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Neue Technologie macht Haut durchsichtig für medizinische Anwendungen

Forschende nutzen Lebensmittelfarbe, um Blutgefäße und Organe unter der Haut sichtbar zu machen, möglicher Einsatz beim Menschen.

Tartrazin ist ein häufig verwendeter und frei erhältlicher Lebensmittelfarbstoff.
Foto: Matthew Christiansen/U.S. National Science Foundation/dpa

Meist wird Lebensmittelfarbe verwendet, um Dinge einzufärben – Forschende nutzten sie nun, um Haut durchsichtig zu machen. Sie gaben eine gelb-orange Farbe auf die Haut von Mäusen und konnten so die Blutgefäße in der Kopfhaut oder die Bewegung von Organen unter der Bauchhaut sehen. Das Verfahren könne voraussichtlich auch bei Menschen angewandt werden und sei für viele medizinische Bereiche vorstellbar, schreibt das Team der US-amerikanischen Universität Stanford im Fachblatt «Science».

Der synthetische Farbstoff namens Tartrazin absorbiert langwelliges ultraviolettes Licht (UV-A) und blaues Licht. Rotes und orangefarbenes Licht können durch das Gewebe dringen. “Der Transparenzeffekt wird bei Haut, Muskeln und Bindegewebe erreicht”, schreiben die Forschenden. Nach den Versuchen kann der Farbstoff mit Wasser abgewaschen werden, was die Haut wieder undurchsichtig macht. Auch schadet der Stoff den Tieren nicht.

Bloß nicht einfach so an Menschen probieren

Tartrazin (E 102) ist in den Vereinigten Staaten und in der Europäischen Union genehmigt. Der Farbstoff wird beispielsweise in Backwaren, Süßigkeiten, Senf, Käse und Arzneimitteln verwendet. Auch bei Holi-Festen wird er in den Farbpulvern eingesetzt.

An Menschen hat das Team den Farbstoff noch nicht getestet. Mit-Autor Guosong Hong, Assistenzprofessor für Materialwissenschaften und Ingenieurwesen in Stanford, erklärt, dass die Anwendung auch komplexer sei als bei Mäusen. «Die menschliche Haut ist wesentlich dicker.» Die äußerste Schicht der Oberhaut stelle eine erhebliche Barriere dar, sodass die Moleküle nicht wirksam in die Lederhaut vordringen könnten. 

Der Farbstoff müsste beim Menschen also eigentlich injiziert werden – das müsse aber in Bezug auf die Sicherheit erst einmal umfassend geprüft und bewertet werden. Der Forscher meint, auf keinen Fall sollte jemand den frei erhältlichen Farbstoff einfach so beim Menschen anwenden. «Wir raten dringend davon ab, dies an der menschlichen Haut zu versuchen, da die giftige Wirkung von Farbstoffmolekülen beim Menschen, insbesondere bei äußerer Anwendung, noch nicht vollständig untersucht wurde.»

Klecks Farbe für den Blick in den Körper?

Irgendwann aber, meint Hong, könne der Farbstoff möglicherweise schon Anwendung in der Medizin finden. «Diese Technologie könnte zukünftig Venen für die Blutentnahme sichtbarer machen, die Entfernung von Tätowierungen mit Hilfe von Lasern vereinfachen oder bei der Früherkennung und Behandlung von Krebserkrankungen helfen.» Auch könne man möglicherweise Krebszellen und Krebsvorstufen unter der Haut lokalisieren, um diese mit Lasern zu entfernen. 

Um die Transparenz zu untersuchen, konzentrierte sich das Stanford-Team hauptsächlich auf die Streuung und Brechung von Licht beim Übergang von einem Material in ein anderes. Insbesondere die Streuung ist der Grund dafür, dass wir normalerweise nicht durch den Körper sehen können: Zellen, Proteine und andere Materialien haben alle einen unterschiedlichen Brechungsindex. Das bedeutet: Wenn Licht von einem Material in ein anderes übergeht, wird es unterschiedlich stark gebrochen, also gestreut.

Physikalischer Effekt

Die Forscher versuchten, einen Weg zu finden, um die unterschiedlichen Brechungsindizes auszugleichen, damit das Licht nicht so stark gestreut wird. Die Idee war, dass Farbstoffe, die Licht am effektivsten absorbieren, auch die Brechungsindizes besonders effektiv angleichen könnten. Die Forscher identifizierten Tartrazin, auch bekannt als FD&C Yellow 5, als besonders wirksam.

Beim Auflösen von Tartrazin in Wasser und dessen Zugabe zu Gewebe, das den Farbstoff aufnahm, wurde die Lichtstreuung reduziert, was zu Transparenz führte. Zuerst wurde dies an einer dünnen Scheibe Hühnerbrust getestet. Mit steigender Farbstoffkonzentration wurden die Muskelzellen durchsichtiger. Ein Bild, das unter die Glasschale mit dem Hühnchen gelegt wurde, wurde sichtbar.

Blick auf Darm und Herz

Anschließend rieben die Forscher die Mäuse mit der Lösung ein. Dadurch wurde die Kopfhaut so transparent, dass die Blutgefäße darin sichtbar wurden. Ebenso trugen sie die Lösung auf den Bauch der Mäuse auf, wo innerhalb weniger Minuten die Bewegungen des Darms sowie von Herzschlag und Atmung sichtbar wurden. Die Forscher gehen davon aus, dass eine Injektion des Farbstoffs zu noch tieferen Einblicken in die Organismen führen könnte.

[Neue Technologie macht Haut durchsichtig für medizinische Anwendungen],[Forschende nutzen Lebensmittelfarbe, um Blutgefäße und Organe unter der Haut sichtbar zu machen, möglicher Einsatz beim Menschen.]

dpa