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Wut und Frust in Baku: UN-Klimagipfel ringt um Abschluss

Schwindelerregende Summen erwarten Entwicklungsländer für den Kampf gegen die Klimakrise. Und die Industriestaaten wollen kein Zurück beim Klimaschutz. Für die COP29 ergibt das einen explosiven Mix.

Guterres redet den Staaten in Baku ins Gewissen. (Archivbild)
Foto: Rafiq Maqbool/AP/dpa

Ein Durchbruch im Streit ums Geld oder Rückschritte im Kampf gegen die Klimakrise? Kurz vor Ende der Weltklimakonferenz in Baku brach ein erbitterter Streit aus. Entwicklungsländer fordern eine drastische Erhöhung der Klimahilfen durch Industrieländer. Die EU, USA und andere Wirtschaftsmächte weigerten sich jedoch bis zum Schluss, konkrete Summen anzubieten.

UN-Generalsekretär Antonió Guterres reiste für ein Machtwort extra nach Baku: «Ich fordere jede Partei auf, sich stärker anzustrengen, das Tempo zu erhöhen und Ergebnisse zu liefern. Der Bedarf ist dringend, der Lohn ist groß – und die Zeit ist knapp.» Scheitern sei keine Option. 

Kaum mehr als 24 Stunden vor dem geplanten Ende ließ sich erstmals auch Außenministerin Annalena Baerbock auf der Konferenz blicken. Zwar war Grünen-Politikerin bereits am Dienstagabend in Baku angekommen, musste sich allerdings krankmelden. «Wir werden als Team Deutschland und als Team Europa in den nächsten Tagen weiter hart um jeden Millimeter Fortschritt und jede kleinste Verbesserung ringen», sagte sie. Es sei nicht akzeptabel, dass die Beschlüsse zum Klimaschutz aus dem vergangenen Jahr in Dubai nun «verwässert oder verschlechtert» werden. 

Bereits am Morgen machten sich Frust und Wut in der Zeltstadt am Olympiastadion breit, als unter der nüchternen Nummer «CMA 6 agenda item 11(a)» der lang ersehnte erste Beschlussentwurf zum Finanzierungsziel veröffentlicht wurde – und das mit stundenlanger Verspätung. Um die Gräben zuzuschütten, beriefen die Gastgeber mittags eine sogenannte Kurultai ein – so hießen die traditionellen Fürstenversammlungen früher Turkvölker und Mongolen. Alle Großkhane des mongolischen Reiches, etwa Dschingis Khan, wurden auf solchen Konventen gewählt.

EU im Angriffsmodus 

Die EU ging wenig diplomatisch gleich in den Angriffsmodus. «Ich werde es nicht schönreden», sagte Klimakommissar Wopke Hoekstra. «Er ist in seiner jetzigen Form absolut nicht akzeptabel.» Der Text falle hinter die Beschlüsse aus Dubai zurück, wo sich die Welt auf die Abkehr von Kohle, Öl und Gas einigte. «Lasst uns hinschauen, was in der Welt an Klimakatastrophen passiert.» Das zeige, dass mehr und nicht weniger Ehrgeiz nötig sei.

https://x.com/WBHoekstra/status/1859498210747634166

An die Gastgeber aus Aserbaidschan gewandt, die vielen Beobachtern überfordert und wenig ehrgeizig erscheinen, sagte Hoekstra: «Dürfte ich sie bitten, mehr Führungskraft zu zeigen?» Klimaaktivisten hatten schon vor Wochen infrage gestellt, dass ein Staat glaubwürdig eine Klimakonferenz leiten kann, dessen Exporterlöse zu 90 Prozent an Öl und Gas hängen.

Schwindelerregende Summen

Der Bedarf von Entwicklungs- und Schwellenländern an externen Hilfen beträgt laut einer unabhängigen UN-Expertengruppe bis 2030 rund eine Billion US-Dollar pro Jahr – und sogar 1,3 Billionen bis 2035. Das wären 10- bis 13-mal mehr, als bisher an Klimahilfe fließt. Deutschland und die EU rufen angesichts der schwindelerregenden Summen «alle, die es können» dazu auf, beizutragen – gemeint sind vor allem China, aber auch reiche Golfstaaten wie Saudi-Arabien. Einer alten UN-Logik folgend werden diese noch immer als Entwicklungsländer behandelt. 

Ein Vertreter Ugandas sagte im Namen der Gruppe von 77 Entwicklungsstaaten und Chinas, mindestens 500 Milliarden müssten jährlich von den Industriestaaten kommen – doch hätten diese bisher nicht reagiert. Nötig sei nun eine Zahl, «um wirklich feststellen zu können, ob wir Fortschritte machen». Er betonte, die klassischen Industrieländer hätten historisch gesehen am meisten zu den klimaschädlichen Treibhausgasemissionen beigetragen. Daher müssten diese bei der Reduzierung eine Vorreiterrolle übernehmen und seien den Entwicklungsländern finanzielle sowie technologische Unterstützung schuldig.

Die Regierung Malawis hat erklärt, dass für die Gruppe der 45 am wenigsten entwickelten Staaten jährlich 220 Milliarden US-Dollar an Klimahilfen erforderlich sind. Der Vertreter der Gruppe forderte die Welt auf, an die unschuldigen Opfer des Klimawandels zu denken – wie in Sambia, Madagaskar, Nepal, Bangladesch oder Tuvalu. Im südlichen Afrika herrscht aufgrund einer beispiellosen Dürre laut UN-Angaben eine Hungerkrise, wie sie seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen wurde.

https://x.com/LDCChairUNFCCC/status/1859566274663121192

Für Inseln geht es um den Untergang

Für die kleinen Inselstaaten geht es um die Existenz. «Es ist für uns entscheidend, dass das Gesamtpaket im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel steht», sagte der Sprecher der Staatengruppe. Der Text lasse nicht nur die entscheidende Zahl vermissen, sondern generell auch jeden Ehrgeiz. Inselstaaten wie die Malediven oder Tuvalu sind durch den steigenden Meeresspiegel buchstäblich vom Untergang bedroht.

Wie wird es in Baku weitergehen? Im Zeitplan bleibt der aserbaidschanische Gastgeber ehrgeizig: Überarbeitete Entwürfe sollen noch am Donnerstagabend präsentiert werden – bis Freitag soll ein Konsens gefunden werden.

dpa