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Putins befristete Waffenruhe reicht weder Kiew noch den USA

Mit befristeten Waffenruhen will der Kreml Dialogbereitschaft zeigen und die Verhandlungen über einen Frieden in der Ukraine in die Länge ziehen. Doch die Taktik stößt nun an ihre Grenzen.

Die vom Kreml verkündete Waffenruhe geht der Ukraine und den USA nicht weit genug. (Archivbild)
Foto: Morissard/Bednyakov/AP/dpa

Der Kreml betrachtet die Ankündigung einer Waffenruhe im Ukraine-Krieg als eine Geste des guten Willens, während Kiew dies als Betrug ansieht. Die Reaktionen auf die von Russlands Präsidenten Wladimir Putin verkündete dreitägige Feuerpause rund um die Gedenkfeiern zum 80. Jahrestag des Weltkriegsendes vom 8. bis 11. Mai sind zurückhaltend und skeptisch.

Selenskyj spricht von Mogelpackung

So kritisierte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Worte Putins als Vortäuschung von Dialogbereitschaft und Friedenswillen. Die Feuerpause sei «ein weiterer Manipulationsversuch», sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. «Aus irgendeinem Grund sollen alle bis zum 8. Mai warten und erst dann das Feuer einstellen», damit Putin während der Parade seine Ruhe habe. Kiews Priorität sei der Schutz von Menschen, nicht der von Paraden, sagte Selenskyj.

Er verwies darauf, dass die Ukraine im Gegensatz zu Russland dem Vorschlag von US-Präsident Donald Trump zu einer bedingungslosen 30-tägigen Waffenruhe bereits Anfang März zugestimmt habe. Russland aber weise alle Vorschläge zurück, die auf ein langfristiges Schweigen der Waffen abzielten. In dem Zusammenhang warf Selenskyj dem Kreml vor, «die Welt zu manipulieren und zu versuchen, die USA zu betrügen.» 

https://x.com/ZelenskyyUa/status/1916936804277883114

Sein Außenminister Andrij Syhiba hatte zuvor erklärt, dass Russland, wenn es es ernst meint mit einem Frieden, eine sofortige Einstellung der Kampfhandlungen für einen längeren Zeitraum anordnen sollte. Er betonte, dass die Ukraine bereit sei für einen dauerhaften Frieden.

Angriffe auf zivile Infrastruktur

In seiner Videobotschaft erwähnte Selenskyj ebenfalls einen russischen Drohnenangriff in der Region Tscherkassy. Er sagte, dass die Arbeiten zur Wiederherstellung der Gasversorgung der Bevölkerung dort fortgesetzt werden.

Kiew und Moskau hatten vereinbart, die Angriffe auf Energieanlagen für 30 Tage auszusetzen. Die Frist ist mittlerweile abgelaufen. Während des Moratoriums beschuldigten sich beide Seiten jedoch mehrmals gegenseitig, die Vereinbarung gebrochen zu haben.

Putin ordnet Feuerpause zu Weltkriegsgedenken an

Die nun von Putin einseitig angeordnete Waffenruhe gilt vom Tagesanbruch des 8. Mai bis Tagesanbruch des 11. Mai. Am 9. Mai, dem russischen Tag des Sieges, wird in Moskau eine große Militärparade abgehalten. Dazu werden zahlreiche Staatsgäste erwartet, darunter Chinas Staatschef Xi Jinping. «In dieser Zeit sollen alle Kampfhandlungen ruhen», hieß es auf der Webseite des Kremls. Russland gehe davon aus, dass die ukrainische Seite diesem Beispiel folge. Putin nannte «humanitäre Überlegungen» als Grund. Sein Sprecher Dmitri Peskow erklärte die Waffenruhe zu einer «Geste guten Willens». 

Er reagierte nicht auf den Gegenvorschlag der Ukraine, äußerte jedoch am Abend in einem Fernsehinterview Zweifel daran, dass es der Ukraine gelingen werde, die Waffenruhe einzuhalten. Peskow sagte, Kiew habe nicht alle kämpfenden Einheiten unter Kontrolle.

Russland steht auch unter Druck, um guten Willen zu zeigen. Trump will ein schnelles Ende des Kriegs erreichen und warf Moskau zuletzt fehlenden Friedenswillen vor. Seine Administration hat damit gedroht, sich als Vermittler auszuklinken, wenn es keine raschen Fortschritte gibt.

Keine Euphorie im Weißen Haus

Das Weiße Haus war jedoch wenig beeindruckt von Putins Vorschlag, der wenige Wochen nach der nicht nachhaltigen Oster-Waffenruhe gemacht wurde. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, sagte, dass Trump zunehmend frustriert über die Staatschefs beider Länder sei.

Als Reaktion auf die von Kremlchef Wladimir Putin angeordnete vorübergehende Feuerpause sagte sie, Trump habe deutlich gemacht, dass er eine dauerhafte Waffenruhe wolle. Er bleibe optimistisch für einen Friedensdeal, aber beide Staatschefs müssten an den Verhandlungstisch kommen.

Rubio: Russland muss «sinnlosen Krieg» beenden

Wie groß die Unzufriedenheit in Washington ist, machte auch US-Außenminister Marco Rubio bei einem Telefonat mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow deutlich. Er habe betont, dass der Ukraine-Krieg jetzt enden müsse. Den Vereinigten Staaten sei es ernst damit, ein Ende dieses «sinnlosen Krieges» erreichen zu wollen, zitierte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Tammy Bruce, den Minister. Das Gespräch fand bereits am Sonntag statt. 

Rubio hatte am Sonntag im Fernsehen mit Blick auf die Vermittlerrolle der USA gesagt: «Diese Woche wird eine sehr wichtige Woche sein, in der wir entscheiden müssen, ob wir uns weiterhin an diesem Projekt beteiligen wollen oder ob es an der Zeit ist, sich auf andere Themen zu konzentrieren, die genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger sind.»

Pistorius sieht Aussichten für Feuerpause skeptisch

Der geschäftsführende Verteidigungsminister Boris Pistorius setzt ebenfalls wenig Hoffnung in die von Putin angekündigte Feuerpause. Am Rande eines Besuchs im Nato-Hauptquartier verwies der SPD-Politiker auf frühere Ankündigungen Putins. «Und das Ergebnis kennen wir: Trotz laufender Gespräche über einen Waffenstillstand wurden Städte und zivile Infrastruktur gezielt und verstärkt angegriffen, um die Zivilbevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen», sagte Pistorius der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. 

Er hoffe dennoch sehr, dass es zu einer echten und verlässlichen Feuerpause komme. «Eine Veränderung im Kriegsgeschehen oder einen Ausblick auf einen wirklichen Frieden wird es dadurch aber voraussichtlich noch nicht geben», sagte er.

Dem Sender RTL/ntv sagte Pistorius, er setze darauf, dass die USA die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Russland weiter unterstützen. «Denn es geht hier um weit mehr als um den Verteidigungskampf eines souveränen Landes in Europa, es geht um die Sicherheit Europas und damit auch um einen Raum, der für die Amerikaner mindestens seit dem Zweiten Weltkrieg immer von herausragender Bedeutung war und nach meiner Einschätzung auch bleiben muss und wird», sagte der SPD-Politiker. 

Zu Befürchtungen, dass die US-Regierung der Ukraine weitere militärische und finanzielle Unterstützung verwehren könnte, sagte Pistorius: «Wir werden alles dafür tun, dass wir es kompensieren können, aber vorher werden wir dafür werben, dass die Amerikaner an Bord bleiben.»

dpa