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Tausende ultraorthodoxe Juden protestieren gegen Wehrpflicht

Der jahrzehntelange Streit in Israel über die Wehrpflicht für streng religiöse Juden könnte die Regierung ins Wanken bringen. Ein Gerichtsurteil löst wütende Proteste aus.

Seit Jahrzehnten gibt es in Israel Streit um die Wehrpflicht für Ultraorthodoxe. Ein Gerichtsurteil löst jetzt wütende Proteste in Jerusalem aus.
Foto: Ilia Yefimovich/dpa

Der Konflikt um die Einführung der Wehrpflicht für ultraorthodoxe Juden in Israel eskaliert. Gestern protestierten Tausende streng religiöse Männer in Jerusalem wütend gegen die gerichtlich angeordnete Verpflichtung zum Wehrdienst in der israelischen Armee. Lokalen Medienberichten zufolge kam es am Abend zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei in der Stadt. Die Einsatzkräfte gingen mit berittenen Beamten und einem Wasserwerfer gegen die aufgebrachten Demonstranten vor.

Nach Angaben der Polizei flogen aus den Reihen der schwarz gekleideten streng religiösen Männer Steine und Gegenstände auf die Beamten, Mülltonnen brannten. Mehrere Polizisten seien verletzt worden, berichtete die «Times of Israel» in der Nacht. Fünf Randalierer seien festgenommen worden. Auslöser der wütenden Proteste war ein kürzlich ergangenes Urteil des höchsten Gerichts des jüdischen Staates, wonach fortan auch ultraorthodoxe Männer zum Wehrdienst in der Armee verpflichtet werden müssen. Das Urteil erfolgte vor dem Hintergrund des Gaza-Krieges und des Konflikts mit der Hisbollah-Miliz im Libanon.

«Wir werden sterben»

Die Demonstranten trugen laut der «Times of Israel» Schilder mit der Aufschrift «Wir werden nicht in die feindliche Armee eintreten» und «Wir werden sterben» statt in der Armee zu dienen. Die Ultraorthodoxen empfinden den Militärdienst als Bedrohung ihres frommen Lebensstils, auch weil Frauen und Männer gemeinsam dienen. Männer müssen in Israel regulär drei Jahre, Frauen zwei Jahre Wehrdienst leisten. Jahrzehntelang galten Ausnahmen für ultraorthodoxe Männer bei der Wehrpflicht. Diese liefen aber vor drei Monaten aus.

Das Urteil des obersten Gerichts wird als schwerer Rückschlag für die rechtsreligiöse Regierung des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu angesehen. Das Thema Wehrpflicht war zuletzt immer mehr zu einer Zerreißprobe für seine Koalition geworden. Beobachter sehen die Stabilität des Bündnisses durch den Streit gefährdet, da sich die Regierung auch auf streng religiöse Partner stützt, die eine Einberufung junger Männer aus ihrer Gemeinschaft strikt ablehnen.

Einige Demonstranten griffen der «Times of Israel» zufolge das Auto des Vorsitzenden der ultraorthodoxen Partei Vereinigtes Tora-Judentum an, als dieser auf dem Weg nach Hause war. Medienberichten zufolge bewarfen die Demonstranten den Wagen mit Steinen und beschimpften den Parteivorsitzenden, als er vorbeifuhr. Der israelische Sender Kan veröffentlichte auf der Plattform X ein Video, in dem zu sehen ist, wie Ultraorthodoxe sein Auto umringen. Die Polizei griff laut Medienberichten ein und brachte ihn in Sicherheit.

https://x.com/kann_news/status/1807458366962147805

Der Streit um ein Gesetz, das schrittweise mehr streng religiöse Männer zum Dienst an der Waffe verpflichten sollte, führte bereits 2018 zum Bruch der Regierungskoalition. Netanjahus Regierung scheiterte nun daran, ein Gesetz zu verabschieden, das die Erleichterungen festigen sollte. Daraufhin ordnete das höchste Gericht die Streichung der staatlichen Subventionen für ultraorthodoxe Männer im wehrpflichtigen Alter an, die in Religionsschulen studieren.

Armee warnt vor Soldatenmangel

Die Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara hat Ende März entschieden, dass das Militär verpflichtet ist, auch die bisher weitgehend vom Dienst befreiten Religionsstudenten einzuziehen. Laut Gericht handelt es sich um 63.000 Männer. Viele Israelis empfinden es als ungerecht, dass Ultraorthodoxe vom Dienst an der Waffe und gefährlichen Kampfeinsätzen ausgenommen sind. Es gibt jedoch auch ultraorthodoxe Männer, die freiwillig dienen. Die Armee warnte zuletzt angesichts des Gaza-Kriegs vor einem Mangel an Kampfsoldaten.

Soldaten bei Drohnenangriff verletzt

Bei einem Drohnenangriff auf die nördlichen Golanhöhen wurden nach Angaben der israelischen Armee 18 ihrer Soldaten verletzt. Einer von ihnen sei mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht worden, teilte das Militär mit. Die Luftwaffe habe als Reaktion auf den Angriff Stellungen der proiranischen Hisbollah-Miliz im Südlibanon attackiert. Dabei sei auch eine Abschussrampe bombardiert worden, von der ein Projektil auf den Norden Israels abgefeuert worden sei. Zusätzlich habe die eigene Artillerie in mehreren Gebieten im Südlibanon «Bedrohungen beseitigt». Unabhängig überprüfen ließen sich die Angaben nicht.

Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor rund neun Monaten liefern sich Israel und die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah Schusswechsel, deren Intensität zuletzt deutlich zugenommen hat. Die Miliz hat mehrmals erklärt, dass Israel den Krieg in Gaza gegen die mit ihr verbündete islamistische Hamas beenden müsse, bevor sie den Beschuss Israels einstelle. Es besteht die Besorgnis, dass ein möglicher offener Krieg zwischen Israel und dem Libanon zu einem regionalen Konflikt eskalieren könnte, an dem auch die USA und der Iran beteiligt sein könnten.

dpa