um sicherzustellen, dass sie rechtmäßig und verhältnismäßig waren.
In ähnlicher Weise äußerte sich auch Manuel Ostermann, ein NRW-Polizeigewerkschafter, der bei Twitter einem Kritiker antwortete: “Der Zugang zu einem rechtsstaatlichen Verfahren steht jedem offen.” Damit spielte er auf die Möglichkeit an, dass der Vorfall rechtliche Konsequenzen für die beteiligten Polizisten haben könnte.
Beide Äußerungen betonen, dass die Polizei im Rahmen ihrer Arbeit manchmal unmittelbaren Zwang anwenden muss, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Gleichzeitig unterstreichen sie jedoch auch die Wichtigkeit, dass Einsätze immer juristisch überprüfbar sein sollten, um sicherzustellen, dass die Polizei ihre Arbeit im Einklang mit den geltenden Gesetzen und Vorschriften ausübt.
Auch die Gruppe Letzte Generation hat das Video auf ihren Social-Media-Kanälen geteilt, jedoch zunächst ohne eigenen Kommentar. In den vergangenen Wochen hat die Gruppe immer wieder auf das aus ihrer Sicht harte Vorgehen der Polizei hingewiesen, insbesondere auf die Anwendung von sogenannten Schmerzgriffen bei friedlichen Protesten. Dabei hat die Gruppe betont, dass solche Methoden “folterähnlich” seien und nicht mit dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit vereinbar seien.