Mobiles Menü schließen
Startseite Schlagzeilen

Israel und Hamas ringen um Feuerpause und Geisel-Freilassung

Ein hochrangiger Hamas-Funktionär kündigte an, israelischen Vorschlag zu prüfen. Hoffnung auf Durchbruch bleibt offen.

Die Demonstranten werfen Israels Regierung vor, nicht ernsthaft daran interessiert zu sein, die Freilassung der Geiseln zu erreichen.
Foto: Ohad Zwigenberg/AP/dpa

Unmittelbar vor dem geplanten Bodenangriff in Rafah verhandeln Israels Regierung und die Hamas erneut über eine Feuerpause und die Freilassung weiterer aus Israel entführter Geiseln. Ein führender Hamas-Funktionär sagte bei Telegram, dass die Islamistenorganisation den entsprechenden Vorschlag Israels prüfen und eine Antwort geben werde.

Dieser wurde kürzlich der Hamas vorgelegt. Die Verhandlungen waren zuvor lange Zeit ins Stocken geraten. Ob es nun doch zu einem Durchbruch kommt, der einen umfangreichen Militäreinsatz Israels in Rafah verzögern könnte, ist unklar. Die islamistische Hamas hat erneut ein Geiselvideo veröffentlicht. Darin sprechen sich zwei von Israel entführte Männer für einen Deal zwischen der Hamas und der israelischen Regierung aus, der die Freilassung der Geiseln vorsieht.

Es war zunächst unklar, unter welchen Umständen das Video entstanden ist und ob die beiden Männer aus freien Stücken oder unter Druck und Drohungen sprachen. Einer der Männer, der laut israelischen Medien auch die US-Staatsbürgerschaft besitzt, forderte in dem Video dazu auf, die Proteste für die Freilassung der aus Israel Verschleppten in Tel Aviv und Jerusalem fortzusetzen.

Tausende protestieren in Israel

Am Abend versammelten sich erneut Tausende zu den Kundgebungen in verschiedenen Städten. In Tel Aviv forderten die Demonstranten den Rücktritt des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu. Sie werfen der Regierung Israels vor, nicht wirklich daran interessiert zu sein, die Freilassung der Geiseln zu erreichen.

Könnte Israel Rafah-Offensive verschieben?

Israels Außenminister stellte derweil israelischen Medien zufolge für den Fall eines Geisel-Abkommens mit der islamistischen Hamas eine Verschiebung der geplanten Offensive in der Stadt Rafah in Aussicht. «Die Freilassung der Geiseln hat die höchste Priorität für uns», sagte Israel Katz dem Sender Channel 12. Auch der israelische Kan-Sender berichtete unter Berufung auf den Minister, Israel sei bereit, den Militäreinsatz zu verschieben, sollte ein Geisel-Deal zustande kommen.

Die Hamas prüft eigenen Angaben nach derzeit einen israelischen Vorschlag für eine Waffenruhe im Gaza-Krieg und die Freilassung weiterer Geiseln. Israel erwartet laut einem Bericht des Senders Channel 12 eine Antwort innerhalb von 48 Stunden.

Bei dem aktuellen Entwurf für einen Deal geht es israelischen Medien zufolge zunächst um ein begrenztes Abkommen, das vorsieht, dass nur einige weibliche, ältere und kranke Geiseln freikämen. Die Anzahl der Tage einer möglichen Waffenruhe mache Israel von der Anzahl der Geiseln abhängig, die die Hamas freilasse, berichtete das Nachrichtenportal «Axios». Die Hamas hat zuletzt einen dauerhaften Waffenstillstand gefordert, was Israel ablehnt.

Bericht: Israel zu Kompromissen bereit

«Axios» berichtete unter Berufung auf zwei hochrangige israelische Beamte, dass Israel gemäß dem neuen Vorschlag zu Kompromissen bereit sei – etwa bei der Rückkehr von Zivilisten in den nördlichen Gazastreifen. Dazu gehöre ein Rückzug des israelischen Militärs aus dem Korridor, der das Küstengebiet teilt und vertriebene Palästinenser an einer Rückkehr in den Norden hindert.

Man hoffe, dass der jüngste Vorschlag ausreichen werde, um ernsthafte Verhandlungen mit der Hamas zu führen, zitierte das Nachrichtenportal «Axios» einen der beiden Beamten. «Wir hoffen, dass die Hamas sieht, das wir es mit dem Abkommen ernst meinen – und wir meinen es ernst», sagte er demnach weiter. Die Hamas dürfte seiner Ansicht nach eine Offensive in Rafah als ausreichende Bedrohung ansehen, um auf den israelischen Vorschlag einzugehen.

Baerbock und Blinken reisen zu Gaza-Treffen

Am Montag werden sich mehrere hochrangige Politiker aus verschiedenen Ländern in Saudi-Arabien treffen, um über den Gaza-Krieg zu diskutieren. Unter den Teilnehmern sind die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und der US-Außenminister Antony Blinken. Laut Diplomatenkreisen in Riad sollen die Außenminister von Saudi-Arabien, Katar, Jordanien und den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie ihre Amtskollegen aus Großbritannien, Frankreich und Italien anwesend sein. Der ägyptische Außenminister Samih Schukri soll bereits vor Ort sein.

Eine offizielle Bestätigung aus Riad, wo ein internationales Wirtschaftsforum geplant ist, gab es zunächst nicht. Aus Diplomatenkreisen hieß es aber, die arabischen Teilnehmer wollten bei einem gemeinsamen Treffen vorab eine «vereinte arabische Haltung» in der Frage finden und sich dabei auch mit einem Vertreter der Palästinensischen Autonomiebehörde beraten. Dieser werde aber nicht am Treffen mit den Außenministern der westlichen Länder teilnehmen.

«Axios» berichtete unter Berufung auf US-Regierungsvertreter, dass Blinken heute in Saudi-Arabien eintreffen werde. Ein Treffen mit Kronprinz Mohammed bin Salman werde erwartet. Die USA hatten mit Saudi-Arabien Gespräche über eine mögliche Normalisierung der Beziehungen des arabischen Landes mit Israel geführt, die nach Beginn des Gaza-Kriegs ausgesetzt wurden. Der Kronprinz hat aber weiter ein «großes Interesse» daran geäußert. Das Königreich hofft laut Berichten im Gegenzug auf Sicherheitsgarantien der USA und Hilfe beim Aufbau eines zivilen Atomprogramms.

Israels Armee greift weiter Ziele im Gazastreifen an

Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben weitere Luftangriffe gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen durchgeführt. Ein Fahrzeug mit acht Hamas-Terroristen wurde im zentralen Teil des Küstenstreifens getroffen. Insgesamt wurden seit Freitag 25 Ziele im gesamten Küstengebiet angegriffen.

Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde gab am Samstag bekannt, dass seit Beginn des Krieges am 7. Oktober 34.388 Menschen getötet wurden. Über 77.400 weitere wurden verletzt. Es wird keine Unterscheidung zwischen Zivilisten und Bewaffneten gemacht. Die Angaben konnten vorerst nicht unabhängig überprüft werden.

Laut der israelischen Armee wird nun mehr humanitäre Hilfe in den Gazastreifen geliefert. Ein Armeesprecher erklärte, dass die Anzahl der Lastwagen, die in den Küstenstreifen einfahren, in den letzten Wochen deutlich gestiegen sei. Israel steht unter starkem internationalen Druck, mehr Hilfslieferungen in das abgeriegelte Gebiet am Mittelmeer zu lassen, in dem das israelische Militär seit Monaten gegen die islamistische Hamas kämpft.

Der Krieg begann aufgrund des beispiellosen Massakers mit über 1200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober des vergangenen Jahres in Israel verübt hatten.

Proteste bei Galadinner des Washingtoner Pressekorps

Der Gaza-Krieg erreichte unterdessen auch das alljährliche Correspondents‘ Dinner der beim Weißen Haus akkreditierten Journalisten in Washington. Am Veranstaltungsort hatten sich einige Hundert propalästinensische Demonstranten versammelt, die die zum Galadinner der Presse eintreffenden Journalistinnen und Journalisten lautstark mit Kritik an deren Nahost-Berichterstattung konfrontierten. Manche Protestierende trugen blaue Helme und T-Shirts mit der Aufschrift «Presse», die an Schutzwesten von Kriegsreportern erinnerten. Eine Demonstrantin erklärte, so solle auf die Situation palästinensischer Journalistinnen und Journalisten hingewiesen werden.

Laut der Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen wurden seit Kriegsbeginn Anfang März mehr als 100 Journalisten im Gazastreifen getötet. Die Vereinigung der Auslandspresse (FPA) kritisiert auch, dass Israel unabhängigen Berichterstattern nur begrenzten Zugang zum Kriegsgebiet gewährt. Die Behörden führen dies auf Sicherheits- und logistische Probleme zurück.

Nach Angaben der Polizei vor Ort war der Protest in Washington jedoch „verhältnismäßig klein“, obwohl sich propalästinensische Demonstrationen insbesondere an US-Universitäten in letzter Zeit ausgeweitet und teilweise verschärft haben.

dpa